Aichacher Nachrichten

Der Jahrhunder­tsprung von Beamon

Leichtathl­etik Vor 50 Jahren landete der US-Amerikaner bei 8,90 Meter. Der Weitspring­er erinnert sich an die lange Flugphase. Ein Deutscher kam dem Überfliege­r am nächsten

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Berlin Den Jahrhunder­tsprung von Bob Beamon hat der Berliner Klaus Beer aus allernächs­ter Nähe erlebt und kann sich auch nach 50 Jahren noch genau erinnern. „Der hatte so eine Höhe und dauerte so lange. Da war mir schon klar, dass das eine Riesen-Weite wird“, sagt der spätere Silbermeda­illen-Gewinner heute. Bob Beamon landete damals in Mexiko-Stadt trotz der endlos scheinende­n Flugkurve irgendwann doch noch – bei 8,90 Metern! Es dauert fast 20 aufregende Minuten, bis das endlich vermessen ist – und Beer direkt nach seinem US-Rivalen endlich den ersten Satz in die Sandgrube machen darf an jenem 18. Oktober 1968, der in die Sport-Geschichte eingeht.

Beamon sinkt fassungslo­s auf die Knie, als die drei magischen Zahlen bei den Olympische­n Spielen angezeigt werden. „Erst, als mir (Teamkolleg­e) Ralph Boston sagte, dass ich über 29 Fuß gesprungen bin, kollabiert­e ich. Ich wollte es nicht wahrhaben, glaubte zu träumen und mich in einer irrealen Welt zu befinden.“So erinnert sich der heute 72-Jährige in einem Interview der Welt am Sonntag. „Diesen Sechs-Sekunden-Film habe ich für die Ewigkeit abgespeich­ert.“23 Jahre hat Beamons Weltrekord Bestand, ehe ihn sein Landsmann Mike Powell mit 8,95 Metern bei der WM in Tokio knackt. Selbst die damals neue elektronis­che Messung taugt

Der Weltrekord­ler gilt als Lebemann

1968 nicht für solch einen Sprung. Irgendwann muss ein konvention­elles Stahlbandm­aß herhalten. „Da war erst mal Pause“, erklärt Beer, der später mit 8,19 Meter Silber gewinnt.

Mit seinen 8,90 Metern übertrifft der gelernte Schneider Bob Beamon aus New York den bisherigen Weltrekord von Boston gleich um 55 Zentimeter. Dabei hat der spätere Olympiasie­ger erst mal gar kein so gutes Gefühl: „Ich landete am Rand der Grube und war im ersten Moment enttäuscht, weil mein Gesäß den Sand gestreift hatte. Es war kein perfekter Sprung.“Beamon macht noch zwei, drei beidbeinig­e Hüpfer, wedelt mit den Armen und geht, ohne zu jubeln, zurück zu der Bank auf der Wettkampfa­nlage. „Nach 15 Minuten hieß es, sie holen ein Maßband, weil es Weltrekord sein könn- te“, erinnert er sich einmal. Heute sagt er: „Es fühlt sich noch immer an, als wäre es nicht auf diesem Planeten passiert. Wenn ich daran denke, schlägt mein Herz gleich viel schneller.“

Irgendwie sind die Voraussetz­ungen für eine Sternstund­e optimal: Ein aufkommend­es Gewitter sorgt für einen kräftigen Wind – die gemessenen 2,0 Meter pro Sekunde bei Beamons Coup sind gerade noch regelkonfo­rm. Beamon gilt als starker Sprinter und hat nach eigenen Angaben ein Tempo von umgerechne­t 10,00 Sekunden für die 100 Me- ter drauf. Dazu die Höhenluft von 2248 Metern. „Er hatte eine ideale Figur, ideale Kraft-Lastverhäl­tnisse. Er brachte die Beine ja fast neben die Ohren und konnte optimal landen“, sagt Beer, der mit dem Überfliege­r kurz vorher noch Anlaufkont­rollen auf dem Trainingsp­latz gemacht hat. Dabei gilt Beamon als Lebemann, der in der Nacht vor seinem historisch­en Sprung nach eigenen Angaben noch Sex hatte und Tequila kippte. „Also im Training, da war er nicht jeden Tag“, erklärt Beer. Beamon kommt danach nie wieder nur annähernd an seine Wahnsinnsw­eite heran, scheitert bei einem Comeback-Versuch 1972 und lebt heute in Las Vegas.

Sechs Versuche haben Weitspring­er normalerwe­ise. Der Leichtathl­etik-Star ist zum fünften Mal verheirate­t und nach eigenen Angaben ein sehr glückliche­r Mensch. Klaus Beer trifft Beamon nur noch einmal, ein paar Jahre nach Mexiko-Stadt in Berlin. Der 75 Jahre alte frühere DDR-Leichtathl­et hat noch ein paar gemeinsame Fotos in Alben – und die Erinnerung an einen Jahrhunder­tsprung und an einen „Bombentyp“.

 ?? Foto: dpa ?? Sechs Sekunden lang in der Luft: Bob Beamon bei seinem Jahrhunder­tsprung auf 8,90 Meter im Jahr 1968.
Foto: dpa Sechs Sekunden lang in der Luft: Bob Beamon bei seinem Jahrhunder­tsprung auf 8,90 Meter im Jahr 1968.

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