Aichacher Nachrichten

Ein Berg kommt selten allein

Beim Friedberge­r Halbmarath­on am Sonntag können die Teilnehmer gleich viermal ihre Ausdauer an der 13-prozentige­n Steigung beweisen. Ein Kollege unserer Redaktion schwitzt mit und erzählt, wie er den Lauf erlebt

- VON DANIEL WEBER

Friedberg Am besten ist an Volksläufe­n ja eigentlich das Drumherum. Und das ist beim Friedberge­r Halbmarath­on ganz besonders schön. Schon als ich mich eine halbe Stunde vor dem Startschus­s in Richtung Marienplat­z aufmache, ist die Ludwigstra­ße voller Menschen in Laufshirts, die mit ihren Bekannten und Verwandten das gleiche Ziel haben wie ich. Heute ist Ausnahmezu­stand: Autos dürfen nicht in die Altstadt, Männer und Frauen joggen mitten auf der Straße und wärmen sich auf. Wobei „Aufwärmen“bei dem warmen Sommerwett­er vielleicht der falsche Begriff ist.

Als es auf 10 Uhr zugeht, drängen alle Läufer zum Start, es werden noch über die Absperrung­en hinweg ein paar Worte und Küsschen ausgetausc­ht. Dann warten wir alle gespannt darauf, dass Freddy Mercury seinen „Final Countdown“beendet. Die Moderation warnt noch vor dem lauten Knall, aber als die Böllerschü­tzen feuern, erschrecke­n doch alle. Und dann geht es los.

Viel zu schnell rennen wir die Ludwigstra­ße entlang, voller Euphorie und angepeitsc­ht vom Rufen und Klatschen der zahlreiche­n Zuschauer. Spätestens auf Höhe des Krankenhau­ses fällt dann aber auch dem letzten Enthusiast­en auf, dass er noch eine lange Strecke vor sich hat und die Läufer finden in ihr Tempo.

Aber es dauert nicht lange und schon steht die erste Blaskapell­e an der Strecke, die für gute Stimmung sorgt. Erst als die Musik hinter mir leiser wird, merke ich, dass wir alle wieder schneller geworden sind. Für Motivation ist durch die vielen Zuschauer und Musikgrupp­en bestens gesorgt. Unten am Berg werden wir noch kräftig in Stimmung getrommelt und machen uns an den ersten Anstieg zum Marienplat­z. Wir schnaufen und prusten und wollen uns vom Klatschen der vielen Zuschauer nach oben tragen lassen. Laufen müssen wir dann aber doch selbst. Irgendwann kommt endlich der Marienplat­z in Sicht, mit noch mehr Publikum und noch mehr Applaus. Ich renne auf die Moderation zu und biege rechts ab, auf geht’s zur zweiten Runde. Durch das viele Anfeuern am Marienplat­z und an der Ludwigstra­ße fühle ich mich tatsächlic­h wieder gestärkt.

Außerdem habe ich inzwischen eine Ablenkung: Sie – oder besser er – heißt Benjamin und ist schon eine Weile genau in meinem Tempo unterwegs. Wir unterhalte­n uns ein wenig, um uns davon abzulenken, dass wir schon jetzt schwere Beine haben. Schließlic­h laufen wir nicht gegeneinan­der, sondern nur gegen uns selbst. Deswegen bekommt auch jeder, der eine Gehpause einlegen muss oder überrundet wird, viel Aufmunteru­ng nicht nur von den Zuschauern, sondern auch von anderen Läufern.

Der Lauf ist etwas für jede Altersklas­se: Unterwegs sehe ich kleine Kinder und Eltern mit Kinderwa- gen, bis ins hohe Alter ist alles auf der Strecke. Und wer hat eigentlich Frauen je als „schwaches Geschlecht“bezeichnet? Diejenigen, die an mir vorbeizieh­en, kannte er offensicht­lich nicht. Gegen die Hitze helfen die Verpflegun­gsstatione­n, an denen wir uns mit Wasser und isotonisch­en Getränken versorgen. Wer möchte, kann auch ein paar Bananenstü­ckchen mitnehmen. Und an mehreren Stellen laufe ich unter Wasserfont­änen durch, die kurze Dusche ist ein wahrer Segen.

Aber das Laufen wird trotzdem immer anstrengen­der. Benjamin habe ich irgendwann aus den Augen verloren, mein anfangs (gefühlt) lockerer Schritt ist spätestens auf der vierten Runde zu einem hinkenden Getrampel geworden.

Als ich mich dann das letzte Mal den Friedberge­r Berg hinaufgequ­ält habe, kommt endlich der Moment, in dem alle Anstrengun­g vergessen ist und nur noch der tolle Wettkampf bleibt: Es passiert genau beim Überqueren der Ziellinie.

Jetzt gratuliert­en mir Freundin und Familie, auch Benjamin finde ich wieder. Dann hole ich mir kostenlos Essen und Getränke, die Massage lasse ich aus. Lieber erhole ich mich gemütlich an einem der Tische und klatsche für die anderen etwa 1100 Läuferinne­n und Läufer. Nach gut eineinhalb Stunden Kampf um jede Sekunde habe ich es heute nicht mehr eilig.

*

Unser Kollege Daniel Weber absolviert­e die vier Runden in 1:33,41 Stunden und belegte damit Platz 35 unter den Männern.

 ?? Fotos: Michael Hochgemuth ?? Schnaufend den Friedberge­r Berg hinauf – der Applaus des Publikums macht die Sache ein bisschen einfacher.
Fotos: Michael Hochgemuth Schnaufend den Friedberge­r Berg hinauf – der Applaus des Publikums macht die Sache ein bisschen einfacher.
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Unser Kollege Daniel Weber hat es ge schafft.

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