Blicke aufs Handy enden mit Unfalltod
Weil er Handynachrichten schreibt, rast ein 19-Jähriger auf der Autobahn in das Ende eines Staus. Ein 57-jähriger Mann stirbt deshalb – vor den Augen seines Sohnes. Jetzt musste sich der Unfallfahrer vor Gericht verantworten
Gersthofen Ein Unfall auf der Autobahn A8 bei Gersthofen, es gibt einen Stau. Dann, so berichtet es ein Augenzeuge, rast ein dunkler Wagen an das Stauende heran. Ein großer Knall. Der Wagen kracht ungebremst in ein Auto, das am Ende des Staus steht. Die Ersthelfer können nichts mehr ausrichten. Noch an der Unfallstelle stirbt ein 57-jähriger Mann. Vor den Augen seines Sohnes und seiner Schwiegertochter. Der Unfallfahrer war durch sein Handy abgelenkt. Der Wagen, in den er gerast ist, wurde rund 70 Meter weit gegen die Betonschutzleitplanke geschleudert. Der hintere Bereich des Autos wurde komplett zerstört.
An dem Stauende hatte es zuvor schon beinahe mehrere Unfälle gegeben, der stehende Verkehr überraschte viele – trotz zweisprachiger Warnschilder rund 1,5 Kilometer vorher am Straßenrand. Auch das spätere Opfer bremste knapp, der 57-Jährige touchierte mit seinem Auto das Heck eines vor ihm fahrenden Wagens. Darin saßen sein Schwiegersohn und die Schwiegertochter. Sie fuhren sofort auf den Standstreifen, um nach dem Vater zu sehen, wie die 34-jährige Schwiegertochter vor dem Amtsgericht sagt. „Ich kramte gerade in meiner Handtasche. Da schoss ein Auto an mir vorbei, ich sah noch Steine spritzen.“Zuerst habe sie nicht realisiert, was passiert sei. „Dann ist mein Mann schon zum Vater gerannt. Es war ja nur noch das halbe Auto da.“Ihre Stimme bricht, sie weint. Die Familie war auf dem Heimweg zu den Kindern.
Der Unfallverursacher, Peter E., 19, stammt aus der Ukraine, studiert Internationale Wirtschaft. Ein ruhiger, höflicher, junger Mann, so der Bericht einer Sozialpädagogin von der Jugendgerichtshilfe. Peter E. war an diesem Tag im März dieses Jahres auf dem Weg zu seinem Onkel in Rastatt. Er sagt vor Gericht selbst, er habe die Stau-Warnschilder gesehen, sie aber nicht ernstgenommen. Sein Handy habe ihn abgelenkt. Da der junge Mann keinen Wohnsitz in Deutschland hat, saß er bis zum Prozesstermin an diesem Mittwoch in Untersuchungshaft, insgesamt rund sechs Monate.
Handys spielen bei Unfällen immer wieder eine Rolle, davon geht die Augsburger Polizei aus. Allerdings fällt es den Beamten schwer, etwas über das Ausmaß des Problems zu sagen. Die Polizei erfasste bis vor Kurzem nur Handyverstöße allgemein, nicht aber extra jene Fälle, bei denen es zu einem Unfall kam.
Erst seit 2016 gibt es die Möglichkeit, das in die Statistik aufzunehmen. Für das vergangene Jahr sind zwei solche Unfälle mit Autos und ein Fahrrad-Unfall verzeichnet. „Die Dunkelziffer ist mit Sicherheit deutlich höher“, sagt Siegfried Hartmann vom Augsburger Polizeipräsidium. „Ablenkung durch Handys ist schwer nachweisbar, wenn die Unfallbeteiligten es nicht selbst zugeben.“Mobiltelefone können bei gravierenderen Fällen als Beweismittel beschlagnahmt werden, sie werden dann auch analysiert und ausgewertet.
Das ist aber vom Einzelfall abhängig, erklärt Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai: „Es muss einen hinreichenden Verdacht geben, dass auf dem Handy Beweise zu finden sind.“Ablenkung, egal, ob durch Smartphones, quengelnde Kinder oder bellende Hunde, sei im Straßenverkehr generell ein Problem. Aus einer Ordnungswidrigkeit könne so schnell eine schwerere Straftat werden.
Wie auch bei dem tragischen Unfall auf der A 8, bei dem Peter E. bei hoher Geschwindigkeit Textnachrichten austauschte.
17.50 Uhr, eine Nachricht. 17.51 Uhr, eine Nachricht. 18.00 Uhr, eine Nachricht. 18.03 Uhr, eine Nachricht.
Bis 18.14 Uhr, dem vermutlichen Unfallzeitpunkt, finden die Ermittler ausgetauschte Kurznachrichten auf dem Handy des Angeklagten. Laut Gutachten ist er mit einer Geschwindigkeit von 136 bis 154 Stundenkilometern ungebremst in das Stauende gekracht. Und, so die Einschätzung des Gutachters: Ohne Ablenkung hätte der Unfall vermieden werden können.
Vor Gericht entschuldigt sich der 19-Jährige über einen Dolmetscher bei den Angehörigen. Er bereue seine Fahrlässigkeit, durch die ein Mensch zu Tode kam. Das Amtsgericht folgt in seinem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft: ein Jahr und drei Monate Haftstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Die Richter des Schöffengerichts waren überzeugt, dass der nicht vorbestrafte Angeklagte – verteidigt von Anwalt Marco Müller – durch die Untersuchungshaft ausreichend beeindruckt war. Deshalb die Bewährungsstrafe und die Freilassung aus dem Gefängnis.
Peter E. muss nun außerdem in Raten 1000 Euro an den Sohn des Verstorbenen zahlen. „Es ist nicht viel“, betont Richter Günther Baumann. Aber: „Für Sie soll es eine persönliche Erinnerung sein: Ich habe unrecht getan.“Das Urteil ist bereits rechtskräftig.