Seehofer nimmt Maaßen aus der Schusslinie
Der Chef des Verfassungsschutzes wechselt als Staatssekretär ins Innenministerium
Berlin Mit einer überraschenden Personalentscheidung hat die Koalition einen weiteren Hauskrach abgewendet. Auf Druck der SPD muss Verfassungsschutz-Präsident HansGeorg Maaßen seinen Posten nach seinen umstrittenen Äußerungen über die Ausschreitungen in Chemnitz zwar räumen. Als Staatssekretär im Innenministerium von Horst Seehofer wird er aber weiter im innersten Zirkel der deutschen Sicherheitspolitik arbeiten – und sogar in eine höhere Besoldungsgruppe befördert. Allerdings soll der 55-jährige Jurist als Staatssekretär nicht für die Aufsicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz zuständig sein.
Wer Maaßen dort folgt, war gestern Abend noch unklar. Im Gespräch sind unter anderem der frühere CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger, Maaßens Stellvertreter Thomas Haldenwang, der Bevollmächtigte des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste, Arne Schlatmann, und die Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Beate Bube. Wofür Maaßen im Innenministerium zuständig sein soll, will Seehofer an diesem Mittwoch erläutern. Gestern Abend hieß es lediglich, der CSU-Vorsitzende schätze seine Kompetenz in Fragen der öffentlichen Sicherheit.
„Horst Seehofer nimmt die SPD auf den Arm“, kritisierte FDPFraktionsvize Stephan Thomae. „Die Sozialdemokraten fordern Maaßens Abberufung, Seehofer befördert ihn zum Staatssekretär.“Offenbar könne sich der CSU-Chef alles erlauben, sogar gegenüber der Bundeskanzlerin. „Das Possenspiel um den Verfassungsschutzpräsidenten zeigt einmal mehr den dramatischen Autoritätsverlust der Regierungschefin.“Die FDP schlägt als Konsequenz aus dem Streit vor, im Bundestag einen Beauftragten für die Geheimdienste zu benennen analog zum Wehrbeauftragten, der sich um die Bundeswehr kümmert. Der Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, kritisierte: „Lügen gegenüber dem Parlament und Illoyalität gegenüber der Regierungschefin werden mit einem goldenen Löffel belohnt.“Dass Maaßen nun als Staatssekretär die Regierungsgeschäfte mitbestimme, sei „mehr als befremdlich“, betonte Hofreiter gegenüber unserer Zeitung.
Auslöser der Debatte war unter anderem eine Äußerung Maaßens, ihm lägen „keine belastbaren Informationen“vor, dass es in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer gegeben habe – vielmehr sprächen gute Gründe dafür, dass es sich bei einem entsprechenden Video „um eine gezielte Falschinformation handelt,
Hofreiter: Beförderung ist mehr als befremdlich
um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“. In Chemnitz war im August ein Deutscher erstochen worden. Tatverdächtig sind mehrere Asylbewerber, von denen einer am Dienstag wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Nach der Tat hatte es Demonstrationen von Neonazis und Gegnern der Flüchtlingspolitik sowie Gegenproteste gegeben. Die SPD pochte nach anfänglichem Zögern zuletzt auf Maaßens Ablösung und drohte mit Koalitionsbruch.
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner bezeichnete die Versetzung Hans-Georg Maaßens nun als „Desaster“. „Den Teil, den die SPD beeinflussen konnte, hat sie mit Erfolg geschafft: Herr Maaßen ist nicht mehr Präsident des Verfassungsschutzes, er war dort zu einem Problem für die Demokratie geworden“, so Stegner. „Für die Personalfragen in den Ministerien sind die Parteien zuständig, hier wird nun der Bock zum Gärtner gemacht.“
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