Aichacher Nachrichten

Zeit für eine Umstellung

Bei einer Umfrage fordern Millionen Menschen das Ende des halbjährli­chen An-der-Uhr-Drehens. Fragt sich nun: Ticken die Uhren in der Europäisch­en Union bald anders?

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Sommerzeit oder Winterzeit? In welchem Takt sollen Europas Bürger künftig leben. Nun gibt es erste Ergebnisse, die zumindest eines klarmachen: Die überwiegen­de Mehrheit will nicht länger zwei Mal im Jahr die Uhren umstellen. Doch die entscheide­nden Fragen sind noch offen. Ein Überblick:

Was hat die Abstimmung der Europäisch­en Kommission ergeben?

Bisher steht Folgendes fest: Rund 4,6 Millionen Bürger aus den Mitgliedst­aaten haben sich im Juli und August an dem Votum beteiligt. Es gab offenbar rund drei Millionen Stimmen aus Deutschlan­d. Ersten Berichten zufolge sprachen sich gut 80 Prozent derer, die sich beteiligte­n, für eine Abschaffun­g der Uhrenumste­llung zwei Mal im Jahr aus.

Für welche Zeit hat sich die Mehrheit ausgesproc­hen?

Über das Ergebnis herrscht Stillschwe­igen. Die EU-Kommission wird auch alles daransetze­n, dass es bis zum 12. September keine weite- ren undichten Stellen gibt. Der Grund: An diesem Tag hält Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker die diesjährig­e Rede „Zur Lage der EU“im Europäisch­en Parlament. Es wird seine letzte programmat­ische Ansprache in diesem Amt sein. Ein Kommission­ssprecher sagte am Mittwoch, dass dann alles Weitere folgen werde.

In welche Richtung wird Juncker argumentie­ren?

Das ist unsicher. Allerdings geht man in Brüssel davon aus, dass Juncker vorschlägt, die Umstellung der Uhren abzuschaff­en, es aber den Mitgliedst­aaten überlassen könnte, welche Zeit sie dann einführen. „Wir haben in der EU verschiede­ne Zeitzonen“, sagte der EU-Abgeordnet­e Peter Liese am Mittwoch. „Portugal hat eine andere Zeit als Spanien und Finnland eine andere als Schweden.“Es ist also durchaus denkbar, dass es in der EU künftig Länder mit der heutigen winterlich­en Normalzeit gibt und andere mit der derzeitige­n Sommerzeit – aber eben dauerhaft. Nur die Umstellung der Uhren würde entfallen.

Müssen sich Kommission und Mitgliedst­aaten denn nicht an das Ergebnis der Befragung halten?

Die Befragung war freiwillig und die EU-Verwaltung hat stets betont, dass das Ergebnis zur Meinungsbi­ldung beitragen soll. Rechtsverb­indlich ist es nicht. Allerdings rechnet niemand damit, dass die EU und die Mitgliedst­aaten sich einfach über ein solches Votum von 4,6 Millionen Bürgern hinwegsetz­en können oder wollen.

Wie geht es denn jetzt konkret weiter?

Es ist wohl davon auszugehen, dass der Kommission­schef in seiner Rede nicht nur ein Ergebnis bekannt gibt, sondern auch klar sagt, was seine Behörde vorschlage­n wird. Dieser formelle Vorstoß dürfte wenige Wochen später präsentier­t werden. Dann muss das Europäisch­e Parlament zustimmen. Im Anschluss werden die Mitgliedst­aaten beteiligt und müssen sich festlegen. Erst nach diesem Verfahren tritt eine Übergangsp­hase in Kraft, sodass mit einem Abschaffen der Uhrenumste­llung frühestens 2020 zu rechnen ist.

Auf welcher Grundlage wird die Kommission sich für den Weg entscheide­n, den sie dann vorgibt?

Das Ergebnis der Befragung spielt eine wichtige Rolle. Aber die Kommission wird auch die zahlreiche­n Studien zurate ziehen, die inzwischen über die Auswirkung­en der Uhrenumste­llung vorliegen. Und da gibt es wichtige Hinweise darauf, dass Menschen und Tiere unter dem zwei Mal jährlichen neuen Rhythmus leiden. Und sei es nur in den ersten Tagen nach dem Beginn der Normal- oder Sommerzeit.

Hat sich die Bundesregi­erung bereits zur Umfrage und zum Thema Zeitumstel­lung geäußert?

In Berlin hieß es bisher stets, dass man die Befragung der Bürger abwarten und dann den EU-Kommission­svorschlag beraten wolle. Allerdings hat die Bundesregi­erung immer deutlich gemacht, dass sie auf eine einheitlic­he Lösung für den Binnenmark­t drängen wird. Ihr ist wichtig: Es soll kein europäisch­es Flickwerk entstehen, wenn jedes Land eine eigene Zeit einführen würde.

 ?? Foto: Sebastian Kahnert, dpa ?? Sommerzeit, Winterzeit, zwei Mal im Jahr die Uhr umstellen müssen – viele Deutsche haben sich nun in einer EU weiten Umfrage dagegen ausgesproc­hen. Welche Folgen das haben könnte, ist noch offen.
Foto: Sebastian Kahnert, dpa Sommerzeit, Winterzeit, zwei Mal im Jahr die Uhr umstellen müssen – viele Deutsche haben sich nun in einer EU weiten Umfrage dagegen ausgesproc­hen. Welche Folgen das haben könnte, ist noch offen.

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