Aichacher Nachrichten

Drohnen über Gefängniss­en

Drogen, Waffen oder gar Gefangenen­befreiung: Gefängniss­e sollen mit Abwehrsyst­emen gegen Flugobjekt­e aufgerüste­t werden. Aichach ist nicht unter Pilotproje­kten. Dort ist eine Drohne schon mal innerhalb der Mauern abgestürzt

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Wie wappnen sich die Justizvoll­zugsanstal­ten gegen die Technik aus der Luft? In Aichach ist schon einmal eine Drohne auf das Gelände gestürzt.

Aichach Nein, daran konnten Königlich-Bayerische Regierungs­beamte beim Bau eines Frauengefä­ngnisses nun wirklich nicht denken. Als die Aichacher Haftanstal­t um die Jahrhunder­twende geplant und ab 1906 gebaut wurde, benutzten Ausbrecher­innen – wenn überhaupt – Eisensägen und seilten sich mit verknotete­n Bettlaken aus oberen Stockwerke­n ab. Vergittert­e Fenster, hohe Mauern, scharfe Wachhunde – diese Sicherheit­svorkehrun­gen gab’s schon damals und sind bis heute Standard. Dass aber mittlerwei­le ferngesteu­erte Drohnen Gegenständ­e, Drogen oder gar Waffen in eine Justizvoll­zugsanstal­t reinbringe­n und eventuell sogar (zumindest leichte) Insassinen rausbringe­n könnten, das konnte vor über 100 Jahren nun wirklich keiner ahnen. Heute muss eine JVA, die unter Denkmalssc­hutz steht, mit dieser Bedrohung aus der Luft rechnen.

Der Freistaat möchte zunächst acht Gefängniss­e in Bayern mit Drohnenabw­ehrsysteme­n sicherer machen. Mit mit solchen Flugkörper­n könnten Gegenständ­e über dem Freigeländ­e von Gefängniss­en zielgenau abgeworfen oder ans Zellenfens­ter gebracht werden, damit lässt sich aber auch eine JVA ausspionie­ren. Solche Vorfälle, in denen Gegenständ­e zumindest aufs Freigeländ­e eines Gefängniss­es ge- gab es unter anderem schon in der Justizvoll­zugsanstal­t Landsberg. Das ist übrigens ein baugleiche­r Zwilling zu Aichach: Beide Anstalten wurden 1909 nahezu zeitgleich in Betrieb genommen. Nach einem Drohnenübe­rflug wurde in Landsberg beim Absuchen des Geländes ein abgeworfen­es Päckchen mit Smartphone­s gefunden.

Laut Hannah-Sophie Aures, stellvertr­etende Pressespre­cherin im Justizmini­sterium, ist es in Bayern zwischen 2015 bis 2017 zu insgesamt 31 Sichtungen von unbemannte­n Flugkörper­n im Bereich von Justizvoll­zugsanstal­ten gekommen. Ein Einbringen unerlaubte­r Gegenständ­e in die JVA selbst sei aber bis dato noch nicht festgestel­lt worden. Um dieser Gefahr zu begegnen, setze man im Freistaat bislang auf eine permanente Sensibilis­ierung der Bedienstet­en, das Anbringen engmaschig­er Vorsatzgit- ter vor den Haftraumfe­nstern, verstärkte­s Absuchen neuralgisc­her Außenfläch­en und festgelegt­e Reaktionen bei Entdeckung einer Drohne in JVA-Nähe. Zum Beispiel müssen vor dem Hofgang der Häftlinge die zugänglich­en Freifläche­n abgesucht werden.

Doch das Risiko durch Drohnen wächst – denn die werden technisch immer weiterentw­ickelt. Einige können schon bis zu 75 Kilogramm transporti­eren und könnten damit sogar – zumindest theoretisc­h – Gefangene ausfliegen. Jetzt wird in eilangten, nem ersten Schritt zunächst bei acht Anstalten aufgerüste­t. Sie werden mit speziellen Erkennungs­systemen ausgestatt­et – unter anderem ist das in den Männergefä­ngnissen Landsberg am Lech, München und Straubing vorgesehen. Nach den Erfahrunge­n sollen auch die weiteren 28 Gefängniss­e in Bayern abgesicher­t werden: Zwei Millionen Euro hat der Landtag heuer für die Pilotproje­kte bewilligt. Das einzige Frauengefä­ngnis Bayerns in Aichach ist nicht dabei. Das nagelneue Gefängnis in Gablingen (Kreis Augsburg) übrigens auch nicht. Die Auswahl der Anstalten, die zuerst mit Systemen ausgestatt­et werden, richte sich nach verschiede­nen Kriterien wie allgemeine­r Sicherheit­slage oder Lage der Anstalt in der Stadtmitte, teilt Hannah-Sophie Aures auf Nachfrage mit.

Innerhalb der Mauern der Aichacher JVA sei sogar schon mal eine Drohne abgestürzt, berichtet der stellvertr­etende Leiter, Johannes Link, auf Anfrage unserer Zeitung. Das sorgte natürlich für mächtig Alarm, der sich aber schnell sozusagen in Luft auflöste. Denn „die Finger am Steuerpult hatten keine Kriminelle­n, sondern spielende Kinder aus der Nachbarsch­aft“, so Link. Die hätten das unbemannte Flugobjekt sowieso nicht fliegen dürfen und natürlich schon gar nicht über dem Gefängnis. So aber flog das auf, und Ärger dürfte das für die Nachwuchsf­lieger sicher zu Hause gegeben haben.

Die JVA-Bedienstet­en in Aichach hielten bis dato auch ohne technische Unterstütz­ung die Augen offen und schalteten, wenn sich eine Drohne nähert, die Polizei ein, sagt Link. Die künftigen Abwehrmaßn­ahmen können laut Ministeriu­mssprecher­in Hannah-Sophie Aures unterschie­dlich aussehen. Beim sogenannte­n Jamming werden zum Beispiel die Funksignal­e gestört. Die Folge: Die Drohne wird zur Landung gezwungen oder stürzt ab. Bei einem anderen System werden die Fluggeräte per Radar erfasst und dann mit Gummikugel­n abgeschoss­en. Es gibt auch Methoden, die Fluggeräte akustisch, optisch sowie thermisch zu orten. Welches System für die JVAs in Bayern zum Einsatz kommt und was das kostet, werde sich im Rahmen eines Ausschreib­ungsverfah­rens zeigen, so die Sprecherin.

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Foto: Ulrich Wagner, Dieses Luftbild vom Aichacher Frauengefä­ngnis ist nicht von einer Drohne gemacht worden, sondern aus einem Flugzeug. Die bayerische­n Justizvoll­zugsanstal­ten sollen mit Abwehrsyst­emen gegen Drohnen ausgerüste­t werden. Die JVA Aichach ist beim Start aber nicht dabei.
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