Stürmische Freigabe, aber jetzt rollt’s vierspurig
Die autobahnähnlich ausgebaute Bundesstraße 300 zwischen Aichach und Dasing ist nach vier Jahren fertig. Verkehrsminister und Bauministerin kommen zu spät zur Freigabe, weil sie im Stau stecken – aber in Oberbayern
Aichach Alles blitzeblank und nagelneu: die weiten Hänge und das Gras zwischen den Beton-Leitplanken gemäht, der Asphalt noch nahezu unberührt und tiefschwarz. Sogar das nahezu unvermeidliche Langweiler-Graffito auf dem Widerlager für die Brücke zum Gewerbepark hat das Straßenbauamt Mitte der Woche noch feinsäuberlich abspritzen lassen – alles soll perfekt sein für den großen Tag. Was stört, ist eigentlich nur noch der Plastikmüll, der sich mittlerweile auch an den Rändern nagelneuer Straßen lümmelt. Das spielt gestern aber keine Rolle, denn für Politiker und Straßenbauer steht mitten im Wittelsbacher Land ein Festtag an: die Verkehrsfreigabe der vierspurig ausgebauten Bundesstraße 300 zwischen den Anschlussstellen zur A8 in Dasing (Krake) und der Abfahrt an der Tränkmühle im Aichacher Stadtteil Ecknach.
Am meisten freuen sich aber Verkehrsteilnehmer, die die auf fünf Kilometern für 28 Millionen Euro autobahnähnlich ausgebaute Trasse gestern gegen 16 Uhr zum ersten Mal durchgängig befahren können. Zuvor haben Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und die bayerische Bauministerin Ilse Aigner die Strecke nach vierjähriger Bauzeit eröffnet – symbolisch mit Luftbal- lons. Allerdings mit Windböen und etwas Verspätung. Die Minister steckten im Stau – in Oberbayern. Nach einem Unfall auf der A8, wie Scheuer berichtet, der Unpünktlichkeit gar nicht mag. Doch kein Problem: Das Wetter spielt bei der Freiluftveranstaltung mit Reden, Blasmusik von den Aichacher Stadtmusikanten und kirchlichem Segen durch Stadtpfarrer Herbert Gugler und seinen evangelischen Kollegen Winfried Stahl im Altweibersommer 2018 gerade noch mit. Ganz anders als beim Startschuss im Oktober 2014, als die Ehrengäste am Fuß des Gallenbacher Berges bibberten und dennoch froh waren, dass es endlich losging. Die Grundstimmung – gut, dass dieser jahrzehnte- lange Unfallschwerpunkt endlich Geschichte ist – zieht sich durch alle Wortbeiträge bei der Freigabe, aber auch durch die Gespräche der rund 200 Gäste aus Politik, Behörden und Bürgerschaft. Fast jeder, ausgenommen die kleinsten Besucher, kann seine ganz persönliche B-300-Story erzählen. Viele davon handeln von schlimmen Erlebnissen und Schrecksekunden beim Spiegel-anSpiegel-Begegnungsverkehr über den Gallenbacher Berg. Es dauerte Jahrzehnte, das Projekt im Bundesverkehrswegeplan zu verankern und vorne zu positionieren und nahezu weitere zwei Jahrzehnte von der Planung über Genehmigung und Sicherung der Finanzierung bis zur Umsetzung.
Stefan Scheckinger, Bereichsleiter Straßenbau am Bauamt, freut sich über die termingerechte Fertigstellung und dass die Bauzeit ohne Unfälle verlaufen sei. Verkehrsminister Andreas Scheuer sieht „nur Gewinner“. Die ausgebaute B 300 werde sicherer und schneller. Die bessere Infrastruktur sei zudem eine „gute Botschaft für den Standort“. Das hebt auch Bauministerin Ilse Aigner hervor: Die Leistungsfähigkeit sei deutlich erhöht worden und das sei mit Blick auf die enorm hohe Verkehrsbelastung dieser Verbindung zwischen den Autobahnen A8 und A 9 unbedingt notwendig gewesen.
Die Kommunalpolitiker aus der Region sind sich einig: ein Jubeltag. Landrat Klaus Metzger freut sich, dass so viele Bürger bei der Eröffnung dabei sind. Der ganze Landkreis profitiere durch diese enorme Aufwertung der Infrastruktur. Er appelliert aber an die Verkehrsteilnehmer: Auch auf einer ausgebauten Straße würden sich ohne vernünftiges Fahrverhalten Unfälle ereignen. Der Aichacher Bürgermeister Klaus Habermann erinnert im Anschluss an die vielen Verkehrsopfer auf der „alten“B300: „Solange ich denken kann, war der Gallenbacher Berg ein Synonym für schreckliche Unfälle.“Darum sei dieser Ausbau eines der größten und wichtigsten Projekte in der Region. Sein Dasinger Amtskollege Erich Nagl verweist auf die gute Anbindung des interkommunalen Gewerbegebiets. Seine Gemeinde habe als Verkehrsdrehscheibe zwar auch Nachteile, die Vorteile würden aber überwiegen.
Am späteren Abend sind schon erste Bremsspuren auf dem frischen Asphalt zu erkennen. Die Verkehrsteilnehmer nehmen die Strecke wie selbstverständlich in Beschlag. Die Staus, die S-Kurve am Berg, die vielen, vielen Unfälle auf diesem Abschnitt – das alles scheint irgendwie Wittelsbacher Verkehrsgeschichte zu sein.
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