Akzeptanz reicht nicht
Girl Lara lebt im Körper eines Jungen. Für ihren Traum von der Tanzkarriere gibt sie alles
Seit Filmlegende Ed Wood 1953 seinen unfreiwillig komischen Streifen „Glen or Glenda“auf das Publikum losgelassen hat, haben sich hunderte Kinowerke mehr oder minder ernsthaft mit Trans- und Intersexualität auseinandergesetzt. Im Idealfall schaffen es Filme wie „Boys Don’t Cry“, die komplizierte Gefühlswelt der Protagonisten nachvollziehbar zu machen. Doch nur selten fühlte man sich dem Thema so nah wie in diesem belgischen Kino-Juwel.
Lara (Victor Polster) ist 15 Jahre alt und liebt Ballett. Allerdings lebt sie im Körper eines Jungen. Eine Tatsache, die ein chirurgischer Eingriff bald korrigieren soll. Die Familie des Mädchens geht völlig offen mit dessen Transsexualität um. Als Lara auf Probe von der Ballett-Akademie in Brüssel aufgenommen wird, spielt sie mit offenen Karten und trifft auf Akzeptanz. Und doch ist sie verzweifelt. Für den Traum von der Tanz-Karriere schindet sie sich bis zur Selbstaufgabe. Eine OP ist in diesem gesundheitlich bedenklichen Zustand nicht möglich. Zwei Lebensträume scheinen sich gegenseitig auszuschließen. Für Lara eine unerträgliche Situation, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint.
Regisseur und Drehbuchautor Lukas Dhont legt mit „Girl“ein Spielfilmdebüt von außergewöhnlichem Tiefgang und Reife vor. Der Filmemacher geht sehr zärtlich mit seinen Figuren um. Obwohl er körperlich erzählt, gibt Dhont seiner Hauptfigur keine Blöße. Der 16-jährige Schauspieler und Tänzer Victor Polster brilliert als Lara und hätte jeden Preis verdient, den die Industrie zu vergeben hat. Das Publikum identifiziert sich sofort mit Lara und leidet mit ihr, auch wenn die eigene Lebensrealität eine andere ist. Das betrifft die Transsexualität und auch die Qualen junger Tanztalente. Ein großartiger, manchmal harter und schmerzvoller Film, der das Hinschauen belohnt. » Girl (1 Std. 45 Min.), Drama, Belgien, 2018
Wertung ★★★★★