Erwachsener schlägt Kind mit Faust
Der 53-Jährige fühlt sich von dem 13-jährigen Buben bedrängt. Er verfolgt ihn auf dem Rad, beleidigt und bespuckt ihn. Die Richterin am Amtsgericht Aichach ist fassungslos
Aichach Alles begann mit einer Lappalie. Dann eskalierte es, weil sich ein 53-Jähriger aus dem nördlichen Landkreis von einem 13-jährigen Radler bedrängt fühlte. Was sich danach an einem Abend im November vergangenen Jahres abspielte, fasste gestern Richterin Eva-Maria Grosse, die das Verfahren am Jugendschutzgericht führte, so zusammen: „Mit einer brutalen Hartnäckigkeit“sei der Angeklagte auf das Kind losgegangen. Besonders eine Äußerung des 53-Jährigen machte Staatsanwältin Melanie Ostermeier fast sprachlos.
Mit seinen Freunden war der 13-Jährige wohl etwas ungestüm mit den Rädern von einem Spielplatz auf die Straße gefahren. Dabei kam es fast zu einem Zusammenstoß mit dem achtjährigen Sohn des Angeklagten. Der Bub war mit seinem Vater mit dem Fahrrad unterwegs.
Er habe sich entschuldigt, sagte der 13-Jährige vor Gericht aus. Der Angeklagte habe ihn jedoch mit ei- nem Schimpfwort bedacht und gefragt, ob er keine Augen im Kopf habe. Der Familienvater konnte es damit aber noch nicht gut sein lassen. Er fuhr den Kindern hinterher und zog einen der Freunde des 13-Jährigen vom Rad.
Als er von ihm abließ und heimfuhr, radelten die Kinder dem Mann hinterher, um zu sehen, wo er wohnt. Der 13-Jährige habe ihn dann beleidigt, woraufhin er ihm mit dem Rad hinterhergefahren sei und ihn unterwegs bespuckt habe, gab der Angeklagte zu. Auch dass er ihn gegen den Zaun drückte und schlug, gab er zu. Allerdings nicht mit der Faust, wie es in der Anklage hieß, sondern mit dem Handrücken, so der 53-Jährige.
Beleidigt haben will er den 13-Jährigen nicht. Auch den Satz „Ich schlage dich noch mal, wenn du es deinen Eltern erzählst“, hat der Angeklagte laut seiner Aussage nie gesagt. Es sei eine Kurzschlussreaktion gewesen, weil er seinen Sohn habe schützen wollen, erklärte er vor Gericht sein Verhalten.
Eine 38-jährige Autofahrerin kam gerade vorbei, als der 53-Jährige das Kind gegen den Zaun drückte. „Ich sah, wie er ihn am Schlafittchen packte“, sagte sie aus. Als sie hupte, ließ der Angeklagte von dem 13-Jährigen ab. Als sie hinzukam, sagte er zu dem Kind gerade: „Schwamm drüber.“
Eine Äußerung, die Staatsanwältin Ostermeier als Hohn empfand: „Mir verschlägt es etwas die Sprache.“Besonders negativ stieß ihr das Verhalten des Angeklagten auf, als der 13-Jährige seine Verletzungen beschrieb und erzählte, dass er noch heute unter dem Vorfall leide. Die Reaktion des 53-Jährigen darauf: „Und was ist mit den Folgen, unter denen ich leide?“
Weil er mit Florian Englert, dem Vertreter der Nebenklage, auch noch um das Schmerzensgeld zu schachern versuchte, hatte die Staatsanwältin massive Zweifel an der Reue und Einsicht des Angeklagten. Sie plädierte für eine siebenmonatige Bewährungsstrafe sowie die Zahlung von 3000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung. Dem schloss sich Englert an.
Verteidigerin Carina Grübl forderte eine Geldstrafe in Höhe von 7800 Euro (120 Tagessätze à 65 Euro). Sie sah bei ihrem Mandanten sehr wohl Reue und wies darauf hin, dass er keine Vorstrafen hat.
Einen Fall dieser Art habe sie in ihrer Laufbahn bei der Justiz noch nie gehabt, sagte Richterin Grosse. Sie glaubte der Aussage des 13-Jährigen, dessen Betroffenheit sie auch knapp ein Jahr nach dem Vorfall noch spürte.
Wie die Staatsanwältin tat sich auch Grosse schwer damit, dem Angeklagten seine Reue abzunehmen. Die Eskalation habe er selbst verursacht, hielt die Richterin ihm vor. „Wer spuckt denn ein Kind an und schlägt es, während er es mit einer Hand an den Zaun drückt?“, fragte sie fassungslos. Sie verurteilte ihn wegen Beleidigung und Körperverletzung zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe und der Zahlung von 2000 Euro an den Bunten Kreis. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
„Und was ist mit den Folgen, unter denen ich leide?“
Der Angeklagte