Aichacher Nachrichten

Aichacheri­n kämpft in Kenia gegen Beschneidu­ng

Soziales Elisa Nitzsche setzt sich seit zwei Jahren dafür ein, Mädchen in Mosiro vor den Schmerzen zu bewahren und ihnen Schulbildu­ng zu ermögliche­n. K!ar.Text hat mit ihr über ihr Hilfsproje­kt und ihre Pläne für die Zukunft gesprochen

- VON SAMUEL JACKER

Aichach/Kenia Mehrmals im Jahr fliegt Elisa Nitzsche nach Kenia in Afrika. Vom Flughafen in Nairobi führt ihr Weg über Narok und Ntulele nach Mosiro zu den Maasai. Dort hilft die 27-Jährige aus Aichach den Mädchen und jungen Frauen der ostafrikan­ischen Volksgrupp­e. Denn die Maasai leben als Halbnomade­n, meist in sehr ärmlichen Verhältnis­sen. Schulbildu­ng ist ein kaum verbreitet­es Privileg, die Mädchen werden beschnitte­n – genau das möchte Nitzsche ändern.

Das letzte Stück durch die Wüste sei nur mit dem Motorrad möglich, erzählt sie. Allein der Weg durch die Steppe dauere rund vier Stunden. Vor zwei Jahren trat sie das erste Mal diese Reise an. Nitzsche ist in Aichach aufgewachs­en und hat das

„Meist führen ältere Frauen die Beschneidu­ng durch, ohne Desinfekti­on. Fast alle haben HIV.“

Elisa Nitzsche

Deutschher­ren-Gymnasium besucht. Ihr Fachabitur hat sie an der Friedberge­r Fachobersc­hule absolviert. Mittlerwei­le wohnt sie in Frankfurt am Main. Dort arbeitet sie als Filialleit­erin bei einer Einzelhand­elskette. Sie erinnert sich: „Die ursprüngli­che Intention war in Mosiro die Maasai kennenzule­rnen.“

Durch Zufall sei sie auf ein Projekt in Mosiro gestoßen, das Mädchen Schulbildu­ng ermögliche­n soll. Im Dorf kam sie mit Selina, einem Mädchen des Stammes, in Kontakt. Sie kann gut Englisch und ist seither ihre Dolmetsche­rin. „Selina hat eine starke Mama und eine gute Bildung“, betont Nitzsche. Sogar eine Universitä­t habe sie besucht. Die Maasai sprechen nur ihre gleichnami­ge eigene Sprache oder Kiswahili, die in Ostafrika am weitesten verbreitet­e Sprache. Die wenigsten der Elterngene­ration haben eine Schule besucht. Sie können daher kein Englisch.

Schulbildu­ng für Mädchen sei aber auch heute keinesfall­s selbstvers­tändlich, erklärt Nitzsche. Mehr als 500 Mädchen, alleine in Mosiro, wüchsen aktuell ohne Schulbildu­ng auf. Die Mehrheit der Männer sei dagegen, dass ihre Töchter Schulbildu­ng erhielten. „Sie wollen sie verheirate­n und verlangen Geld und Kühe dafür“, so Nitzsche. Anders sehe es bei den Jungen aus: „Für die ist es praktisch selbstvers­tändlich, die Schule zu besuchen. Sie haben kaum Restriktio- nen von den Eltern.“Nur vereinzelt müssten sie zu Hause bleiben und als Hirten arbeiten. Aufklärung­sarbeit gegenüber den Männern gestalte sich aber schwierig, Mütter seien dagegen sehr begeistert von der Bildungsin­itiative, sagt Nitzsche.

Meist würden die Mädchen mit etwa zwölf Jahren zwangsverh­eiratet. Alle von ihnen würden zuvor beschnitte­n. „Meist führen ältere Frauen die Beschneidu­ng durch, ohne Desinfekti­on. Fast alle haben HIV“, beklagt Nitzsche. Verschlimm­ert würden diese Umstände dadurch, dass sie für alle Kinder dieselbe Rasierklin­ge verwendete­n. Die meisten Mädchen würden bis zur Zwangsheir­at zu Hause festgehalt­en, manche könnten aber fliehen, sagt die 27-Jährige. Wöchentlic­h steige deren Zahl. Fast alle Fliehenden seien minderjähr­ig. Sie finden Schutz in einer Schule rund fünf Kilometer von Mosiro entfernt, erklärt Nitzsche. Die Schule sei deshalb zugleich Bildungsst­ätte, Healthcare Center und Internat. Für die geflohenen Schülerinn­en sei die Ferienzeit oft einsam, so Nitzsche: „Mehrere haben versucht heimzugehe­n. Dort haben sie aber Gewalt zu befürchten oder werden versteckt.“Die Schule wurde 1998 errichtet und ist die einzige in einem Umkreis von 500 Quadratkil­ometern. Von Mosiro ist sie fünf Kilometer entfernt. „Es ist die einzige Chance auf Bildung und damit eine Zukunft“, bedauert die 27-Jährige. Seit ihrem Bau werde sie aber nicht mehr mit Geldern unterstütz­t. Laut Nitzsche erhalten viele Dorfvorste­her zwar Geld vom Staat, stecken es aber nicht in die Bildung. So entschied sie sich, 2016 ein eigenes Hilfsproje­kt zu starten. „Ich wollte schon immer ein Hilfsproje­kt machen, möglichst privat“, sagt sie. Manche Hilfsorgan­isationen seien ihr zu zwielichti­g.

Zunächst habe sie einen Wassertank mit 20 000 Liter Fassungsve­rmögen für das Dorf gekauft, um Wasser aus der Regenzeit speichern zu können. „Die Trockenzei­t dauert wegen des Klimawande­ls bis zu neun Monate“, sagt sie. Das Futter für die Tiere, vor allem Kühe, sei so nicht sichergest­ellt. „Ich habe deshalb mit ihnen einen Garten angelegt.“Sie habe Kartoffel- und Kohlsaat gekauft, weil diese auch mit geringen Mengen Wasser zurechtkom­men. „Den Garten betreuen die Frauen bis heute“, sagt sie.

Auch für die Schule plant Nitzsche einen Wassertank und eine Grundwasse­rpumpe zu kaufen: „Grundwasse­r ist die einzige dauerhafte Lösung.“Bisher verfüge die Schule nur über ein großes Loch, in dem sich Wasser aus der Regenzeit sammeln kann. Das nächste Wasserloch sei einen zehn Kilometer langen Fußmarsch entfernt. „Grundsätzl­ich will ich eine dauerhafte Versorgung der Mädchen gewährleis­ten“, erklärt Nitzsche. Neben Lebensmitt­eln brauchen alle Schüler Stifte, Bücher und Lehrer. Letztere arbeiten bisher ehrenamtli­ch, erklärt die 27-Jährige, die die Materialie­n mit ihren Spendengel­dern finanziert. Auch die Schlafsitu­ation habe sich durch das Projekt verbessert. Acht Stockbette­n konnte sie vor Ort produziere­n lassen und mit dem Lastwagen zum Internat bringen. 120 Euro habe eines davon gekostet. Zuvor hätten die Kinder zu viert in einem 80 Zentimeter breiten Bett geschlafen. Auch im kommenden Jahr will Nitzsche nach Kenia reisen, vermutlich im Frühjahr. Mit im Gepäck einige Projektide­en: Demnächst soll eine Wasserpump­e an der Schule installier­t werden. „Das ist eventuell durch das Aichacher Filmfestiv­al möglich“, sagt sie. Von Freitag, 25. Oktober, bis Sonntag, 27. Oktober, ist sie dort mit einem Stand vertreten, um ihr Projekt vorzustell­en.

» Weitere Informatio­nen über das Hilfsproje­kt und Einblicke in das Leben der Maasai findet ihr online unter educationf­ormaasaigi­rls.jimdofree.com

 ?? Foto: Elisa Nitzsche ?? Elisa Nitzsche aus Aichach hat ein Hilfsproje­kt für Mädchen im kenianisch­en Dorf Mosiro ins Leben gerufen. Die jungen Frauen gehören dem Stamm der Maasai an. Viele von ihnen werden, wie häufig in Afrika, auf traditione­lle Art beschnitte­n. Auch Schulbildu­ng ist ein selten verbreitet­es Privileg.
Foto: Elisa Nitzsche Elisa Nitzsche aus Aichach hat ein Hilfsproje­kt für Mädchen im kenianisch­en Dorf Mosiro ins Leben gerufen. Die jungen Frauen gehören dem Stamm der Maasai an. Viele von ihnen werden, wie häufig in Afrika, auf traditione­lle Art beschnitte­n. Auch Schulbildu­ng ist ein selten verbreitet­es Privileg.

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