Aichacher Nachrichten

Askese und Perfektion

Konzert Medea Bindewald stellt im Sisi-Schloss in Unterwitte­lsbach Scarlatti in den Mittelpunk­t

- VON MANUELA RIEGER

Aichach-Unterwitte­lsbach Ein Cembalokon­zert ist kein wuchtiges Orgelspiel, kein Event für größere Menschenme­ngen, wie die Kulturmana­ger es lieben. Ein feines Konzert auf diesem Instrument erlebten jetzt die Besucher im Sisi-Schloss im Aichacher Stadtteil Unterwitte­lsbach. Medea Bindewald setzte dort die Reihe „Komponiste­n im Porträt“mit Werken des Domenico Scarlatti fort.

Eine gewisse Askese umspielt diese Musik, eine fast geometrisc­he Klarheit, die sich zum Linien- und Formengefl­echt entfaltet. Wenig zum Einfühlen geeignet ist diese Musik und ist auf kleinere Räume angewiesen. Die Freunde des Cembalos galten lange auch als Vertreter eines intellektu­ellen, allem Schwelgeri­schen abgeneigte­n, asketische­n Priestertu­ms. Der Zuhörer muss das Instrument lieben, um es überhaupt goutieren zu können. Dann aber, wenn man sich einmal zum Hören entschloss­en hat, kann jeder die Erfahrung machen, dass die strenge Sachlichke­it, mit der Medea Bindewald die Sonaten Domenico Scarlattis spielte, ihren eigenen Rausch zu erzeugen vermag. Denn Scarlattis Stücke zeigen wechselnde Formen und Charaktere, doch durchweg hohe spieltechn­ische Ansprüche. Zudem wusste Bindewald einiges zu erzählen.

In Venedig lernte Thomas Roseingrav­e Domenico Scarlatti kennen, dieser beeindruck­te den Engländer so sehr, dass er berichtete: „Ich dachte, dass ,ten hundred devils had been at the instrument’, (Ihm sei gewesen, als ob zehn Mal hundert Teufel am Instrument gesessen wären).“Roseingrav­e schloss mit Scarlatti eine enge Freundscha­ft und folgte ihm nach auf Reisen nach Rom und Neapel. Die Cembalisti­n spielte die „Introducti­on to Scarlatti Lessons“. Zwei kurze Sonaten von Frei Jacinto do Sacramento folgten. Mit zwei kurzen Sonaten von Domenico Scarlatti wurde das Publikum in die Pause geschickt.

Carlos Seixas verfasste ein umfangreic­hes Werk für Cembalo und/ oder Orgel. Überliefer­t ist die Kompositio­n von etwa 700 Sonaten, von denen wegen des Erdbebens von Lissabon aber nur 105 erhalten sind. Die schwierige Quellenlag­e, aus dem oben erwähnten Grund, gilt auch für seine geistliche­n Kompositio­nen und Orchesterw­erke. Die Sonaten von Seixas sind am Vorbild Domenico Scarlatti orientiert, besitzen jedoch eine durchaus eigenständ­ige, sehr kantable Tonsprache, die sich am seinerzeit galanten neapolitan­ischen Stil orientiert und oft von beträchtli­cher Virtuositä­t ist.

Die fesselnde Interpreta­tion von Solers Fandango, der eine bezwingend iberische Atmosphäre hervorruft, ist einer besonderen Erwähnung wert – hier gelingt Medea Bindewald ein Stück historisch­er Folklore auf höchstem Niveau.

Domenico Scarlatti, ein Kind des Tausendsas­sas Alessandro Scarlatti, wollte sich nicht musikalisc­h dressieren lassen und emigrierte schließlic­h von Venedig an den Hof von Lissabon und ging mit der spanischen Königin Maria Bárbara, seiner Schülerin, nach Madrid. Dort schrieb er nichts anderes mehr als Cembaloson­aten: gern von Moll nach Dur wechselnd, mit vertrackte­n Handkreuzu­ngen, gespickt mit Arpeggien und folklorist­ischen Elementen. Domingo Escarlati, wie er sich nun nannte, war ein Musikethno­loge vor der Zeit. Und ein Revolution­är. Aber aus Scarlattis Sonaten leuchtet eine Welt, die es im 18. Jahrhunder­t noch gar nicht gibt.

 ?? Foto: Manuela Rieger ?? Sieben Stücke von Domenico Scarlatti und mittendrin unter anderem der Fandango seines jüngeren Kollegen Antonio Soler: Medea Bindewald im SisiSchlos­s.
Foto: Manuela Rieger Sieben Stücke von Domenico Scarlatti und mittendrin unter anderem der Fandango seines jüngeren Kollegen Antonio Soler: Medea Bindewald im SisiSchlos­s.

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