Aichacherin kämpft in Kenia gegen Beschneidung
Soziales Elisa Nitzsche setzt sich seit zwei Jahren dafür ein, Mädchen in Mosiro vor den Schmerzen zu bewahren und ihnen Schulbildung zu ermöglichen. K!ar.Text hat mit ihr über ihr Hilfsprojekt und ihre Pläne für die Zukunft gesprochen
Aichach/Kenia Mehrmals im Jahr fliegt Elisa Nitzsche nach Kenia in Afrika. Vom Flughafen in Nairobi führt ihr Weg über Narok und Ntulele nach Mosiro zu den Maasai. Dort hilft die 27-Jährige aus Aichach den Mädchen und jungen Frauen der ostafrikanischen Volksgruppe. Denn die Maasai leben als Halbnomaden, meist in sehr ärmlichen Verhältnissen. Schulbildung ist ein kaum verbreitetes Privileg, die Mädchen werden beschnitten – genau das möchte Nitzsche ändern.
Das letzte Stück durch die Wüste sei nur mit dem Motorrad möglich, erzählt sie. Allein der Weg durch die Steppe dauere rund vier Stunden. Vor zwei Jahren trat sie das erste Mal diese Reise an. Nitzsche ist in Aichach aufgewachsen und hat das
„Meist führen ältere Frauen die Beschneidung durch, ohne Desinfektion. Fast alle haben HIV.“
Elisa Nitzsche
Deutschherren-Gymnasium besucht. Ihr Fachabitur hat sie an der Friedberger Fachoberschule absolviert. Mittlerweile wohnt sie in Frankfurt am Main. Dort arbeitet sie als Filialleiterin bei einer Einzelhandelskette. Sie erinnert sich: „Die ursprüngliche Intention war in Mosiro die Maasai kennenzulernen.“
Durch Zufall sei sie auf ein Projekt in Mosiro gestoßen, das Mädchen Schulbildung ermöglichen soll. Im Dorf kam sie mit Selina, einem Mädchen des Stammes, in Kontakt. Sie kann gut Englisch und ist seither ihre Dolmetscherin. „Selina hat eine starke Mama und eine gute Bildung“, betont Nitzsche. Sogar eine Universität habe sie besucht. Die Maasai sprechen nur ihre gleichnamige eigene Sprache oder Kiswahili, die in Ostafrika am weitesten verbreitete Sprache. Die wenigsten der Elterngeneration haben eine Schule besucht. Sie können daher kein Englisch.
Schulbildung für Mädchen sei aber auch heute keinesfalls selbstverständlich, erklärt Nitzsche. Mehr als 500 Mädchen, alleine in Mosiro, wüchsen aktuell ohne Schulbildung auf. Die Mehrheit der Männer sei dagegen, dass ihre Töchter Schulbildung erhielten. „Sie wollen sie verheiraten und verlangen Geld und Kühe dafür“, so Nitzsche. Anders sehe es bei den Jungen aus: „Für die ist es praktisch selbstverständlich, die Schule zu besuchen. Sie haben kaum Restriktio- nen von den Eltern.“Nur vereinzelt müssten sie zu Hause bleiben und als Hirten arbeiten. Aufklärungsarbeit gegenüber den Männern gestalte sich aber schwierig, Mütter seien dagegen sehr begeistert von der Bildungsinitiative, sagt Nitzsche.
Meist würden die Mädchen mit etwa zwölf Jahren zwangsverheiratet. Alle von ihnen würden zuvor beschnitten. „Meist führen ältere Frauen die Beschneidung durch, ohne Desinfektion. Fast alle haben HIV“, beklagt Nitzsche. Verschlimmert würden diese Umstände dadurch, dass sie für alle Kinder dieselbe Rasierklinge verwendeten. Die meisten Mädchen würden bis zur Zwangsheirat zu Hause festgehalten, manche könnten aber fliehen, sagt die 27-Jährige. Wöchentlich steige deren Zahl. Fast alle Fliehenden seien minderjährig. Sie finden Schutz in einer Schule rund fünf Kilometer von Mosiro entfernt, erklärt Nitzsche. Die Schule sei deshalb zugleich Bildungsstätte, Healthcare Center und Internat. Für die geflohenen Schülerinnen sei die Ferienzeit oft einsam, so Nitzsche: „Mehrere haben versucht heimzugehen. Dort haben sie aber Gewalt zu befürchten oder werden versteckt.“Die Schule wurde 1998 errichtet und ist die einzige in einem Umkreis von 500 Quadratkilometern. Von Mosiro ist sie fünf Kilometer entfernt. „Es ist die einzige Chance auf Bildung und damit eine Zukunft“, bedauert die 27-Jährige. Seit ihrem Bau werde sie aber nicht mehr mit Geldern unterstützt. Laut Nitzsche erhalten viele Dorfvorsteher zwar Geld vom Staat, stecken es aber nicht in die Bildung. So entschied sie sich, 2016 ein eigenes Hilfsprojekt zu starten. „Ich wollte schon immer ein Hilfsprojekt machen, möglichst privat“, sagt sie. Manche Hilfsorganisationen seien ihr zu zwielichtig.
Zunächst habe sie einen Wassertank mit 20 000 Liter Fassungsvermögen für das Dorf gekauft, um Wasser aus der Regenzeit speichern zu können. „Die Trockenzeit dauert wegen des Klimawandels bis zu neun Monate“, sagt sie. Das Futter für die Tiere, vor allem Kühe, sei so nicht sichergestellt. „Ich habe deshalb mit ihnen einen Garten angelegt.“Sie habe Kartoffel- und Kohlsaat gekauft, weil diese auch mit geringen Mengen Wasser zurechtkommen. „Den Garten betreuen die Frauen bis heute“, sagt sie.
Auch für die Schule plant Nitzsche einen Wassertank und eine Grundwasserpumpe zu kaufen: „Grundwasser ist die einzige dauerhafte Lösung.“Bisher verfüge die Schule nur über ein großes Loch, in dem sich Wasser aus der Regenzeit sammeln kann. Das nächste Wasserloch sei einen zehn Kilometer langen Fußmarsch entfernt. „Grundsätzlich will ich eine dauerhafte Versorgung der Mädchen gewährleisten“, erklärt Nitzsche. Neben Lebensmitteln brauchen alle Schüler Stifte, Bücher und Lehrer. Letztere arbeiten bisher ehrenamtlich, erklärt die 27-Jährige, die die Materialien mit ihren Spendengeldern finanziert. Auch die Schlafsituation habe sich durch das Projekt verbessert. Acht Stockbetten konnte sie vor Ort produzieren lassen und mit dem Lastwagen zum Internat bringen. 120 Euro habe eines davon gekostet. Zuvor hätten die Kinder zu viert in einem 80 Zentimeter breiten Bett geschlafen. Auch im kommenden Jahr will Nitzsche nach Kenia reisen, vermutlich im Frühjahr. Mit im Gepäck einige Projektideen: Demnächst soll eine Wasserpumpe an der Schule installiert werden. „Das ist eventuell durch das Aichacher Filmfestival möglich“, sagt sie. Von Freitag, 25. Oktober, bis Sonntag, 27. Oktober, ist sie dort mit einem Stand vertreten, um ihr Projekt vorzustellen.
» Weitere Informationen über das Hilfsprojekt und Einblicke in das Leben der Maasai findet ihr online unter educationformaasaigirls.jimdofree.com