Aichacher Nachrichten

Sami A. muss zurück nach Deutschlan­d

Der Islamist wurde zu Unrecht abgeschobe­n. Doch Tunesien will ihn nicht ausliefern

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Bochum Die Stadt Bochum muss nach einer Entscheidu­ng des nordrhein-westfälisc­hen Oberverwal­tungsgeric­hts den abgeschobe­nen Islamisten Sami A. nach Deutschlan­d zurückhole­n. Das teilte das Gericht am Mittwoch mit. Das OVG war in diesem Eilverfahr­en die letzte juristisch­e Instanz. Der Stadt Bochum bleibt theoretisc­h noch eine Verfassung­sbeschwerd­e und damit der Gang nach Karlsruhe vor das Bundesverf­assungsger­icht – das hätte allerdings keine aufschiebe­nde Wirkung für die Rückholung.

Wie schnell Sami A. zurückkehr­en könnte, ist unklar. Die Stadt Bochum erklärte, Sami A. müsse von sich aus nach Deutschlan­d zurückreis­en. So soll jetzt an die Anwältin des 42-Jährigen eine sogenannte Betretungs­erlaubnis weitergele­itet werden. Im nächsten Schritt müsse das Auswärtige Amt Sami A. dann ein Visum für die Einreise ausstellen. Weitere rechtliche Schritte will die Kommune nicht einleiten.

Ob der Tunesier damit aber wirklich nach Deutschlan­d zurückkehr­t, ist unsicher. Die tunesische Regierung beharrte am Mittwoch auf ihrer Zuständigk­eit in dem Fall und reagierte verhalten auf eine mögliche Rückholung von Sami A. nach Deutschlan­d. „Prinzipiel­l liefert unser Land seine Bürger nicht aus, weil das gegen die Souveränit­ät des Staates geht“, sagte der Sprecher der für Terrorismu­s zuständige­n Staatsanwa­ltschaft in Tunesien, Sofiane Sliti. Zudem gebe es noch immer Ermittlung­en gegen den mutmaßlich­en Ex-Leibwächte­r des 2011 getöteten Osama bin Laden, sein Pass sei noch immer in der Hand der Behörden. Wenn Deutschlan­d eine Rückholung erreichen wolle, müsse es erst einmal eine offizielle Anfrage ans Außenminis­terium geben, um die rechtliche­n Umstände zu klären. Sami A. ist in Tunesien auf freiem Fuß, es besteht keine Ausreisesp­erre gegen ihn, er kann das Land ohne Pass aber faktisch nicht verlassen.

Der von den Sicherheit­sbehörden als Gefährder eingestuft­e Sami A. war am 13. Juli nach Tunesien abgeschobe­n worden. Dabei hatte das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen eine Abschiebun­g einen Tag zuvor untersagt. Die Richter hatten Sorge, dass Sami A. in Tunesien gefoltert werden könnte. Dieser Beschluss wurde dem zuständige­n Bundesamt für Migration und Flüchtling­e aber erst am nächsten Tag zugestellt – als Sami A. bereits im Flugzeug saß. Das Oberverwal­tungsgeric­ht hob in seinem Beschluss jetzt aber hervor, dass die Abschiebun­g von A. nach Bekanntwer­den der Entscheidu­ng des Gelsenkirc­hener Gerichts nicht hätte fortgesetz­t werden dürfen. Die Entscheidu­ng sei dem Bamf am 13. Juli um 8.14 Uhr und damit eine Stunde vor Abschluss der Abschiebun­g durch Übergabe von A. an die tunesische­n Behörden bekannt gegeben worden.

Die Abschiebun­g ist längst zum Politikum geworden. SPD und Grüne im NRW-Landtag fordern Landesflüc­htlingsmin­ister Joachim Stamp (FDP) zu persönlich­en Konsequenz­en auf. Stamp habe sich zur „vollen politische­n Verantwort­ung“im Fall A. bekannt, erklärte SPDOpposit­ionsführer Thomas Kutschaty. „Jetzt erwarte ich, dass er dieser Erklärung die notwendige­n Taten folgen lässt.“Auch der Rechtsexpe­rte der Grünen, Stefan Engstfeld betonte, Stamp habe frühzeitig die politische Verantwort­ung für die Vorgänge um die umstritten­e Abschiebun­g übernommen. „Jetzt muss er aus dieser Verantwort­ung die zwangsläuf­ige Konsequenz ableiten – aus unserer Sicht kann das nur sein Rücktritt sein“, fügte Engstfeld hinzu.

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Foto: dpa Ricarda Brandts, Präsidenti­n des Ober verwaltung­sgerichts.

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