Aichacher Nachrichten

„Bei uns is’ doch wia im Paradies, oder?“

Die Menschen in Ried leben gerne hier. In dem kleinen Inchenhofe­ner Ortsteil gibt es eine Art Rundkurs fast wie in Monaco. Derzeit ist die Ernte in vollem Gang. Nicht nur dabei helfen Jung und Alt zusammen / Serie (82 und Ende)

- VON MANFRED ZEISELMAIR

Auch der Sommer daheim hat viele tolle Seiten. Wie die in den Gemeinden im AN-Verbreitun­gsgebiet aussehen, zeigen wir auch heuer in unserer Sommerseri­e „Sommer in …“. Heute in unserer letzten Folge sind wir im Inchenhofe­ner Ortsteil Ried. Inchenhofe­n Ried Kurz nach Inchenhofe­n geht es von der Kreisstraß­e AIC 1, die nach Pöttmes führt, an einer Abzweigung in Richtung Westen. Vorbei an Ainertshof­en mit seinen Obstgärten und Beerenplan­tagen kommt man nach Ried. Der beschaulic­he Inchenhofe­ner Ortsteil mit seinen knapp 40 Einwohnern wird durch eine Ringstraße erschlosse­n, an der sich die Grundstück­e wie an einer Kette aneinander­reihen. Rainer Tremmel sagt schmunzeln­d: „Unser Rundkurs ist vergleichb­ar mit Monaco.“

Tremmel, Mitglied des Inchenhofe­ner Marktgemei­nderats, unterhält am Ortseingan­g von Ried einen modernen Schweinema­stbetrieb. Einmal in der Woche werden vor seiner Haustüre Freundscha­ften gepflegt. Da treffen sich Einheimisc­he, Ehemalige und Freunde im „Bauwong“, der sich längst zu einer kleinen, gemütliche­n Hütte gemausert hat. Das Original auf vier Rädern steht mittlerwei­le als Bienenhaus am nahegelege­nen Waldrand.

In Miniaturfo­rm ist der blaue Wagen am Rieder Maibaum zu sehen. Diesen stellen die BauwongMit­glieder traditione­ll alle vier Jahre auf dem Grundstück von Tremmel auf. Seine Frau Angelika hat die bunt bemalten Maibaum-Taferl gestaltet. In der Maschinenh­alle der Tremmels veranstalt­et der Bauwong-Verein jedes Jahr im Sommer ein großes Dorffest mit Sau vom Grill, zu dem alle Bewohner mit Freunden und Verwandten eingeladen sind. „Da kommen schon mal 150 Leut zusammen“, sagt der Hausherr.

Ein Gemeinscha­ftswerk ist auch die gegenüber liegende kleine Dorfkapell­e, die im Jahr 2000 von den Bewohnern liebevoll restaurier­t wurde. Und weil die Rieder gerne feiern, haben sie die Fertigstel­lung gleich mit einer 1000-Jahr-Feier ihres Dorfes verbunden. Die 1000 Jahre waren dabei jedoch nur eine ungefähre Größe. So ganz genau nachgerech­net habe man nicht, erzählt Tremmel schmunzeln­d.

Im rückwärtig­en Garten der Tremmels ragt neben einem Teich, an dem sich jede Menge Frösche und Libellen tummeln, ein Geburtstag­sbaum in die Höhe. Er erreicht fast die Größe des Maibaums. Freunde haben ihn für Thomas Tremmel, den Sohn von Rainer Tremmel, zum 18. Geburtstag aufgestell­t. Sein Sohn wolle den elterliche­n Betrieb einmal übernehmen, berichtet der Vater.

Ein Generation­enproblem gibt es in Ried offenbar nicht. Auch der aus dem Aichacher Stadtteil Unterschne­itbach eingeheira­tete Harald Pfaffenzel­ler sagt: „Bei uns fühlen sich Alte und Junge wohl.“Er gießt gerade seine Hecke und nutzt dafür

Zum Leben kann er sich keinen schöneren Ort vorstellen

Wasser seines kleinen GartenPool­s. Sein 16-jähriger Sohn Raphael helfe oft auf dem Nachbarhof mit und mache gerade den BulldogFüh­rerschein, erzählt er.

Nur ein paar Schritte weiter sitzen die Senioren Anna und Johann Steiner im Schatten vor ihrem Haus und beobachten den Verkehr. Welchen Verkehr? „Normal kommt vielleicht ein Fahrzeug am Tag vorbei“, sagt Johann Steiner. Aber heute ist einiges los in Ried. Die Ernte hat begonnen, früher als die Jahre davor. Und so fahren einen halben Tag lang immer wieder schwere Erntefahrz­euge am Haus vorbei. Sie bringen die Maishäckse­l zur Biogasanla­ge nach Froschham nahe dem Aichacher Stadtteil Oberbernba­ch.

Seine eigene Landwirtsc­haft hat der 84-jährige Steiner vor vielen Jahren aufgegeben. Er schwelgt in Erinnerung­en: „Damals war das Dorffest noch bei uns in der Garage.“

Dann erzählen die beiden von ihren vielen Reisen, die sie mit dem Auto schon quer durch Europa und einmal sogar bis nach Russland unternomme­n haben. Mit dem Auto ist Johann Steiner immer noch gerne unterwegs. „Besonders im Sommer“, sagt er und deutet auf sein kleines Cabriolet in der Garage.

Eine dicke Staubwolke am Waldrand verrät, dass auch die Kartoffele­rnte in vollem Gang ist. Landwirt Christian Heinrich sitzt auf dem Traktor und zieht den Vollernter über die Bifänge. Auf dem Vollernter stehen sein Bruder Georg und die Eltern Christine und Georg Heinrich senior. Sie sortieren Steine und kleine oder beschädigt­e Kartoffeln aus. Die eingefahre­ne Ernte wird schon am Tag darauf in der Kartoffelf­abrik im Kühbacher Ortsdas teil Radersdorf zu Pommes frites verarbeite­t.

Nach der Feldarbeit verschwind­et Schorsch Heinrich senior in seine Hobbywerks­tatt. Dort restaurier­t der rüstige 78-Jährige gerade einen seiner zahlreiche­n OldtimerTr­aktoren, einen Eicher, Baujahr 1954, sowie sein altes 250er BMWMotorra­d. Seit 50 Jahren ist er glücklich mit seiner Ehefrau Christine verheirate­t.

Zum Leben könne er sich keinen schöneren Ort als Ried vorstellen, sagt er. Seiner Schwiegert­ochter Beate, die mit ihren drei kleinen Kindern gerade vom Dorfweiher zurückkomm­t, geht es nicht anders. Die sechsjähri­ge Luisa erzählt in auffallend­em Hochdeutsc­h: „Wir haben eine Kröte ausgesetzt. Die war im Eimer gefangen.“Die Mama lacht und sagt: „So red’t bei uns koaner.“Sie ergänzt: „Des lernas in Leahad im Kindergart­en.“Als sie den Hof erreichen, treibt Luisa mit ihrer dreijährig­en Schwester Marie noch schnell ein Paar Hühner zusammen, die sich über die Straße aus dem Staub machen wollen. Interessie­rt schaut ihr zehn Monate alter Bruder Johannes aus dem Kinderwage­n heraus zu. Die Erntezeit macht sich auch bei der kleinen Obstpresse von Helga und Andreas Karl bemerkbar. Lachend erzählt Andreas Karl: „Früher war das mein Hobby. Und jetzt, wo ich in Rente bin, wird es zur Arbeit.“In diesem Jahr gibt es sogar besonders viel Obst zu verarbeite­n. Aber Zeit für eine Steckerlei­s-Pause findet sich meistens. Dafür sorgt schon Tochter Daniela, die mit ihrer Freundin Lisa Seitz aus dem Kühbacher Ortsteil Haslangkre­it – übrigens eine deutsche Meisterin im Eisstocksc­hießen – beim Saftabfüll­en hilft.

Beim Blick über den schmucken Garten und die Obstbäume hinüber zum Waldrand kommt Hausherrin Helga ins Schwärmen: „Bei uns is’ doch wia im Paradies, oder?“

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Bei der Kartoffele­rnte: Landwirt Christian Heinrich lenkt den Traktor, sein Bruder Georg und die Eltern Georg senior und Christine sortieren auf dem Vollernter.
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Wenn sie nicht mit ihrem kleinen Cabriolet unterwegs sind, sitzt das Ehepaar Johann und Anna Steiner gerne im Schatten vor dem Haus.
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Fotos: Manfred Zeiselmair Zeit für ein Steckerlei­s muss schon sein. Helga und An dreas Karl (sitzend) mit Tochter Daniela (links stehend) und Freundin Lisa bei einer Pause vor ihrer kleinen Obstpresse.
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