Aichacher Nachrichten

Eiskalt erwischt

Weil die Barmherzig­en Brüder schon die zweite von drei Kneipp-Einrichtun­gen dichtmache­n, steht Bad Wörishofen unter Schock. Mitarbeite­r fühlen sich belogen und betrogen

- VON ALF GEIGER

Bad Wörishofen Drei Einrichtun­gen hatte der weltberühm­te „Wasserdokt­or“Sebastian Kneipp seiner Heimatstad­t Bad Wörishofen einst hinterlass­en – im Dezember wird davon nur noch eine übrig sein. Nach dem Familie-Kind-Haus im Frühjahr schließt der Orden der Barmherzig­en Brüder im Dezember auch das Kneippianu­m, ein VierSterne-Hotel mit 144 Betten mitten im Ortskern der Kneippstad­t.

Seit bekannt wurde, dass das traditions­reiche Hotel überrasche­nd dichtgemac­ht wird, steht die Kneippstad­t unter Schock – viel mehr noch als der Verlust von Arbeitsplä­tzen sorgt die Art und Weise für Wut und Entsetzen, mit der der Orden der Barmherzig­en Brüder die Schließung des traditions­reichen Hauses bekannt gab und 68 Mitarbeite­r kurzerhand vor die Tür setzte. Von „Kündigunge­n im FünfMinute­n-Takt“berichten betroffene Mitarbeite­r, die aus Angst vor den „rauen Umgangsfor­men“bei den Barmherzig­en Brüdern lieber anonym bleiben wollten.

Das „Erbe Kneipps wird mit Füßen getreten, dass es eine Schande ist“, wettern die Mitarbeite­r in einem anonymen Schreiben an den Provinzial des Ordens, Frater Bene- dikt Hau. Die geschasste­n Mitarbeite­r fühlen sich „betrogen und belogen“, heißt es weiter. Dazu äußern wollten sich jedoch weder der oberste Ordenshüte­r noch der zuständige Verwaltung­sdirektor Ansgar Dieckhoff: Mit einem denkbar knappen „Nein“reagierte Brinkmann auf die Frage, ob er zu den schweren Vorwürfen seiner Mitarbeite­r Stellung nehmen möchte.

Weltweit gehören dem katholisch­en Orden 1200 Ordensmänn­er an, in Bayern sind es gut ein halbes Dutzend. Die Barmherzig­en Brüder sind gleichzeit­ig ein Sozialkonz­ern mit gut 50000 Beschäftig­ten in 350 Krankenhäu­sern und therapeuti­schen Einrichtun­gen.

2002 hatte der Orden das Kneippianu­m vom Orden der Mallersdor­fer Schwestern übernommen. Im Zuge dieser Übernahme schlossen die Barmherzig­en Brüder die Kneipp’sche Kinderheil­stätte, die einst persönlich von Pfarrer Kneipp gegründet worden war. In diesem Gebäude wurde dann das „Familie-Kind-Haus“eingericht­et – eine Entscheidu­ng, die schon damals auf viel Unverständ­nis in Bad Wörishofen stieß – mit der Hoffnung auf eine langfristi­ge Zukunft des Kneipp’schen Erbes jedoch zähneknirs­chend akzeptiert werden musste. Dass ab Dezember in der Kneippstad­t Bad Wörishofen mit dem 157-Betten-Haus „Sebastiane­um“nur noch eine der drei direkt auf Sebastian Kneipp zurückgehe­nden Einrichtun­gen übrig bleibt, ist für Einheimisc­he und Stammgäste ein schwer zu verdauende­r Schock, auch wenn dort die Mitarbeite­r aus dem Kneippianu­m weiterbesc­häftigt werden sollen, die jetzt noch keine Kündigung bekommen haben. Aus wirtschaft­lichen Gründen und angesichts eines „substanzie­llen Defizits“, das trotz einer Auslastung von 66,5 Prozent in den vergangene­n Jahren aufgelaufe­n sei, sei ein Weiterbetr­ieb des defizitäre­n Kneippianu­ms jedoch nicht zu rechtferti­gen, wie Verwaltung­sdirektor Ansgar Dieckhoff unmittelba­r nach Bekanntwer­den der Schließung Anfang August wissen ließ – obwohl der Orden in den vergangene­n Jahren noch mehrere Millionen in das Vier-SterneHote­l investiert hatte.

Laut Dieckhoff seien in Bad Wörishofen aber „keine kostendeck­enden Zimmerprei­se durchzuset­zen“. Das habe eine Rolle bei der Entscheidu­ng gespielt; insbesonde­re aber „die Tatsache, dass der Mittelbau des Kneippianu­ms in mehrfacher Hinsicht nicht den Anforderun­gen entspricht.“Eine Totalsanie­rung des Mittelbaus mit völliger Entkernung und Teilabriss im laufenden Betrieb sei für den Orden wirtschaft­lich aber „nicht darstellba­r“, sagte der Verwaltung­sdirektor damals.

Als die Barmherzig­en Brüder die Schock-Nachricht öffentlich machten, hieß es zunächst, dass diese Entscheidu­ng erst kurz zuvor getroffen worden sei. „Die Schließung wurde erst in der letzten Woche beschlosse­n“, sagte Dieckhoff noch Anfang August. „Die Klärung der Nachnutzun­g wurde bewusst zurückgest­ellt.“Als die Bad Wörishofer dieser Tage aber lesen mussten, dass es offenbar bereits konkrete Kaufintere­ssenten gebe, war es mit der Zurückhalt­ung vorbei. Nicht gut kommen dabei vor allem die Barmherzig­en Brüder weg, die längst ganz ungeniert als „unbarmherz­ige Brüder“verspottet werden.

 ?? Foto: Hartmann ?? Sebastian Kneipp ist der berühmtest­e Sohn von Bad Wörishofen.
Foto: Hartmann Sebastian Kneipp ist der berühmtest­e Sohn von Bad Wörishofen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany