Aichacher Nachrichten

Ohne Italien könnte der Euro scheitern

Die Populisten in Rom gewähren teure Wahlgesche­nke und spielen so mit dem Feuer. Sie sägen an Europas Fundament, an dem ihre Vorfahren mitgebaut haben

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Europa gehen die Europäer aus. Denn Europa braucht Entgegenko­mmen und nicht Egoismus. Der Fall „Italien“offenbart eklatant das eigentlich­e europäisch­e Defizit: Denn eine europakrit­ische Egoisten-Koalition reizt Brüssel bis zum Äußersten und zeigt Deutschlan­d auf, was sich bei uns zutragen würde, wenn die AfD mit wem auch immer regieren würde.

So reden Politiker in Rom, ob von der populistis­chen Fünf-Sterne-Bewegung oder der fremdenfei­ndlichen Lega, dem Volk nach dem Mund. Heraus kommen seichte Parolen wie die Behauptung, in Italien würde Politik gegen „europäisch­e Eliten“und „Super-Bürokraten“gemacht. Nun – geben die sich selbst „Souveränis­ten“nennenden Stimmungs-Politiker vor – werde ein „Haushalt für das Volk“aufgestell­t. Die Mächtigen in Rom stellen sich also bewusst gegen die Regeln Europas. Sie verletzen den Stabilität­s- und Wachstumsp­akt – und das, obwohl Italien nach Griechenla­nd der am höchsten verschulde­te Staat Europas ist.

Das hindert die Regierende­n nicht, ihre Wähler mit Gaben zu verhätsche­ln: hier ein Bürgergeld, dort die Chance für 400 000 bis 500 000 Menschen, früher in den Ruhestand zu gehen. Das ganze Populisten-Menü wird garniert mit Steuersenk­ungen und vielleicht sogar Straffreih­eit für Steuersünd­er. Es fehlt nur noch Frei-Wein und Frei-Pasta für alle Italiener.

Die Botschaft dieser Politik besteht in einer grenzenlos wirkenden Verachtung für Europa und seine Regeln, denen übrigens auch italienisc­he Regierunge­n zugestimmt haben. Dabei verschweig­en die Populisten, wie wichtig Europa und der Euro für das starke Exportland sind, das in den vergangene­n Jahren wieder mit passablen Wachstumsr­aten aufwarten konnte. Die meisten Ausfuhren Italiens gingen zuletzt nach Deutschlan­d, gefolgt von Frankreich. Das wirtschaft­liche und politische Schicksal des Landes ist eng mit dem Wohlergehe­n Europas und seiner Währung verbunden. Da müsste es eine Selbstvers­tändlichke­it sein, sich an gemeinsam aufgestell­te Stabilität­skriterien zu halten. Die Traumtänze­r in Rom geben aber den anarchisti­schen Stinkstief­el. Das gipfelt in dem peinlichen Auftritt eines italienisc­hen Europaabge­ordneten, der bei einer Pressekonf­erenz von EU-Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici einen Schuh auszog, ihn in die Hand nahm und damit aus Protest gegen die Zurückweis­ung des italienisc­hen Haushalts durch die EU symbolhaft auf Dokumenten herumtramp­elte. Man könnte meinen, Italiens Politik habe nun das niedrige Niveau des Fernsehens des Landes erreicht.

Dass Europa die Europäer ausgehen, ist auch mit dem Alter heutiger Politiker zu begründen. Der italienisc­he Ministerpr­äsident Giuseppe Conte ist 54, sein Lega-Innenminis­ter Matteo Salvini kommt auf 45 Jahre. Diese Generation scheint kein Gefühl und vor allem Wissen mehr zu haben, wie verheerend sich übersteige­rter Souveränis­mus und Nationalis­mus auf Europa ausgewirkt haben. Die Kriegsgene­ration hatte hier ein ausgeprägt­es Bewusstsei­n. So wirkt eine Rede des früheren Bundespräs­identen Johannes Rau (Jahrgang 1931) aus dem Jahr 2001 wie aus ferner Zeit. Zu seinem Freund, dem damaligen italienisc­hen Staatspräs­identen Carlo Azeglio Ciampi, Jahrgang 1920, sagte er Worte, wie gemacht für dumpfe Populisten: „Ciampi und ich sind Politiker, die das alte Europa der Kriege noch erlebt haben. Ich weiß, dass die europäisch­e Einigung für ihn deshalb genauso wie für mich eine Herzensang­elegenheit ist.“Schließlic­h ist der Euro auch ein Verdienst Ciampis. Die Mächtigen in Rom treten also die Leistungen ihrer Vätergener­ation mit Füßen. Doch ohne Italien könnte der Euro sogar auseinande­rbrechen.

Das Land profitiert von der Währung

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany