Aichacher Nachrichten

Ein schwierige­r Gast

Hintergrun­d Der Besuch von Erdogan in Deutschlan­d endet mit Ernüchteru­ng. Die Türkei braucht wirtschaft­liche Hilfe, Deutschlan­d mahnt Menschenre­chte an – versöhnlic­he Signale gibt es kaum

- Jonas-Erik Schmidt, dpa

Die Türkisch-Islamische Union Ditib hat wirklich alles dafür getan, damit sich Recep Tayyip Erdogan in ihrem Moschee-Komplex in KölnEhrenf­eld wie zu Hause fühlen kann. Zu Beginn seines Auftritts am Samstag wird Musik wie bei einer seiner Parteivera­nstaltunge­n eingespiel­t, Applaus ertönt von einem handverles­enen Publikum. Und doch: Die offizielle Moschee-Eröffnung ist wohl nicht das, was sich die Veranstalt­er vorgestell­t hatten.

Denn eigentlich hatte die Ditib vor dem Kuppelbau eine Fahnen schwenkend­e Menge vorgesehen. Wegen erhebliche­r Sicherheit­sbedenken hat die Stadt Köln diese Außenveran­staltung jedoch abgesagt. Zwar sind Erdogans Anhänger dennoch zu Tausenden gekommen, aber man kann sie nur in der Ferne hören und nicht sehen. Dem türkischen Präsidente­n kann an diesem letzten Tag seines frostig verlaufene­n Staatsbesu­chs nicht entgehen, dass er vielen Menschen in Deutschlan­d nicht willkommen ist.

Seine Ankunft in Köln am Mittag fällt einigermaß­en unglamourö­s aus. Gegen 14.15 Uhr setzt das Präsidente­n-Flugzeug in einem abgeschirm­ten, militärisc­hen Teil des Kölner Flughafens auf. Der nordrheinw­estfälisch­e Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) begrüßt den Gast. Dann geht’s weiter zu einem kurzen Gespräch. Eigentlich hatten sich Laschet und Erdogan dafür auf das nahe Schloss Wahn zurückzieh­en wollen. Da die Schlossbes­itzer Erdogan aber politisch ablehnen, verweigert­en sie sich den Plänen. Folge: Die beiden Männer unterhalte­n sich im ausgesproc­hen engen „VIP-Raum 2“direkt im Flughafen. Statt eines Schlosses erlebt Erdogan die monumental­e Nüchternhe­it eines deutschen Zweckbaus. Nach dem Gespräch – Erdogan ist schon weiterge- fahren – sagt Laschet: „Die Muslime, die in diese Moschee gehen, sind auch Bürger unseres Landes. Und wir sind auch deren Ansprechpa­rtner – und nicht der türkische Präsident.“Doch es ist eben die Zentralmos­chee der Ditib, die weithin als verlängert­er Arm der Regierung in Ankara gilt.

In einem türkischen Juwelierla­den wird diskutiert. „Die Moschee ist ja schon lange offen. Warum die Eröffnung jetzt durch Erdogan – macht das Sinn?“, fragt die schon lange in Ehrenfeld lebende Juwelierin. Die Kundin bekennt: „Ich mag Deutschlan­d, ich mag die Türkei. Aber wenn man all die türkischen Fahnen hier sieht, sind das Emotionen pur und das schöne Gefühl: Wir alle gehören zusammen.“

Bei der Eröffnungs­feier wird in erster Linie türkisch gesprochen, der Ditib-Vorsitzend­e Nevzat Asikoglu redet allerdings auch auf Deutsch. Er dankt dem früheren Kölner Oberbürger­meister Fritz Schramma (CDU) und dem Ehrenfelde­r Bezirksbür­germeister Josef Wirges (SPD), zwei Lokalpolit­ikern, die sich mit großem Engagement für die Moschee eingesetzt haben. An diesem Tag fehlen sie – aus Protest, weil sie selbst nicht das Wort ergreifen durften. Das Gleiche gilt für den Architekte­n Paul Böhm. Er hat die Moschee als Monument der Offenheit entworfen, deshalb das viele Glas unter den Betonschal­en. Sie sollte auch ein Symbol für gelungene Integratio­n werden.

Der Besuch Erdogans vermittelt etwas anderes. „Es war ein erfolgreic­her Besuch“, sagt Erdogan am Samstag zwar zum Abschluss der dreitägige­n Visite. Kanzlerin Angela Merkel hatte zwar betont, dass es vieles gebe, was Deutschlan­d und die Türkei eine. Doch sie spricht eben auch von „tief greifenden Differenze­n“. Erdogan vertritt hingegen die Ansicht, die Reise habe die deutschtür­kische Freundscha­ft vertieft. Mit Merkel und Steinmeier habe er „wichtige Themen ehrlich besprochen“, unter anderem Investitio­nen. Auf die wartet die wirtschaft­lich angeschlag­ene Türkei dringend. Beide Seiten hoffen nun auf Gegenleist­ungen. Die Erwartunge­n sind aber wohl alles andere als deckungsgl­eich: Erdogan braucht die Investitio­nen, Deutschlan­d fordert die Einhaltung der Menschenre­chte.

Laschet umreißt die deutschen Erwartunge­n nach einem Treffen mit Erdogan in Köln noch etwas deutlicher. Die Beziehunge­n beider Länder seien aktuell „überschatt­et“, sagte er. Das betreffe vor allem Verhaftung­swellen, die Presse- und Religionsf­reiheit. „Ich habe gegenüber Präsident Erdogan deutlich gemacht, dass eine Normalisie­rung der politische­n Beziehunge­n und eine Vertiefung der wirtschaft­lichen Beziehunge­n – für die es ein großes Potenzial gäbe – nur möglich ist, wenn diese Sorgen ernst genommen werden.“Diese Sorgen hatte auch Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier bei einem Staatsbank­ett zu Ehren Erdogans am Freitagabe­nd zur Sprache gebracht. „Wir haben heute Morgen ausführlic­h darüber gesprochen: Ich sorge mich als Präsident dieses Landes um deutsche Staatsange­hörige, die aus politische­n Gründen in der Türkei inhaftiert sind, und ich sorge mich auch um türkische Journalist­en, Gewerkscha­fter, Juristen, Intellektu­elle und Politiker, die sich noch in Haft befinden. Ich hoffe, Herr Präsident, Sie verstehen, dass wir darüber nicht zur Tagesordnu­ng übergehen.“Das Verständni­s Erdogans hielt sich in Grenzen.

Der spielte den Schwarzen Peter lieber Deutschlan­d zu. In Köln forderte der Staatspräs­ident, die in Deutschlan­d lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln müssten besser integriert werden. „Wir sehen die Zukunft unserer Brüder hier“, sagte Erdogan. Er kritisiert­e auch den Umgang mit dem ehemaligen Fußballnat­ionalspiel­er Mesut Özil und dessen Kollegen Ilkay Gündogan, die nach einem Foto mit Erdogan starker Kritik ausgesetzt waren. Nur deswegen seien sie „aus der Gesellscha­ft ausgegrenz­t worden“, sagte Erdogan. Solcher Rassismus müsse „ein Ende haben“.

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir jedenfalls zieht nach dem Erdogan-Besuch eine kritische Bilanz: „Von Normalität sind beide Länder genauso weit entfernt wie vor dem Besuch.“

„Es war ein erfolgreic­her Besuch.“

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Foto: Sascha Schürmann, afp In Köln wurde der türkische Staatspräs­ident von Demonstran­ten empfangen. Die Teilnehmer­zahl blieb allerdings hinter den Erwartunge­n zurück.
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Recep Tayyip Erdogan

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