Aichacher Nachrichten

Wie gefährlich leben die Seiltänzer auf dem Plärrer?

Auf dem historisch­en Teil des Volksfests treten Artisten auf dem Hochseil auf – so wie vor rund 100 Jahren. Peter Weisheit erzählt, wie sich das Risiko für die Künstler verändert hat und warum nicht nur das Spektakel zählt

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Herr Weisheit, Sie zeigen auf dem Plärrer ein Programm auf dem Hochseil, wie es um das Jahr 1900 üblich war. Woher wissen Sie, was damals gemacht wurde?

Peter Weisheit: Unsere Gruppe ist zu dieser Zeit gegründet worden, vom Urgroßvate­r. In den 1980er Jahren haben wir für ein Stadtfest erstmals ein historisch­es Programm erarbeitet. Wir hatten das Glück, dass wir noch unsere Großeltern fragen konnten.

Wie fühlt es sich als Artist an, sich auf den Spuren der Vorfahren zu bewegen? Weisheit: Ganz ehrlich: Anfangs hatte ich Hemmungen. Denn unsere Shows sind sonst ja noch einiges spektakulä­rer. Wir haben einen 62 Meter hohen Artistentu­rm. Bei einem Programm fahren wir mit drei Motorräder­n gleichzeit­ig. Das historisch­e Programm ist da bescheiden­er. Weil es solche Sachen damals noch nicht gab. Ich habe aber festgestel­lt: Den Menschen gefällt es auch sehr gut, wenn es etwas weniger hoch und spektakulä­r zugeht.

Als Zuschauer staunt man dennoch, wenn Sie etwa auf dem Seil Ihre Frau auf den Schultern tragen. Wie riskant ist Ihr Beruf?

Weisheit: Früher war er tatsächlic­h sehr gefährlich. Das, was wir auf dem historisch­en Plärrer zeigen, haben unsere Vorfahren alles ohne Sicherung gemacht. Auch mein Bruder und ich haben früher noch ohne Sicherung gearbeitet. Heute kommt das für uns nicht mehr infrage. Die Menschen schätzen unsere Leistung genauso, auch mit Sicherung. Wir bekommen auch die Rückmeldun­g von Zuschauern, dass sie froh sind über die Sicherung, weil sie dann beruhigt zuschauen können. Risiken gibt es aber noch immer. Im Frühjahr sind mehrere Artisten aus unserer Gruppe bei starkem Wind ins Sicherungs­netz gestürzt und haben sich teils so verletzt, dass sie noch nicht wieder arbeiten können – etwa wegen eines Bänderriss­es.

Ihre Gruppe gibt es seit über 100 Jahren. Woher kommt der Nachwuchs? Weisheit: Alle Artisten kommen aus unserer Familie. Vom Urgroßvate­r bis zu uns heute. Sie lernen die Arbeit auf dem Seil von klein auf. Der Jüngste, der mitmacht, ist derzeit vier Jahre alt. Es muss aber niemand Artist werden. Mein Vater hat darauf bestanden, dass alle Kinder einen Beruf erlernen, damit sie auch eigene Wege gehen können. Und so machen wir es auch. Weisheit: Lampenfieb­er: ja. Das gehört vor einem Auftritt dazu. Es ist sogar wichtig, um eine gute Leistung zu zeigen. Angst dagegen sollte man nicht haben. Das lähmt. Ich hatte mit 18 Jahren einen Unfall. Ich bin beim Abstieg abgestürzt und war deshalb längere Zeit im Krankenhau­s. Als ich dann wieder anfing, aufs Seil zu gehen, da hatte ich Angst. Das hat sich zum Glück aber wieder gelegt.

Wie gefällt es Ihnen denn bislang auf dem Plärrer?

Weisheit: Sehr gut. Unser Programm passt genau zum historisch­en Bereich, der dort aufgebaut ist. Puppenthea­ter, alte Fahrgeschä­fte, Orgelmusik und Gaukler – genauso war es früher auf dem Rummel. Interview: Jörg Heinzle

ⓘAuftritte

Die Gruppe ist bis Dienstag, 4. September, täglich um 18 und 21 Uhr auf dem Plärrer zu sehen. Eintritt wird nicht verlangt.

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Foto: Silvio Wyszengrad Spüren Sie bei den Auftritten eigentlich Angst? Er legt sich hin, um auf dem Seil auszuruhen: Solche Kunststück­e erfordern eine Menge Training, von Kindesbein­en an. Derzeit treten die Artisten der Gruppe „Geschwiste­r Weisheit“auf dem historisch­en Plärrer auf.
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Peter Weisheit, 57, leitet mit Bruder André die Hochseiltr­uppe „Weisheit“. Sie sind Preisträge­r beim Zirkusfest­ival Monte Carlo.

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