Aichacher Nachrichten

Mord in Lindau: Gericht wehrt sich gegen Vorwürfe

Ulmer Richter hielten vorbestraf­ten Mann für ungefährli­ch. Dabei hätten sie es besser wissen können

- VON JULIA BAUMANN

Lindau/Ulm In der Frage um die Schuld am Mord des Rentners aus Lindau ist ein weiteres Puzzleteil aufgetauch­t: Offenbar hatte es am Ulmer Amtsgerich­t durchaus Hinweise auf die Vorstrafen von Albert M. in Rumänien gegeben. Unter anderem aus Zeitgründe­n hatte sich das Gericht das Strafregis­ter aus dem Ausland aber nicht schicken lassen. Damit habe es einen gemeingefä­hrlichen Mann freigelass­en, um ein Verfahren schneller zu erledi- gen, sagt Anwalt Christian Mergenthal­er, der die Familie des getöteten Rentners vertritt. Das Ulmer Amtsgerich­t weist jede Schuld von sich. „Klar haben wir ihn freigespro­chen, natürlich haben wir den Vollzug der Untersuchu­ngshaft aufgehoben. In der weiteren Verantwort­ung sehen wir uns aber nicht“, sagt Sprecher Michael Klausner.

Wie berichtet hatte das Ulmer Amtsgerich­t den heute 37-jährigen Albert M. Ende Februar 2017 nach einer versuchten Vergewalti­gung zu einer Bewährungs­strafe verurteilt. Nur acht Tage nachdem er aus der Untersuchu­ngshaft entlassen worden war, soll der Mann, der einer rumänische­n Bettlergru­ppe angehört, den 76-jährigen Rentner getötet haben. Er soll diesen erwürgt und danach dessen Haus in Brand gesteckt haben. Das Landgerich­t Kempten hat ihn dafür zu einer lebenslang­en Haftstrafe mit Sicherungs­verwahrung verurteilt.

Seitdem beschäftig­t Andrea Hauser-Müller, die Tochter des ermordeten Rentners, eine Frage: Hätte der Tod ihres Vaters verhindert werden können? Denn das Ulmer Amtsgerich­t hatte sein vergleichs­weise mildes Urteil damals damit begründet, dass der Angeklagte vorher noch nie straffälli­g geworden sei. Beim Prozess in Kempten stellte sich heraus, dass das nicht stimmte: Albert M. hatte in seinem Heimatland fast die Hälfte seines Lebens hinter Gittern verbracht – unter anderem wegen Vergewalti­gung und schwerer Körperverl­etzungen.

Amtsgerich­tssprecher Klausner räumt ein, dass Albert M. einem Gerichtshe­lfer vor der Verhandlun­g in Ulm erzählt hatte, in Rumänien wegen kleinerer Delikte vorbestraf­t zu sein. „Die Übersendun­g ausländisc­her Urteile kann abhängig vom verurteile­nden Staat Wochen oder mehrere Monate dauern. Hinzu kommt, dass ausländisc­he Entscheidu­ngen immer übersetzt werden müssen, was zu weiteren zeitlichen Verzögerun­gen führt“, so Klausner. Das Gericht habe innerhalb kürzester Zeit abwägen müssen, ob es sich einen Auszug aus dem rumänische­n Vorstrafen­register kommen lässt – und sich dann dagegen entschiede­n.

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