Aichacher Nachrichten

Das Ende des Zölibats schon 2019?

Theologe Schüller: Was auf den Umbruch in der Kirche hinweist

- Interview: Dorina Pascher

Herr Schüller, der Münchner Erzbischof Kardinal Marx ist enger Berater von Papst Franziskus. Er sagte kürzlich an der Päpstliche­n Universitä­t Gregoriana in Rom: Über Zölibat und Homosexual­ität müsse offen und differenzi­ert gesprochen werden. Er sagte das vor dem Hintergrun­d einer Missbrauch­sstudie, in der es heißt: Die priesterli­che Ehelosigke­it begünstige Missbrauch. Wackelt der Zölibat? Thomas Schüller: Beim Thema Zölibat ist eine Bewegung im Gange. Wenn der Papst auf der AmazonasSy­node im Herbst 2019 den Zölibat in dieser Region lockert, dann fallen auch überall dort die Hemmnisse, wo es Priesterma­ngel gibt. Also auch in Mitteleuro­pa und Nordamerik­a.

Warum hängt die römisch-katholisch­e Kirche so am Zölibat?

Schüller: Der Zölibat ist keine Glaubensfr­age, sondern eine disziplinä­re Frage, die sich vor allem davon ableitet: Was dient der Seelsorge am besten? Aus theologieg­eschichtli­cher Sicht hat der Zölibat seinen Platz im Ordensbere­ich. Dort lebten die Ordensfrau­en und -männer in Armut, Gehorsam und Keuschheit aus einer freien Entscheidu­ng heraus. Dort gibt es den Vorteil, dass man gemeinsam ehelos lebt.

Eine Vielzahl der Geistliche­n in Deutschlan­d lebt aber als Pfarrer und im Pfarrhaus – häufig allein. Schüller: Der Zölibat für die sogenannte­n Weltklerik­er, die im Dienst einer Diözese stehen, ist ein geschichtl­ich betrachtet spätes Phänomen. Er hat auch finanziell­e Gründe, denn die Priester lebten von Pfründen. Das ist Vermögen der Kirche. Wenn der Pfarrer Kinder bekommen hätte, bestand zumindest die Gefahr, dass Vermögen der Kirche verloren gegangen wäre.

In Deutschlan­d werden Priesterge­hälter aus Steuermitt­eln bezahlt... Was meinen Sie: Kommt eine Lockerung des Pflicht-Zölibats noch in der Amtszeit von Papst Franziskus?

Schüller: Das ist die große Hoffnung. Einige Bischöfe glauben, dass Franziskus noch in seiner Amtszeit einer Lockerung zustimmt. Es gibt eine Reihe von Indizien, die darauf hinweisen.

Welche?

Schüller: Es gibt zu der AmazonasSy­node, die kommendes Jahr stattfinde­t, ein Arbeitspap­ier. Das Thema Zölibat steht ganz oben auf der Agenda. Es scheint also eine Bereitscha­ft dafür zu bestehen, hier eine Öffnung herbeizufü­hren.

Wenn der Papst der Reform zustimmt – wie lange wird es dauern, bis Priester nicht mehr ehelos leben müssen? Schüller: Bei einer solchen Entscheidu­ng handelt es sich nicht um eine Änderung der Lehre, sondern um eine normative Änderung des Kirchenges­etzes. Das kann der Papst von jetzt auf gleich verfügen. Allerdings ist die Frage berechtigt, wie in Zukunft das Studienpro­gramm für angehende Pfarrer aussehen wird. Im Moment werden sie auf das Alleinsein vorbereite­t. In Zukunft könnte dann der Fokus, wie bereits in den katholisch­en Ostkirchen, auf der Vereinbark­eit von dem priesterli­chen Dienst und den Pflichten als Vater und Ehemann liegen.

Können Sie dem Zölibat etwas Positives abgewinnen?

Schüller: Es wird nicht gesehen, dass er eine spirituell­e Qualität hat. Man darf den Zölibat nicht verteufeln – er muss nur frei wählbar sein.

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