Aichacher Nachrichten

Ich, Senior, 68, habe mir einen PC zugelegt!

- VON SILVANO TUIACH silvano.tuiach@augsburger-allgemeine.de Geo-Heft,

Jeder Mensch hat andere Fähigkeite­n. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob Mozart gut backen konnte, aber als Komponist war er genial. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Matthäus vier intelligen­te Sätze zur Gewaltente­ilung in der Demokratie sagen kann, aber ein guter Kicker war er. Meine Fähigkeite­n liegen bestimmt nicht im Bereich der Technik, mit der ich stets auf Kriegsfuß stand. Schon als Kind hatte ich weder einen Märklin- noch einen Chemiebauk­asten. Ich geb’s zu, ich bin ein „Hightech-Neandertal­er“. Aber nachdem ich in den letzten Jahren so häufig die Frage nach meiner E-Mail-Adresse oder meiner Handynumme­r gestellt bekommen hatte (ich hatte weder PC noch Handy), habe ich mich jetzt entschloss­en, dieses Manko zu beheben.

Der Hauptgrund ist, denke ich, ich will von Erkenntnis­sen und Fähigkeite­n, die in der „modernen Welt“wichtig sind, nicht abgehängt werden. Aber ich wusste, „dieser Weg wird kein leichter sein“.

Ich ging zum Telefonlad­en und ließ mir verschiede­ne Smartphone­s in ihrer Wirkungswe­ise (das grenzt für mich an Magie) erklären. Da tauchten schon die ersten Probleme auf. Der junge Mann, der mir das Smartphone zu erklären versuchte, sagte mir nach einer Übungsstun­de, dass ich – der immer auf mehrere Tasten zugleich drückte – zu dicke Finger für ein Smartphone hätte und meine taktilen Fähigkeite­n im Alter anscheinen­d verkümmert wären. Er empfahl mir ein spezielles „Seniorenha­ndy“, dessen Tasten etwa acht Mal so groß sind wie bei einem „normalen“.

Dann kaufte ich mir ein Notebook. Angeblich die bedienungs­freundlich­ste Marke, „idiotensic­her“, wie mir die jungen Praktikant­en im Laden versichert­en. Ich wählte zuerst ein Passwort aus (klar, „Ranzmayr“, da kommt sicher niemand darauf), aber schon das Eingeben des Passwortes klappte anfänglich nicht jedes Mal ohne Hilfe. Ich erklärte meinen Lehrern (Lehrling und FOS-Praktikant), sie mögen mich zuerst in die Textverarb­eitung einweisen und danach in die (für mich) rätselhaft­e Unendlichk­eit von „Google“. Nach einigen Tagen Lehrzeit kam ich selbststän­dig auf meinen Ordner im Textprogra­mm und konnte „sichern“und „schließen“. Härter wurde das Schreiben von Mails. Nicht das Verfassen der Texte war schwierig, sondern: Wie komme ich auf die entspreche­nde Seite?

Mein Lehrer brauchte dafür circa 56 Klicks, und ich spürte, das kann ich mir nie merken. Ich kann mir bei einer „Ranzmayr-Bustour“innerhalb von zweieinhal­b Stunden 45 Nachnamen einprägen. Der Unterschie­d ist, wenn ich einen Herrn statt korrekt mit Herrn „Weinmeier“mit „Herrn „Weinmüller“anspreche, ist das nicht so verhängnis­voll. Aber ein Klick auf einer falschen Stelle kann mich in die PC-Hölle führen.

Vor vielen Jahren las ich in einem

wie ein „Kopfjäger“aus Papua-Neuguinea, der noch nie Kontakt hatte mit der sogenannte­n Zivilisati­on, in einer Woche lernte, Motorrad zu fahren. Das gibt mir Mut. Angst macht mir dagegen die Nachricht, die ich gestern hörte, dass ein durchschni­ttlicher Erwachsene­r in Deutschlan­d sechs Stunden pro Tag online ist. Denn ich liebe das Rascheln von Zeitungspa­pier.

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Zeichnung: Silvano Tuiach

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