So feiern Christen des Orients
Die syrisch-orthodoxe Gemeinde in Augsburg ist die größte im süddeutschen Raum. Ihre Geschichte reicht bis in die 1970er zurück. Warum der Feiertag ein doppelter Grund zum Feiern war
Etwa 1000 Gläubige verfolgten an Mariä Himmelfahrt den Gottesdienst mit Eucharistiefeier in der Marienkirche. Der Feiertag hat auch für die syrisch-orthodoxen Christen in Augsburg große Bedeutung. In diesem Jahr kombinierten sie ihn mit dem Fest zum 20-jährigen Bestehen ihrer Kirche in Lechhausen.
Am Feiertag sitzen in den Bankreihen rechts die Frauen, die meisten von ihnen mit über den Kopf gelegtem Tuch, links die Männer im Anzug. Extra angereist war Mor Philoxenus Matthias Nayis, Erzbischof der Diözese Deutschland, der den Tag mit einer Eucharistiefeier zu Ehren der Maria würdigte. Matthias Nayis wurde 2007 vom Patriarchen der syrisch-orthodoxen Kirche nahe Damaskus zum Bischof geweiht und 2012 im syrisch-orthodoxen Kloster St. Jakob bei Detmold in sein jetziges Amt eingeführt.
Im rotgoldenen Ornat leitet er die Liturgie in der mehr als vollen Kirche nach altem antiochenischem Ritus. Acht Augsburger Messdiener in weißem Gewand mit über die Schulter geworfener rotgoldener Schärpe, der Augsburger Pfarrer sowie ein aus Herne angereister Dekan assistieren. Von der Empore unterstützt der Frauenchor den Gesangspart der Gemeinde. Die auf Aramäisch intonierten Lieder und Gebete rei- chen musisch und sprachlich bis in die Frühzeit des Christentums zurück.
Während des Gottesdienstes bevölkern 14 Männer den weitläufigen, nach Osten ausgerichteten Altarraum, es herrscht reges Leben. Mitunter verschwindet die Szenerie hinter einem nachtblauen Samtvorhang, der kurz den Altar- vom Gemeinderaum trennt. Was bleibt, sind der A-cappella-Gesang und der Blick auf den blauen Samt, geschmückt mit dem gleichschenkligen roten Kreuz der Orthodoxie, umrahmt von den mächtigen drei Rundbögen, die den gesamten Altarraum einfassen.
Zum Ende der dreistündigen Messe, während der Weihezeremonie für sechs neuen Co-Diakone, wird es auch im Zuhörerraum der Marienkirche überraschend lebendig. Drei Mal müssen die in Weiß gekleideten, in einer Reihe vor dem Altar stehenden Männer vor den Bischof treten. Zu jeder Segnung gibt’s aus den Bankreihen der Frauen anhaltend laute Freudentriller. Nur Besucher, die offensichtlich nicht zur Gemeinde gehören, sehen sich erstaunt um.
Die Neuen sind eher Messdiener als Diakone im europäisch-christlichen Sinn. „Wir helfen mit den Utensilien und singen in der Messe. Mit Seelsorge haben wir nichts zu tun“, erklärt Matthias Dozla, der schon einer der „alten“Co-Diakone ist. Fünf Stufen bis zum Erzdiakon können die Laien durchlaufen, der Co-Diakon ist die dritte.
Die syrisch-orthodoxe Gemeinde mit ihren heute etwa 1000 Familien ist ein Kind der 1970er Jahre und damit der Arbeitsmigration. Bereits 1971 wurde mit Bitris Ögünc, dessen Nachfahren noch heute in Augsburg leben, der erste syrisch-orthodoxe Priester nach seiner Weihe nach Westeuropa geschickt. Er bezog ein Gehalt vom Bistum Augsburg und arbeitete hier bis 1990 als Pfarrer und Seelsorger.
Die Stadt Augsburg wurde zum süddeutschen Zentrum der syrischorthodoxen Migration aus dem südosttürkischen Tur Abdin. Dass die Christen aus der Türkei in Deutschland nicht verfolgt und hier in Augsburg auf professionelle Betreuung hoffen konnten, macht den Standort am Lech bis heute attraktiv. 1988 gründete die Gemeinde offiziell einen Verein und kaufte im Jahr 1991 für 1,8 Millionen Mark das Grundstück im Industriegebiet an der Zusamstraße in Lechhausen.
Heute feiern und beten in der Augsburger Marienkirche etwa 4000 Gläubige, darunter auch syrisch-orthodoxe Christen aus dem Libanon sowie jene Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak, die nach ihrer Flucht vor dem Islamischen Staat in der Marienkirche Augsburg eine neue religiöse Heimat gefunden haben.