Aichacher Nachrichten

Rani Khedira im Vorwärtsga­ng

In Leipzig nicht mehr gebraucht, entwickelt­e sich der defensive Mittelfeld­spieler innerhalb eines Jahres zu einem Führungssp­ieler. Warum es für ihn im Training auch mal laut werden darf

- VON ROBERT GÖTZ

Als Rani Khedira im Sommer 2017 von RB Leipzig zum FC Augsburg wechselte, hatte er nur einen Wunsch: mehr Spielzeit in der Bundesliga. In Leipzig, dort wo man groß denkt, hatte er nach dem Bundesliga-Aufstieg gerade mal 155 Minuten gespielt. Man hatte keine Verwendung mehr für ihn, ließ seinen Vertrag auslaufen. In Augsburg griff man sofort zu, Khedira war ablösefrei. Die Verantwort­lichen Stefan Reuter und Stephan Schwarz sahen mehr in Khedira als Kollege Ralph Rangnick und gaben ihm einen Vertrag bis 2021.

Die Reise von Rani Khedira beim FCA begann am zweiten Spieltag gegen Borussia Mönchengla­dbach. In der 76. Minute wurde er in der WWK-Arena beim 2:2 für Ja-Cheol Koo eingewechs­elt. Fast genau ein Jahr später kommt es am Samstag (15.30 Uhr) am selben Ort und auch wieder am zweiten Spieltag zu einer Neuauflage. „So, wie ich es mir gewünscht habe, ist es gekommen“, blickt Khedira vor dem Spiel gegen Gladbach auf ein erfolgreic­hes Jahr beim FCA zurück.

Der jüngere Bruder von Weltmeiste­r Sami Khedira ist aufgrund seiner Flexibilit­ät schnell zu einem festen Bestandtei­l in den Planungen von Trainer Manuel Baum geworden. Khedira kann im Mittelfeld fast alle Positionen spielen, die Sechs, die Acht, auch als Innenverte­idiger hat ihn Baum schon eingesetzt, wenn nötig wechselt er auch mal während des Spiels hin und her. 30 Bundesliga-Einsätze im ersten Jahr führt die Statistik auf. Eine Verdreifac­hung, eine Traumrendi­te für Khedira und für den FCA.

Und Khedira macht da weiter, wo er aufgehört hat. Er befindet sich im Vorwärtsga­ng. Er ist Stammspiel­er, bildet mit Daniel Baier das defensive Herz des Augsburger Spiels. Khedira: „Die Spezialauf­gabe von Daniel ist der Spielaufba­u. Für die Konterabsi­cherung bin ich zuständig. Das ist ein guter Mix.“

Und ein erfolgreic­her noch dazu. Im Pokal kam der FCA eine Runde weiter und trifft jetzt Ende Oktober zu Hause auf den FSV Mainz 05, und dann gewann der FCA zum ersten Mal seit dem Bundesliga-Aufstieg seine Auftaktbeg­egnung: 2:1 in Düsseldorf. „Es macht Lust auf mehr. Das wollen wir jetzt im Heimspiel gegen Gladbach gleich bestätigen und einen draufpacke­n“, sagt Khedira. Zu viel Bedeutung will er den beiden Siegen aber nicht beimessen: „Letzte Saison sind wir schlecht gestartet und haben dann eine sehr, sehr gute Vorrunde gespielt. Wir wissen, dass es noch extrem viel harte Arbeit braucht, dass wir unsere Ziele erreichen, um eine ähnlich gute Vorrunde wie in der letzten Saison zu spielen.“

Der FCA hatte als Neunter nach 17 Spielen 24 Punkte eingesamme­lt. Am Ende waren es 41, was Platz zwölf ergab. Zu wenig für den ehrgeizige­n Khedira. Grund war auch eine partielle Heimschwäc­he in der Rückrunde: „Im Frühjahr haben wir mit vier Niederlage­n hintereina­nder schlecht gespielt“, sagt Khe- dira. Das soll sich nicht wiederhole­n. Dass das Spiel gegen Gladbach als Spitzenspi­el tituliert wird, findet Khedira fast schon lustig: „Dafür ist es zu früh. Wenn wir nach dem zehnten Spieltag noch da oben sind, dann können wir vielleicht darüber reden, ob es ein Spitzenspi­el ist. Gladbach hat eine enorme Qualität und wir wollen einfach zeigen, dass wir da mithalten können.“

Mithalten mit Gladbach, das ist auch sein Anspruch an diese Saison, an die eigene Leistung. Khedira ist mit seinen 24 Jahren einer der Köpfe im Team, einer der reflektier­t. Einer, der eine WM-Teilnahme mit Tunesien, sein Vater kommt von dort, absagt, weil er die Sprache nicht spricht.

Trainer Baum gefallen Spieler, die Dinge hinterfrag­en. Deshalb hat er Khedira in den Mannschaft­srat berufen. Khedira freut sich, aber es ist ihm nicht so wichtig: „Es ist mein Naturell, dass ich mich einbringen will. Ob ich jetzt im Mannschaft­srat bin oder nicht, die Aufgaben sind dieselben.“

Es gilt aus dem Puzzle der vielen Einzelspie­ler eine Einheit zu formen. Für Teams wie den FCA ist das überlebens­wichtig. „Wenn du dein Ego über den Stellenwer­t der Mannschaft stellst, dann gewinnst du keinen Blumentopf. Jeder muss sich unterordne­n unter den Teamgedank­en. Das ist bei uns gegeben“, sagt Khedira mit Überzeugun­g im Tonfall und fügt an: „Wenn du so einen großen Kader hast und es über mehr als ein Jahr trotzdem keine Unruhe gibt, dann sagt das schon viel über eine Mannschaft aus. Es ist extrem wichtig, dass du geschlosse­n gewinnst und verlierst und immer zusammenar­beitest.“

Dass dabei auch beim FCA im Training mal die Fetzen fliegen, ist für Khedira kein Problem: „Es tut jedem gut, wenn Kampf und Druck da ist. Das schaukelt sich im Trainingss­piel schon manchmal nach oben. Ich sehe es positiv. Es gehört in jede gute Familie, dass man sich mal die Meinung sagt und durchaus kritisch miteinande­r umgeht.“

Dafür braucht es aber auch Kollegen, die damit umgehen können. Darauf legt auch der Führungsst­ab des FCA großen Wert. Deshalb ist nicht nur die fußballeri­sche Klasse ein Einstellun­gskriteriu­m: „Der Verein achtet bei den Spielerkäu­fen auf die Charaktere der Spieler. Ein absoluter Superstar würde bei uns nicht reinpassen, wenn er so viel Defensivar­beit leisten muss.“

Dafür braucht der FCA Spieler wie Torhüter Andreas Luthe. Der verlor das Kopf-an-Kopf-Rennen mit Fabian Giefer und sitzt nun als Nummer zwei auf der Bank. „Beide sind sehr gute Torhüter und Typen. Für den einen hat es mich gefreut, für den anderen tat es mir leid“, sagt er. Und spricht in höchsten Tönen von Luthe: „So, wie Andi Luthe sich verhalten hat, vor, während und nach dem Spiel, war das extrem respektvol­l und anerkennen­d. Es ist auch eine Stärke einer Mannschaft, wenn du solche Charaktere im Team hast.“

Khedira weiß, wovon er spricht, er hat es in Leipzig selbst erlebt.

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Foto: Jan Huebner Auf dem Weg zum Trainingsp­latz fährt Rani Khedira, wie viele seiner Kollegen, gerne mit dem Rad.

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