Drohnen über Gefängnissen
Drogen, Waffen oder gar Gefangenenbefreiung: Gefängnisse sollen mit Abwehrsystemen gegen Flugobjekte aufgerüstet werden. Aichach ist nicht unter Pilotprojekten. Dort ist eine Drohne schon mal innerhalb der Mauern abgestürzt
Wie wappnen sich die Justizvollzugsanstalten gegen die Technik aus der Luft? In Aichach ist schon einmal eine Drohne auf das Gelände gestürzt.
Aichach Nein, daran konnten Königlich-Bayerische Regierungsbeamte beim Bau eines Frauengefängnisses nun wirklich nicht denken. Als die Aichacher Haftanstalt um die Jahrhundertwende geplant und ab 1906 gebaut wurde, benutzten Ausbrecherinnen – wenn überhaupt – Eisensägen und seilten sich mit verknoteten Bettlaken aus oberen Stockwerken ab. Vergitterte Fenster, hohe Mauern, scharfe Wachhunde – diese Sicherheitsvorkehrungen gab’s schon damals und sind bis heute Standard. Dass aber mittlerweile ferngesteuerte Drohnen Gegenstände, Drogen oder gar Waffen in eine Justizvollzugsanstalt reinbringen und eventuell sogar (zumindest leichte) Insassinen rausbringen könnten, das konnte vor über 100 Jahren nun wirklich keiner ahnen. Heute muss eine JVA, die unter Denkmalsschutz steht, mit dieser Bedrohung aus der Luft rechnen.
Der Freistaat möchte zunächst acht Gefängnisse in Bayern mit Drohnenabwehrsystemen sicherer machen. Mit mit solchen Flugkörpern könnten Gegenstände über dem Freigelände von Gefängnissen zielgenau abgeworfen oder ans Zellenfenster gebracht werden, damit lässt sich aber auch eine JVA ausspionieren. Solche Vorfälle, in denen Gegenstände zumindest aufs Freigelände eines Gefängnisses ge- gab es unter anderem schon in der Justizvollzugsanstalt Landsberg. Das ist übrigens ein baugleicher Zwilling zu Aichach: Beide Anstalten wurden 1909 nahezu zeitgleich in Betrieb genommen. Nach einem Drohnenüberflug wurde in Landsberg beim Absuchen des Geländes ein abgeworfenes Päckchen mit Smartphones gefunden.
Laut Hannah-Sophie Aures, stellvertretende Pressesprecherin im Justizministerium, ist es in Bayern zwischen 2015 bis 2017 zu insgesamt 31 Sichtungen von unbemannten Flugkörpern im Bereich von Justizvollzugsanstalten gekommen. Ein Einbringen unerlaubter Gegenstände in die JVA selbst sei aber bis dato noch nicht festgestellt worden. Um dieser Gefahr zu begegnen, setze man im Freistaat bislang auf eine permanente Sensibilisierung der Bediensteten, das Anbringen engmaschiger Vorsatzgit- ter vor den Haftraumfenstern, verstärktes Absuchen neuralgischer Außenflächen und festgelegte Reaktionen bei Entdeckung einer Drohne in JVA-Nähe. Zum Beispiel müssen vor dem Hofgang der Häftlinge die zugänglichen Freiflächen abgesucht werden.
Doch das Risiko durch Drohnen wächst – denn die werden technisch immer weiterentwickelt. Einige können schon bis zu 75 Kilogramm transportieren und könnten damit sogar – zumindest theoretisch – Gefangene ausfliegen. Jetzt wird in eilangten, nem ersten Schritt zunächst bei acht Anstalten aufgerüstet. Sie werden mit speziellen Erkennungssystemen ausgestattet – unter anderem ist das in den Männergefängnissen Landsberg am Lech, München und Straubing vorgesehen. Nach den Erfahrungen sollen auch die weiteren 28 Gefängnisse in Bayern abgesichert werden: Zwei Millionen Euro hat der Landtag heuer für die Pilotprojekte bewilligt. Das einzige Frauengefängnis Bayerns in Aichach ist nicht dabei. Das nagelneue Gefängnis in Gablingen (Kreis Augsburg) übrigens auch nicht. Die Auswahl der Anstalten, die zuerst mit Systemen ausgestattet werden, richte sich nach verschiedenen Kriterien wie allgemeiner Sicherheitslage oder Lage der Anstalt in der Stadtmitte, teilt Hannah-Sophie Aures auf Nachfrage mit.
Innerhalb der Mauern der Aichacher JVA sei sogar schon mal eine Drohne abgestürzt, berichtet der stellvertretende Leiter, Johannes Link, auf Anfrage unserer Zeitung. Das sorgte natürlich für mächtig Alarm, der sich aber schnell sozusagen in Luft auflöste. Denn „die Finger am Steuerpult hatten keine Kriminellen, sondern spielende Kinder aus der Nachbarschaft“, so Link. Die hätten das unbemannte Flugobjekt sowieso nicht fliegen dürfen und natürlich schon gar nicht über dem Gefängnis. So aber flog das auf, und Ärger dürfte das für die Nachwuchsflieger sicher zu Hause gegeben haben.
Die JVA-Bediensteten in Aichach hielten bis dato auch ohne technische Unterstützung die Augen offen und schalteten, wenn sich eine Drohne nähert, die Polizei ein, sagt Link. Die künftigen Abwehrmaßnahmen können laut Ministeriumssprecherin Hannah-Sophie Aures unterschiedlich aussehen. Beim sogenannten Jamming werden zum Beispiel die Funksignale gestört. Die Folge: Die Drohne wird zur Landung gezwungen oder stürzt ab. Bei einem anderen System werden die Fluggeräte per Radar erfasst und dann mit Gummikugeln abgeschossen. Es gibt auch Methoden, die Fluggeräte akustisch, optisch sowie thermisch zu orten. Welches System für die JVAs in Bayern zum Einsatz kommt und was das kostet, werde sich im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens zeigen, so die Sprecherin.