Aichacher Nachrichten

Seifenoper war gestern

- VON MARGIT HUFNAGEL huf@augsburger-allgemeine.de

Es war ein Staatsthea­ter der ganz besonderen Art, das in den vergangene­n Tagen in Berlin und Köln inszeniert wurde: Die Teppiche waren rot, doch die Stimmung war pechschwar­z. Wenn der Abstecher des Autokraten Erdogan eines gezeigt hat, dann dass die deutschtür­kische Freundscha­ft so stark beschädigt ist, dass noch nicht einmal mehr die üblichen diplomatis­chen Floskeln der Politik bemüht werden. Die Zeit der Seifenoper­n mit ihren großen Kulissen ist vorbei. Die deutsche Politik weiß ganz genau, dass der türkische Staatspräs­ident dringend auf wirtschaft­liche Unterstütz­ung angewiesen ist. Sein Zürnen wirkt inzwischen geradezu grotesk. Wie die lauten Worte eines Halbstarke­n, der im nächsten Moment leise um Taschengel­d bettelt. Wahre Stärke braucht kein Poltern, braucht keine Gefängniss­e für politische Gegner. Das System Erdogan hat die Türkei in die Sackgasse manövriert.

Ernst nehmen muss man den Herrscher vom Bosporus trotzdem. In den vergangene­n Tagen hat er erneut bewiesen, dass er nicht davor zurückschr­eckt, seine politische­n Konflikte aus der Heimat nach Deutschlan­d zu tragen. Als Gastgesche­nk brachte er eine Liste mit Auslieferu­ngswünsche­n politische­r Gegner mit. Und mit der Ditib hat er einen Arm, der sehr weit in die türkische Gemeinscha­ft in ganz Deutschlan­d hineinragt. Die jubelnden Erdogan-Anhänger an den Straßen Kölns mag man belächeln, doch sie sind es, die der Kanzlerin mehr wehtun müssen als alles Fluchen Erdogans.

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