700 Menschen und ein Ziel: Ehrenamt leben
Weltfreiwilligenkonferenz Teilnehmer aus ganz unterschiedlichen Ländern erzählen, warum sie nach Augsburg gekommen sind. Die meisten wollen Kontakte knüpfen und über den eigenen Tellerrand hinausblicken
Das wichtigste Utensil dieser Tage in Augsburg ist ein rotes Schlüsselband mit weißer Schrift. Daran erkennen sich die rund 700 Teilnehmer der Weltfreiwilligenkonferenz auch außerhalb der Kongresshalle. Zum Beispiel in der Straßenbahn, wo sich eine Gruppe Japaner einigen Augsburger Ehrenamtlichen angeschlossen hat. In Begleitung der Ortskundigen ist die Haltestelle „Kongress am Park“dann nicht mehr zu verfehlen. Drinnen hat der erste Teil der Vorträge schon begonnen. Die Redner kommen wie die Teilnehmer aus der ganzen Welt. Viele von ihnen haben eine weite Reise auf sich genommen, um die noch bis Samstag dauernde Konferenz in Augsburg mitzuerleben.
So auch Mohamed Al Shateri. Der 29-Jährige ist aus den Arabischen Emiraten angereist. Dort engagiert er sich seit 17 Jahren ehrenamtlich. Die letzten 15 Jahre sei in seinem Land sehr viel passiert, um die Arbeit der Freiwilligen zu unterstützen, sagt er. In rund 300 Organisationen arbeiten über 350000 Menschen ehrenamtlich. Er selbst sei schon in vielen Bereichen tätig gewesen. Seine große Leidenschaft liege aber im Bereich Sport. Dort, sagt Al Shateri, kommen die einzelnen Bereiche wie Erziehung, Umweltschutz und Bewegung zusammen.
Von der Konferenz erhofft er sich besonders den Austausch mit Menschen, die ebenfalls im Bereich Sport engagiert sind. Vielleicht könne man nach der Konferenz zusammenarbeiten und gemeinsame Projekte organisieren, so der 29-Jährige. Die Kosten für Anreise und Übernachtung trägt in seinem Fall sein Heimatland. Dafür musste er an einem Auswahlverfahren teilnehmen. Auch Augsburg hat der junge Mann schon erkundet. Seine Highlights: die Altstadt, die vielen Parks und die Straßenbahn.
Für Carmen Chavarria war der Weg zur Konferenz noch ein bisschen weiter. Von ihrem Heimatland Guatemala flog sie nach Houston, weiter nach Washington und von dort nach München. Den letzten Teil der Reise legte sie dann mit dem Zug nach Augsburg zurück. Die 30-Jährige ist seit 2004 ehrenamtlich tätig und repräsentiert den Weltfreiwilligenverband (IAVE) in Guatemala. Dort ist sie darüber hinaus Ansprechpartnerin für neue Freiwilligenprojekte. Sie möchte aus der Konferenzwoche möglichst viel mit nach Hause nehmen und ihr neues Wissen dort mit anderen teilen. Und etwas von der Stadt sehen. Schließlich ist das ihr erster Besuch in Deutschland. Immerhin: Rathausplatz und Wittelsbacher Park habe sie schon gesehen, sagt Chavarria. Dann hat es die junge Frau eilig. Sie muss sich noch vorbereiten, bevor sie gleich selbst auf der Bühne steht und einen Vortrag darüber hält, wie die Führungsarbeit innerhalb ehrenamtlicher Organisationen in Zukunft aussehen könnte.
Jessica Wong ist 23 Jahre alt, kommt aus Hongkong und war schon einmal in Deutschland. Das war während ihres Austauschsemesters in Schweden. München und Berlin standen damals auf dem Programm. In Augsburg ist sie zum ersten Mal und kommt bei der Frage, ob es ihr gefalle, richtig ins Schwärmen. Es sei eine wunderschöne kleine Stadt, sagt Wong. Neben der Konferenz habe sie sich auch ein bisschen mit der Geschichte der Stadt auseinandergesetzt. Außerdem seien die Menschen hier sehr freundlich und nett. In ihrer Heimatstadt Hongkong engagiert sie sich beim Roten Kreuz. Ihr Ziel: Sie möchte irgendwann für eine internationale Organisation arbeiten. Deshalb interessiert sie sich bei der Konferenz besonders dafür, wie andere Länder für das ehrenamtliche Engagement werben. Auch in ihrem Heimatland wird mehr dafür getan, Freiwillige zu gewinnen. Wong erzählt, dass bereits in den Schulen damit angefangen wird. Kein Wunder: Hongkong als Multikulti-Metropole brauche Freiwillige besonders in der Arbeit mit ethnischen Minderheiten und als Unterstützung beim Kampf gegen die Armut, erklärt die 23-Jährige.
Gute Straßen und frische Luft – mit diesen Worten beschreibt Fredrick Sadia seine ersten Eindrücke von Deutschland. Die Weltfreiwilligenkonferenz in Augsburg ist seine zweite. 2016 in Mexiko war er bereits mit einer Delegation aus Kenia dabei. Zwei Dinge sind für ihn bei solchen Treffen besonders wichtig: Kontakte knüpfen und sehen, wie es andere Länder machen. Seine Organisation in Kenia arbeite gut mit der Regierung zusammen, sagt Sadia. Und dann erzählt er stolz von einem Gesetz, das gute Chancen hat, dieses oder nächstes Jahr in Kraft zu treten. Es soll die Bedingungen für ehrenamtliche Organisationen und Mitarbeiter in Kenia verbessern und sie besonders schützen.
Katharina Wilhelm musste kein Flugzeug besteigen, um nach Augsburg zu kommen. Die Studentin ist mit ihrer Organisation „Begegnung und Solidarität“aus Freiburg nach Bayern gereist. Seit August ist sie
Die Kosten trägt das Heimatland
Ähnliche Probleme, viele Gemeinsamkeiten
dort als Tutorin für Freiwillige zuständig, die aus Ecuador nach Freiburg kommen. Und das bedeutet eine Menge Einsatz: „Wir sind Ansprechpartner für die Freiwilligen, für die Gastfamilien und die Stationen, wo die Leute arbeiten werden“, erzählt sie. Außerdem geht sie mit den Gästen aus Ecuador zur Bank, zum Einwohnermeldeamt und hilft bei Absprachen mit Krankenkassen und Versicherungen.
Von ihrer ersten großen Konferenz ist die 22-Jährige begeistert: „Ich habe so viele inspirierende Menschen kennengelernt“, sagt sie. „Und es ist spannend, zu hören, dass es in anderen Ländern ähnliche Probleme und viele Gemeinsamkeiten gibt.“Besonders die Breakouts haben Katharina gefallen. Das sind Workshops, bei denen die Teilnehmer selbst aktiv werden können und in Gruppen Ideen und Lösungsansätze entwickeln sollen. Dann läutet der Gong. Zeichen für alle mit rotem Schlüsselband, sich wieder im großen Saal einzufinden.