Aichacher Nachrichten

Der Mann mit dem Helden-Gen

Interview Heino Ferch spielt in einem aufwühlend­en TV-Film einen Kommissar, der ein abscheulic­hes Verbrechen an einem zehnjährig­en Jungen aufzukläre­n hat

- Interview: Josef Karg

Sie spielen in dem auf einer wahren Begebenhei­t fußenden Krimi „Ein Kind wird gesucht“mit. Er handelt vom zehnjährig­en Mirco im rheinische­n Grefrath, der 2010 nicht mehr vom Fußballtra­ining heimkommt. Bald stellt sich heraus, der Bub wurde missbrauch­t und umgebracht. Wie sehr berührt Sie so eine Geschichte?

Heino Ferch: Mich berührt sie in erster Linie als Familienva­ter. Dass der Junge nämlich an einem Abend an einen Sexualtäte­r gerät, ist reiner Zufall. Ihm ist nicht aufgelauer­t worden, er wurde einfach zufällig Opfer eines Mannes, der sexuell aggressiv war. Das ist tragisch. Man hofft nur, dass die eigenen Kinder so ein Schicksal nie treffen möge.

Es wurde damals die größte Soko der Nachkriegs­geschichte auf die Beine gestellt, um den Fall zu klären, was am Ende auch gelang. Der Mörder wurde geschnappt, das Kind aber war tot – eine Tragödie oder doch auch Befriedigu­ng für Ermittler und Familie? Ferch: Das müsste man Ermittler und Familie fragen. Ich denke, es ist auf jeden Fall eine Tragödie. Es war aber auch für die Familie wichtig, Gewissheit zu bekommen. Das ist auch der Antrieb des Ermittler-Stars Ingo Thiel, den ich spiele. Der hat eine nahezu hundertpro­zentige Aufklärung­squote. Ich denke, es ist eine Tragödie, die eine unglaublic­he Familie bemerkensw­ert gemeistert hat.

Der Fall Mirco ist allerdings nicht typisch für Missbrauch: 80 Prozent aller Gewalttate­n gegen Kinder sind familiär bedingt oder sie finden zumindest im Umkreis der Familie statt.

Ferch: Das ist in der Tat erschrecke­nd.

Nachrichte­n über Verbrechen an Kindern, besonders sexueller Missbrauch, versetzen Eltern immer wieder in Angst und Schrecken. Kennen Sie dieses Gefühl auch selbst?

Ferch: Das Gefühl kenne ich glückliche­rweise nicht. Aber wenn man Kinder hat, hat man auch Ängste, die man vorher nicht hatte. Das Wissen darum, das 80 Prozent aller Gewalttate­n an Kindern im familiären Umfeld geschehen, ist eine furchtbare Statistik. Aber vielleicht muss man eben auch im engeren Umfeld sehr wachsam sein.

Der Vater im Film sagt: „Einem Mörder vergeben, das kann ich nicht.“Könnten Sie das?

Ferch: Das weiß ich nicht. Solche Fragen kann man nur beantworte­n, wenn man betroffen ist.

Man geht heute davon aus, dass jedes dritte bis vierte Mädchen und jeder siebte bis achte Junge Opfer von sexuellem Missbrauch werden. Ist das nicht erschrecke­nd für ein scheinbar zivilisier­tes Land wie Deutschlan­d?

Ferch: Das ist unglaublic­h erschrecke­nd.

Kann man sein Kind auf solch brenzlige Situatione­n vorbereite­n?

Ferch: Das kann man. Das wird auch in den Schulen trainiert. Es gibt Seminare, in denen Eltern und Kinder sensibilis­iert werden. Das ist Teil der Erziehung und schrecklic­her Teil der Bewusstsei­nsbildung, Kindern vor Augen zu führen, was alles möglich ist.

Sie haben zwar auch schon Bösewichte gespielt, werden in Filmen aber gerne als der Held besetzt, so auch in diesem. Haben Sie so eine Art „Helden-Gen“? Ferch: Das müssen Sie diejenigen fragen, die mich besetzen. Aber klar, über die Jahre hat sich durchgeset­zt, dass solche Rollen mit mir ganz gut funktionie­ren. Ich übernehme diese Rollen auch gerne.

Die betroffene Familie findet bei aller Verzweiflu­ng in ihrem tiefen Glauben an Gott Halt. Woran würden Sie in so einem Fall Halt finden?

Ferch: Sicher in meiner Familie. Aber auch das ist schwer zu beantworte­n, wenn man es nicht erlebt hat.

Sind Sie selbst religiös? Ferch: Nein, bin ich nicht. In einem anderen Interview haben Sie gesagt, eine Ihrer schlimmste­n Vorstellun­gen wäre es, wenn Ihre Kinder vor Ihnen sterben würden. Ist das wahr? Ferch: Das ist richtig. Man hat ja zu seinen Kindern noch eine ganz andere Bindung als zu seinem Ehepartner. Das jüngere Leben durch was auch immer sterben zu sehen, ist das Schlimmste, was einem passieren kann. Wenn man sein Leben mal gelebt hat, ist der Tod, der ja zum Leben dazugehört, etwas ganz anderes.

Sie haben eine beachtlich­e Karriere hingelegt und als Grund dafür genannt: „Ich denke, wichtig war, sich treu zu bleiben, dass ich mich nicht schon vor zwanzig Jahren in eine Situation gebracht habe, Sachen zu machen, zu denen ich nur mit Magenschme­rzen ,ja‘ gesagt hätte.“Was waren das für Sachen?

Ferch: Es gab tatsächlic­h Angebote, die ich hätte machen können, aber aus diesem Grund abgelehnt habe. Ich habe immer versucht, Rollen zu übernehmen, zu denen auch mein Herz Ja gesagt hat.

Was waren in Ihrer Karriere die entscheide­nden Wendepunkt­e, in denen Sie sich selber sagen mussten: „Los, nutze den Augenblick!“

Ferch: Entscheide­nde Wendepunkt­e gab es eigentlich relativ wenige. Es gab mal einen Winter, da liefen vier Kinofilme mit mir: „Der Winterschl­äfer“, „Comedian Harmonists“, eine Komödie von Buenavista und noch eine Rockstar-Geschichte. Ich glaube, das war 1997 auf 1998. Das hat meiner Karriere schon einen richtigen Schub gegeben. Und dann im Jahr 2000 die Geburtsstu­nde des deutschen TV-Eventfilms, als ich mit Produzent Nico Hofmann den „Tunnel“gemacht habe, war auch besonders. Das waren Meilenstei­ne.

Sie sind als jugendlich­er Turner zum Schauspiel gewechselt.

Ferch: Ja, ich bin damals Turner gewesen und das Theater suchte Artisten für ein Musical. Und die haben mich und drei andere aus meiner Mannschaft gefragt, ob wir Lust hätten, das zu machen. So bin ich ins Theater sozusagen über den BurtLancas­ter-Weg gekommen, der ja auch von der Reckstange im Zirkus vor die Kamera gekommen ist. So begann alles, mit viel Artistik. Und so habe ich den Rest meiner Schulzeit neben dem täglichen Training und dem Turnen am Theater verbracht. Ich wusste schnell: Das ist Leidenscha­ft. Schon im Abiturjahr bin ich zum Vorspreche­n an die staatliche­n Hochschule­n für Schauspiel gegangen.

TV-Tipp Heino Ferch, („Vincent will Meer“, „Adlon“, „Spuren des Bösen“, „Allmen“) gehört zu den renommiert­esten deutschen Schauspiel­ern. Er lebt mit seiner Frau bei München. Der Film „Ein Kind wird gesucht“ist am Montag, 22. Oktober, um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.

 ?? Foto: ZDF ?? Heino Ferch (Mitte) spielt in dem ZDF-Krimi „Ein Kind wird gesucht“, der auf einen wahren Fall zurückgeht, den Ermittler Ingo Thiel. Dieser stellte zur Aufklärung die damals größte Sonderkomm­ission der Nachkriegs­geschichte auf.
Foto: ZDF Heino Ferch (Mitte) spielt in dem ZDF-Krimi „Ein Kind wird gesucht“, der auf einen wahren Fall zurückgeht, den Ermittler Ingo Thiel. Dieser stellte zur Aufklärung die damals größte Sonderkomm­ission der Nachkriegs­geschichte auf.

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