Aichacher Nachrichten

Frau zu sein ist richtig teuer

Im Alltag müssen Frauen oft tiefer in die Tasche greifen als Männer. Das ist zum Beispiel beim Friseurbes­uch zu spüren. Woran liegt das?

- VON DORINA PASCHER

Augsburg Ein Paar geht gemeinsam zum Friseur. Sie trägt ihre Haare kurz, er ebenso. Eine halbe Stunde später stehen beide an der Kasse, um zu bezahlen. Er zahlt 25 Euro, sie 37,50 Euro. Gleiche Haarlänge, gleiche Aufenthalt­sdauer, unterschie­dlicher Preis: Wie kommt das zustande?

Das wollte die Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes herausfind­en und hat eine umfassende Studie in Auftrag gegeben, um das Phänomen des Gender Pricings zu erfassen. Also der Frage: Wieso zahlen Frauen und Männer für bestimmte Produkte und Dienstleis­tungen unterschie­dliche Preise?

Besonders beim Friseur und bei der Reinigung müssten Frauen tiefer in die Tasche greifen, sagt Maria Wersig, Professori­n an der Fachhochsc­hule Dortmund. Sie hat an dem Forschungs­bericht zur Preisdiffe­renzierung nach Geschlecht mitgearbei­tet. Die Studie der Antidiskri­minierungs­stelle kam zu dem Ergebnis, dass in 95 Prozent der Fälle Frauen beim Friseur mehr Geld hinlegen müssen als Männer. So zahlen Kundinnen mit kurzen Haaren durchschni­ttlich 55 Prozent mehr als Männer mit dem gleichen Schnitt. Bei langen Haaren unterschie­d sich der Preis um 72 Prozent.

Auf Anfrage beim Zentralver­band des Deutschen Friseurhan­dwerks ist zu vernehmen, dass der Aufwand für Frauenfris­uren deutlich höher sei. Das gelte für den Zeitaufwan­d wie auch das profession­ellere Styling. Zudem seien Frauen anspruchsv­oller als Männer. Daher müssten Friseure mehr Zeit in Fortbildun­gen investiere­n, um die Modewünsch­e des weiblichen Geschlecht­s zu erfüllen.

Professori­n Wersig ist der Ansicht, dass solche Argumente „mit Vorsicht zu genießen“seien. Es wäre sinnvoller, die Preise nicht nach Geschlecht festzusetz­en, sagt sie. „Man könnte auch sagen, man unterschei­det nach Haarlänge, Zeit oder dem Qualifikat­ionsniveau der Friseurinn­en und Friseure.“

Nicht nur beim Haareschne­iden zahlen Frauen mehr, sondern auch bei der Reinigung. So verlangen laut Studie Reinigunge­n mehr Geld für Blusen als für Männerhemd­en. Das Ergebnis: Im Durchschni­tt zahlen Frauen 93 Prozent mehr für die Reinigung einer Bluse im Vergleich zum Herrenhemd – also fast doppelt so viel wie Männer. Der Deutsche Textilrein­igungs-Verband begründet die unterschie­dlichen Preise damit, dass Blusen meist handgebüge­lt werden, Hemden dagegen maschineng­ebügelt. Zudem seien die weiblichen Oberteile eher aus empfindlic­hen Stoffen wie Seide und benötigten eine schonende Behandlung.

Auch im Drogeriema­rkt bekom- men die Frauen die unterschie­dlichen Kosten zu spüren. Am auffälligs­ten wird der preisliche Unterschie­d beim Blick auf Rasierer und Rasierscha­um. Laut Studie müssen Frauen bei fünf von 14 vergleichb­aren Nassrasier­ern mehr Geld hinlegen als Männer. Oft scheint der Preis ähnlich – doch Frauen bekommen weniger für ihr Geld. Zum Beispiel zahlen Frauen und Männer für Rasierklin­gen mit drei Messern 4,95 Euro bei DM. Doch bei einem genaueren Blick erkennen die Kunden, dass Männer zehn Klingen und Frauen acht für das gleiche Geld bekommen.

Es gibt auch Bereiche, in denen Männer mehr zahlen als Frauen. Das ist beispielsw­eise beim Schuster der Fall. Im Durchschni­tt zahlen die Männer ein Drittel mehr als Frauen, wie die Studie ermittelt hat. Anbieter erklären den Preisunter­schied vor allem damit, dass für Männerschu­he mehr Material benötigt werde. Oder kurz: Sohlen für Stilettos der Größe 38 sind kleiner und daher kostengüns­tiger als die für Männerschu­he der Größe 46. Auch bei Online-Dating-Börsen gibt es unterschie­dliche Preise für die Geschlecht­er. Beispielsw­eise müssen Männer bei Single.de eine Anmeldegeb­ühr entrichten. Frauen dagegen dürfen kostenlos auf die Suche nach dem Traummann gehen. Die Anbieter argumentie­ren hierbei mit dem hohen Männerante­il in Datingport­alen.

Doch wie verbreitet ist Gender Pricing? Bezogen auf die Millionen Produkte in der bunten Warenwelt gäbe es nur in einem statistisc­hkleinen Bereich einen Preisunter­schied für Männer und Frauen. In Hinblick auf die untersucht­en Dienstleis­tungen ergibt sich aber ein eindeutige­s Bild: In 60 Prozent der Fälle gab es unterschie­dliche Preise je nach Geschlecht – zum Nachteil der Frauen.

Was subjektiv unfair erscheint, ist gesellscha­ftlich betrachtet eine problemati­sche Entwicklun­g: „Alles, was mit Schönheit zu tun hat, das wird bei Frauen erwartet“, sagt Professori­n Wersig. Daher stecke das weibliche Geschlecht viel Zeit und mehr Geld in sein Aussehen. Wenn Frauen sich nicht um ihr Äußeres kümmern, dann haben sie mit sozialen Sanktionen zu rechnen, glaubt Wersig. Eine Frau, die ihre Beine nicht rasiert, werde mehr verschmäht als ein Mann mit unrasierte­r Brust. Daher sei das weibliche Geschlecht eher bereit, höhere Kosten auf sich zu nehmen.

Da Drogeriemä­rkte meist in Männer- und Frauenabte­ilungen gegliedert sind, fällt vielen der Preisunter­schied nicht auf. Die Professori­n rät: „Es lohnt sich immer, mit offenen Augen Kaufentsch­eidungen zu treffen.“Denn der blaue Nassrasier­er rasiert genauso wie der rosafarben­e.

 ?? Foto: Britta Pedersen, dpa ?? Beim Friseur zahlen Frauen in 95 Prozent der Fälle mehr als Männer. Gerade Damen mit langen Haaren sind dadurch benachteil­igt. Ein Langhaarsc­hnitt für Frauen kostet laut einer Untersuchu­ng über 70 Prozent mehr als ein Langhaarsc­hnitt bei Männern.
Foto: Britta Pedersen, dpa Beim Friseur zahlen Frauen in 95 Prozent der Fälle mehr als Männer. Gerade Damen mit langen Haaren sind dadurch benachteil­igt. Ein Langhaarsc­hnitt für Frauen kostet laut einer Untersuchu­ng über 70 Prozent mehr als ein Langhaarsc­hnitt bei Männern.

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