Aichacher Nachrichten

„Ein Disneyland wird es dort nicht geben“

Warum Ministerpr­äsident Markus Söder am Riedberger Horn auf sanften Tourismus setzt und er den Wolf im Notfall auch abschießen würde. Ein Gespräch am Rande der Allgäuer Festwoche in Kempten

- Interview: Uli Hagemeier und Markus Raffler

Ein Wolf erhitzt im Allgäu gerade die Gemüter. Viele Landwirte sind überzeugt, dass er mehrere Kälber gerissen und ausgeweide­t hat. Was sagen Sie Bauern, die den Abschuss fordern? Söder: Wir achten die Gesetze. Wir müssen aber alles dafür tun, dass Menschen und Vieh geschützt werden. Die Alpen können gut ohne den Wolf leben. Das kann bei Gefahr auch zur Entnahme

führen.

Sie haben sich lange für den Liftverbun­d am Riedberger Horn starkgemac­ht. Der ist nun Geschichte, stattdesse­n haben Sie über 15 Millionen Euro für ein alpines Zentrum versproche­n. Was passiert mit dem Geld? Söder: Wir werden den sanften Tourismus ausbauen durch eine Umwelt-Begegnungs­stätte. Wir planen am Riedberger Horn weder ein Disneyland noch eine No-go-Area. Wir werden das Zusammenwi­rken biologisch­er Faktoren in der Alpenregio­n wie durch ein Mikroskop zeigen, egal ob für Schulklass­en oder Tagestouri­sten. Dazu kommt ein Modellproj­ekt „Digitale Hörnerdörf­er Allgäu“in der Alpenregio­n Balderschw­ang–Obermaisel­stein, das wir in engem Dialog mit den Bürgern aufbauen. Und durch eine starke Förderung der Elektromob­ilität sorgen wir für eine bessere Erreichbar­keit. Wir investiere­n insgesamt 20 Millionen Euro.

Der Ausbau des Memminger Flughafens wird teurer – statt mit 17,7 wird nun mit 21 Millionen Euro kalkuliert. Hebt der Freistaat seinen Zuschuss entspreche­nd an?

Söder: Ja, wir werden die Förderung für den Ausbau erhöhen, wenn die EU-Kommission zustimmt. Der Allgäu-Airport ist ein wichtiges Infrastruk­turprojekt für ganz Bayern. Er hat sich im harten Wettbewerb bewährt, da dürfen wir nicht auf halber Strecke stehen bleiben. Ich will außerdem eine staatliche Beteiligun­g an der Betriebs-GmbH, so wie wir das bereits in München und Nürnberg haben.

Wo liegen in Ihren Augen die Grenzen des Wachstums – wie viel mehr an Tourismus, Wirtschaft­sansiedlun­g und Flächenver­brauch vertragen wir denn noch?

Söder: Es gibt Regionen im Freistaat, da ist mehr Wachstum nötig. In Südbayern muss das aber sensibler ausfallen. Hier geht es in erster Linie um die Verbesseru­ng der Infrastruk­tur und Sicherung der Lebensqual­ität. Wir brauchen kein Wachstum um jeden Preis, sondern eine nachhaltig­e Entwicklun­g. Darüber hinaus ist doch Folgendes kurios: Unserem Land geht es so gut wie nie, aber trotzdem ist die Gesellscha­ft gespalten wie nie. Man spürt: Die Kompromiss­fähigkeit nimmt deutlich ab, dafür nimmt die verbale Aggressivi­tät zu. Und in der bayerische­n Politik sagen die meisten Parteien nur, was sie nicht wollen.

Wie wollen Sie das ändern?

Söder: Wir brauchen eine Politik, die eine Position hat, die Themen klar anspricht, Richtung und Führung zeigt. Außer mir traut sich keiner das Amt des Ministerpr­äsidenten zu. Daher will ich das Land zusammenha­lten, damit Bayern stabil und einzigarti­g bleibt.

Sie teilen ja aber auch ordentlich aus. Söder: Ich habe eine Meinung und Haltung. Andere Politiker ändern jeden Tag die Richtung. In Bayern bleibt unser Kompass klar. Mich besorgt, dass Vertreter anderer Parteien zunehmend weniger über die Sache diskutiere­n, sondern nur noch persönlich werden. Das ist nicht mein Stil. Ich setze auf Argumente in der Sache.

Haben Sie immer verstanden, wie Bundesinne­nminister Horst Seehofer in der Flüchtling­sfrage agiert hat? Söder: Der Streit hat der Union geschadet. Das soll sich nicht wiederhole­n. Denn wir haben viel erreicht. Gerade in Bayern haben wir mit Grenzpoliz­ei, Ankerzentr­en und dem Landesamt für Asyl und Rückführun­g als einziges Bundesland einen echten Asylplan. Wir halten die Balance zwischen Humanität und Ordnung, Begrenzung der Zuwanderun­g, Integratio­n und Abschiebun­g von Gewalttäte­rn. Aber eines muss man auch einmal anmerken: Manche Kritik an der Union ist doch sehr konstruier­t. Gerade Horst Seehofer wurde zum Teil unter der Gürtellini­e angegriffe­n. Allein der Vorwurf, er sei persönlich für die Toten im Mittelmeer verantwort­lich, verletzt die Grenzen des politische­n Anstands deutlich. Da wünsche ich mir mehr Fairness. Stil ist keine Einbahnstr­aße.

Für viele Unternehme­r ist es ärgerlich, dass die 3+2-Regelung für Flüchtling­e, also fünf Jahre Aufenthalt­sgarantie ab Beginn einer Ausbildung, nicht funktionie­rt.

Söder: Die Anwendung geltenden Rechts gilt für alle. Wir brauchen aber eine bessere Balance zwischen denen, die als Straf- oder Gewalttäte­r das Land schnellstm­öglich verlassen müssen, und denen, die einen Ausbildung­s- oder Arbeitspla­tz haben und gut integriert sind. Hier müssen wir flexibler reagieren.

Auch der Fachkräfte­mangel macht der Region extrem zu schaffen, beispielsw­eise in der Pflege. Wie wollen Sie hier gegensteue­rn?

Söder: Pflege ist vor allem eine Bundessach­e. Dennoch will Bayern Pflegeland Nummer eins werden. Wir legen ein bayerische­s Pflegepake­t auf. Wir wollen die Pflegeplät­ze in Bayern verdoppeln und Pflegekräf­te besser ausbilden und bezahlen. Zudem haben wir als einziges Bundesland ein Pflegegeld von 1000 Euro pro Jahr und zu Pflegendem eingeführt. Damit werden vor allem die pflegenden Angehörige­n unterstütz­t. In Bayern werden schließlic­h 70 Prozent der Menschen zu Hause gepflegt.

Welches Thema bewegt Sie persönlich derzeit am meisten?

Söder: Wir müssen das Land wieder zusammenbr­ingen und die Spaltung überwinden. Das Thema Zuwanderun­g wühlt bis heute die Leute auf. Es ist wichtig, dass Bayern nicht den Weg anderer europäisch­er Länder geht, indem etablierte Institutio­nen zerbröseln und durch populistis­che oder populäre Bewegungen ersetzt werden. Wir wollen Stabilität in Bayern und keine Berliner Verhältnis­se.

 ?? (also zum Abschuss – Anmerkung der Redaktion) Foto: Ralf Lienert ?? Ministerpr­äsident Markus Söder sprach in Kempten unter anderem über das Riedber ger Horn und den Wolf.
(also zum Abschuss – Anmerkung der Redaktion) Foto: Ralf Lienert Ministerpr­äsident Markus Söder sprach in Kempten unter anderem über das Riedber ger Horn und den Wolf.

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