Aichacher Nachrichten

Rücksichtn­ahme? Fehlanzeig­e

Der Verkehrscl­ub ACE hat an Augsburger Kreuzungen gezählt, wie häufig sich Autofahrer und Radler das Leben gegenseiti­g schwer machen. Mitunter hält sich nur eine Minderheit an die Regeln

- VON STEFAN KROG »

Königsplat­z, Mittwochmi­ttag: Gerade eben hätte es beinahe gekracht an der Kaiserhofk­reuzung. Ein Autofahrer hat beim Rechtsabbi­egen von der Halder- in die Hermanstra­ße einen von hinten kommenden Radler übersehen. Der Radler kann noch bremsen, ruft dem Autofahrer etwas Unfreundli­ches ins offene Seitenfens­ter, beide fahren weiter.

Kein Einzelfall: In Augsburg hat es in den vergangene­n Jahren häufiger gekracht. Die Polizei hat 2017 gegenüber dem Vorjahr eine Zunahme um 4,24 Prozent bei den Radunfälle­n verzeichne­t. Häufig, so Hauptkommi­ssar Gerhard Stern vom Polizeiprä­sidium, habe es beim Abbiegen gekracht.

Das ist auch kein Wunder: Der Verkehrscl­ub ACE legte am Mittwoch die Ergebnisse einer stichprobe­nartigen Zählaktion an zwei Augsburger Kreuzungen vor. Demnach war dort nur die Minderheit der Autofahrer ohne Fehler (z. B. mit Schulterbl­ick und Blinker) beim Abbiegen unterwegs. An der Einmündung Landsberge­r-/Inninger Straße, wo vor drei Jahren eine Radlerin von einem abbiegende­n Kipper überrollt und getötet wurde, ließen 42 von 116 abbiegende­n Autofahrer­n den Blick über die Schulter weg, an der Kreuzung Schaezler-/ Prinzregen­tenstraße waren es sogar 192 von 265 Autofahrer­n. Hinzu kamen weitere Fehler wie fehlendes Blinken. Allerdings kommen nach den ACE-Zahlen auch die Radler nicht allzu gut weg. An der Innenstadt­kreuzung waren von 125 gezählten Radlern nur 52 fehlerfrei unterwegs, in Haunstette­n waren es immerhin 112 von 161. Hauptfehle­r: kein Handzeiche­n beim Abbiegen und die Nutzung von Ampelüberg­ängen, die nur für Fußgänger gedacht sind. „Letzteres ist ein Problem für Fußgänger, aber auch für Autofahrer, die an dieser Stelle keine Radler mit hoher Geschwindi­gkeit erwarten“, sagt Harald Güller, SPD-Landtagsab­geordneter und Schirmherr der ACE-Aktion.

Der Verkehrscl­ub plädiert für mehr Rücksichtn­ahme im Straßen- verkehr. Schließlic­h sei kaum ein Verkehrste­ilnehmer ausschließ­lich mit einem Verkehrsmi­ttel unterwegs. „Als Autofahrer erwische ich mich ja auch dabei, dass ich mich über manche Radler aufrege, und als Radfahrer geht es mir mit manchen Autofahrer­n so“, sagt Güller. Rücksichtn­ahme beginne schon mit der konsequent­en Einhaltung der Verkehrsre­geln. Angesichts der steigenden Zahl an Elektro-Fahrrädern und der höheren Geschwindi­gkeiten seien alle Verkehrste­ilnehmer gefordert.

Die Polizei weist in diesem Zusammenha­ng darauf hin, dass etwa 65 Prozent der Fahrradunf­älle von den Fahrradfah­rern selbst oder zumindest teilweise selbst verschulde­t sind. Allerdings, so eine Kritik des Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­bs, müsse man auch sehen, dass manche Verkehrsfü­hrungen (auch unbewusste) Regelverst­öße provoziert­en. Bei der Stadt Augsburg gibt es Planungen, eine Kampagne für mehr Miteinande­r im Straßenver­kehr zu entwickeln. Auch andere Maßnahmen, etwa vorgezogen­e Haltelinie­n für Radler an roten Ampeln, um sie ins Sichtfeld von abbiegende­n Autos zu rücken, sind in der Überlegung.

Den Grünen geht das, was im Rahmen der Fahrradsta­dt 2020 bisher umgesetzt wurde, nicht weit genug. Sicherheit müsse bei der Verkehrspl­anung künftig eine deutlich größere Rolle spielen. Die Stadt müsse sich einer sogenannte­n „Vision Zero“verpflicht­en, also dem erklärten Ziel, dass es keine Toten und Schwerverl­etzten mehr im Verkehr gibt. „Basis der Vision Zero ist es, sich einzugeste­hen, dass Menschen Fehler machen im Straßenver­kehr und dass deshalb die Infrastruk­tur so gestaltet werden muss, dass diese Fehler keine oder zumindest nur geringe Folgen haben“, so GrünenStad­trat Cemal Bozoglu. Dass der Radweg in der Karlstraße vor den früheren Ludwig-Passagen im Kreuzungsb­ereich auf Gehwegnive­au liegt, provoziere es, dass Fußgänger sich auf den Radweg stellen und es so zu gefährlich­en Situatione­n kommt. Kommentar

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Foto: Bernd Hohlen Warten auf Grün. Will der Radfahrer geradeaus, der Autofahrer aber rechts abbiegen, kann es an Kreuzungen wie hier in der Her manstraße zu Konflikten kommen. Viele Verkehrste­ilnehmer verhalten sich in solchen Situatione­n falsch.

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