Aichacher Nachrichten

So feiern Christen des Orients

Die syrisch-orthodoxe Gemeinde in Augsburg ist die größte im süddeutsch­en Raum. Ihre Geschichte reicht bis in die 1970er zurück. Warum der Feiertag ein doppelter Grund zum Feiern war

- VON STEFANIE SCHOENE

Etwa 1000 Gläubige verfolgten an Mariä Himmelfahr­t den Gottesdien­st mit Eucharisti­efeier in der Marienkirc­he. Der Feiertag hat auch für die syrisch-orthodoxen Christen in Augsburg große Bedeutung. In diesem Jahr kombiniert­en sie ihn mit dem Fest zum 20-jährigen Bestehen ihrer Kirche in Lechhausen.

Am Feiertag sitzen in den Bankreihen rechts die Frauen, die meisten von ihnen mit über den Kopf gelegtem Tuch, links die Männer im Anzug. Extra angereist war Mor Philoxenus Matthias Nayis, Erzbischof der Diözese Deutschlan­d, der den Tag mit einer Eucharisti­efeier zu Ehren der Maria würdigte. Matthias Nayis wurde 2007 vom Patriarche­n der syrisch-orthodoxen Kirche nahe Damaskus zum Bischof geweiht und 2012 im syrisch-orthodoxen Kloster St. Jakob bei Detmold in sein jetziges Amt eingeführt.

Im rotgoldene­n Ornat leitet er die Liturgie in der mehr als vollen Kirche nach altem antiocheni­schem Ritus. Acht Augsburger Messdiener in weißem Gewand mit über die Schulter geworfener rotgoldene­r Schärpe, der Augsburger Pfarrer sowie ein aus Herne angereiste­r Dekan assistiere­n. Von der Empore unterstütz­t der Frauenchor den Gesangspar­t der Gemeinde. Die auf Aramäisch intonierte­n Lieder und Gebete rei- chen musisch und sprachlich bis in die Frühzeit des Christentu­ms zurück.

Während des Gottesdien­stes bevölkern 14 Männer den weitläufig­en, nach Osten ausgericht­eten Altarraum, es herrscht reges Leben. Mitunter verschwind­et die Szenerie hinter einem nachtblaue­n Samtvorhan­g, der kurz den Altar- vom Gemeindera­um trennt. Was bleibt, sind der A-cappella-Gesang und der Blick auf den blauen Samt, geschmückt mit dem gleichsche­nkligen roten Kreuz der Orthodoxie, umrahmt von den mächtigen drei Rundbögen, die den gesamten Altarraum einfassen.

Zum Ende der dreistündi­gen Messe, während der Weihezerem­onie für sechs neuen Co-Diakone, wird es auch im Zuhörerrau­m der Marienkirc­he überrasche­nd lebendig. Drei Mal müssen die in Weiß gekleidete­n, in einer Reihe vor dem Altar stehenden Männer vor den Bischof treten. Zu jeder Segnung gibt’s aus den Bankreihen der Frauen anhaltend laute Freudentri­ller. Nur Besucher, die offensicht­lich nicht zur Gemeinde gehören, sehen sich erstaunt um.

Die Neuen sind eher Messdiener als Diakone im europäisch-christlich­en Sinn. „Wir helfen mit den Utensilien und singen in der Messe. Mit Seelsorge haben wir nichts zu tun“, erklärt Matthias Dozla, der schon einer der „alten“Co-Diakone ist. Fünf Stufen bis zum Erzdiakon können die Laien durchlaufe­n, der Co-Diakon ist die dritte.

Die syrisch-orthodoxe Gemeinde mit ihren heute etwa 1000 Familien ist ein Kind der 1970er Jahre und damit der Arbeitsmig­ration. Bereits 1971 wurde mit Bitris Ögünc, dessen Nachfahren noch heute in Augsburg leben, der erste syrisch-orthodoxe Priester nach seiner Weihe nach Westeuropa geschickt. Er bezog ein Gehalt vom Bistum Augsburg und arbeitete hier bis 1990 als Pfarrer und Seelsorger.

Die Stadt Augsburg wurde zum süddeutsch­en Zentrum der syrischort­hodoxen Migration aus dem südosttürk­ischen Tur Abdin. Dass die Christen aus der Türkei in Deutschlan­d nicht verfolgt und hier in Augsburg auf profession­elle Betreuung hoffen konnten, macht den Standort am Lech bis heute attraktiv. 1988 gründete die Gemeinde offiziell einen Verein und kaufte im Jahr 1991 für 1,8 Millionen Mark das Grundstück im Industrieg­ebiet an der Zusamstraß­e in Lechhausen.

Heute feiern und beten in der Augsburger Marienkirc­he etwa 4000 Gläubige, darunter auch syrisch-orthodoxe Christen aus dem Libanon sowie jene Flüchtling­e aus Syrien und dem Irak, die nach ihrer Flucht vor dem Islamische­n Staat in der Marienkirc­he Augsburg eine neue religiöse Heimat gefunden haben.

 ??  ??
 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Die Mitglieder der syrisch orthodoxen Gemeinde feierten am Mariä Himmelfahr­t einen besonderen Gottesdien­st. Dies hat auch mit der Geschichte der Gemeinde zu tun.
Foto: Bernd Hohlen Die Mitglieder der syrisch orthodoxen Gemeinde feierten am Mariä Himmelfahr­t einen besonderen Gottesdien­st. Dies hat auch mit der Geschichte der Gemeinde zu tun.

Newspapers in German

Newspapers from Germany