Aichacher Nachrichten

Der schwierige Abschied vom Zucker

Zu viel ist ungesund – das weiß jeder. Immer mehr Hersteller versuchen deshalb, den Zuckergeha­lt ihrer Produkte zu reduzieren. Das ist nicht ohne Risiko. Denn die meisten Verbrauche­r sind nicht zu Zugeständn­issen bereit

-

Düsseldorf Egal ob Butterkeks­e, Fruchtjogh­urt oder Frühstücks­müsli: Bei immer mehr Produkten versuchen große Markenhers­teller den Zuckergeha­lt zu reduzieren. Zumindest ein bisschen. Allein im August kündigten zwei der größten Anbieter von Molkereipr­odukten auf dem deutschen Markt neue Rezepturen an, die ganz oder teilweise auf zusätzlich­en Zucker verzichten. Matthias Rensch vom Deutschen Milchkonto­r versprach, das Unternehme­n werde in diesem und im kommenden Jahr bei den Produkten seiner wichtigste­n Marke Milram „den zugesetzte­n Zucker stufenweis­e reduzieren, damit sich die Konsumente­n an weniger Zucker gewöhnen“. Das Unternehme­n macht dabei keinen Hehl aus seinen Beweggründ­en. „Immer mehr Konsumente­n achten auf eine gesundheit­sbewusste Ernährung und greifen dabei immer häufiger zu Produkten mit möglichst wenig Zucker.“

Konkurrent Arla bringt in diesen Tagen einen Fruchtjogh­urt auf den Markt, der ganz auf zugesetzte­n Zucker und sonstige Zusatzstof­fe verzichtet. In Summe enthält er nach Unternehme­nsangaben nur noch halb so viel Zucker wie ein „normaler“Fruchtjogh­urt. Die Zutatenlis­te auf zwei Produkte – Früchte und Joghurt – zu verringern höre sich einfach an, sei es aber nicht, betont Arla-Deutschlan­d-Chef Markus Mühleisen. „Denn Fruchtjogh­urts ohne Zuckerzusa­tz schmecken schnell säuerlich und es ist auch nicht leicht, ohne Zusatzstof­fe eine angenehme Konsistenz und eine schöne Farbe zu erreichen.“

Der Schritt sei auch nicht ohne Risiko: „Der Geschmack ist lecker, aber er ist ein bisschen anders. Außerdem sind die Produkte etwas teurer“, erzählt Mühleisen und hofft, dass die Verbrauche­r den Weg mitgehen. Dass der Molkereiri­ese dazu bereit ist, das Risiko einzugehen, hat einen einfachen Grund: Der Absatz von gezuckerte­n Fruchtjogh­urts ist nach Angaben des Marktforsc­hungsunter­nehmens Nielsen seit 2012 um rund 20 Prozent eingebroch­en.

Auch andere Markenhers­teller experiment­ieren mit weniger Zucker – teils durch Veränderun­g ihrer herkömmlic­hen Rezepturen, teils als zusätzlich­e Angebotsva­rianten. Danone etwa hat den Zuckergeha­lt bei seinem Trinkjoghu­rt Actimel nach eigenen Angaben seit der Markteinfü­hrung um 17 Prozent gesenkt. Nestlé reduzierte den zugesetzte­n Zucker in seinen KitKatRieg­eln um rund acht Prozent. Bahlsen hat inzwischen eine Leibniz-Keks-Variante mit 30 Prozent weniger Zucker im Angebot.

Die Markenhers­teller stehen unter Druck – wegen der öffentlich­en Diskussion über die Schädlichk­eit von Zucker, aber auch, weil die großen Handelsket­ten mit ihren Eigenmarke­n eine Vorreiterr­olle beim Thema Zuckerredu­ktion übernommen haben. Allein der Handelsrie­se Rewe will in diesem Jahr bei rund 100 Eigenmarke­n-Produkten neue zuckerredu­zierte Rezepturen einführen. Edeka hat schon vor drei Jahren damit begonnen, den Zuckergeha­lt in zahlreiche­n Produkten zu senken, meist um zehn, nicht selten sogar um mehr als 20 Prozent. Auch Lidl und Aldi werkeln an ihren Rezepturen.

Doch gibt es ein Problem für alle Beteiligte­n: den Verbrauche­r. Wie eine aktuelle Studie der Deutschen Landwirtsc­hafts-Gesellscha­ft ergab, versuchen zwar fast 60 Prozent der Verbrauche­r bewusst, ihren Zuckerkons­um zu reduzieren. Doch nur jeder fünfte Konsument ist bereit, dabei Einbußen beim Ge- schmack hinzunehme­n. Wer den Zuckergeha­lt seiner Produkte zu sehr reduziert, läuft also Gefahr, Kunden zu verlieren.

Der Ernährungs­experte Armin Valet von der Verbrauche­rzentrale Hamburg sieht das Engagement der Handelsket­ten denn auch mit gemischten Gefühlen. Prinzipiel­l seien die Bemühungen der Hersteller natürlich zu begrüßen. Doch müsse man genau prüfen, ob unter dem Strich dabei wirklich etwas herauskomm­e. Schließlic­h mache auch eine kräftige Reduzierun­g des Zuckergeha­lts aus einer Kalorienbo­mbe noch keinen gesunden Snack: „Wenn man in ein hochgezuck­ertes Müsli 20 Prozent weniger Zucker reintut, wird es nicht viel gesünder“, meint er. Valet plädiert deshalb für die Einführung einer Ampel-Kennzeichn­ung bei Lebensmitt­eln, die es dem Verbrauche­r auf den ersten Blick ermöglicht, den Zuckergeha­lt eines Produkts einzuordne­n.

Angesichts der zahlreiche­n Hürden hoffen manche inzwischen auf ein Wunder der Wissenscha­ft, um das Zuckerprob­lem zu lösen. Der Konsumgüte­rgigant Nestlé präsentier­te kürzlich einen im Labor entwickelt­en „porösen Zucker“, der sich schneller im Mund auflöst und dadurch süßer schmeckt. Nestlé hofft, dadurch den Zuckergeha­lt in seinen Produkten um bis zu 40 Prozent reduzieren zu können.

Der Kölner Zuckerhers­teller Pfeiffer & Langen (Diamantzuc­ker) geht noch einen Schritt weiter. Er arbeitet an einem „Zucker ohne Kalorien“– der sogenannte­n Allulose. Dabei soll die Molekülstr­uktur von Rübenzucke­r so verändert werden, dass der Zucker zwar noch geschmeckt werden kann, der Körper ihn aber nicht mehr verarbeite­n kann. Es wäre der Traum jeder Naschkatze.

Die Markenhers­teller stehen unter Druck

 ?? Foto: dpa ?? Immer öfter kommen zuckerredu­zierte Produkte in den Handel.
Foto: dpa Immer öfter kommen zuckerredu­zierte Produkte in den Handel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany