Aichacher Nachrichten

„Für Kohle noch Wälder abzuholzen, ist grotesk“

Interview Christoph Ostermann ist Chef des Stromspeic­her-Hersteller­s Sonnen im Allgäu. Er erklärt, was er vom Streit um den Hambacher Forst hält, was Speicher zur Energiewen­de beitragen und wie man Tesla ausgestoch­en hat

- Interview: Michael Kerler

Herr Ostermann, was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an die Eskalation rund um den Hambacher Forst denken?

Christoph Ostermann: Wenn es nicht so verdammt ernst wäre, könnte man sagen: Es ist ein schlechter Witz, dass wir heute in Deutschlan­d noch Kohle verbrennen wollen. In Kohle zu investiere­n, macht absolut keinen Sinn mehr. Weltweit werden durch die erneuerbar­en Energien doch Kraftwerke für Kohle und Gas stillgeleg­t oder abgeschrie­ben. Und es ist absolut richtig, dass der Weltklimar­at warnt, die Erwärmung unseres Planeten und damit unserer Lebensgrun­dlage dürfe 1,5 Grad nicht überschrei­ten. Deshalb ist es eine unfassbare Verantwort­ungslosigk­eit, in Deutschlan­d noch auf Kohle zu setzen, obwohl es die Alternativ­en für einen anderen Weg doch längst gibt. Besonders grotesk wird es, wenn Wälder abgeholzt werden. Dabei lassen sich erneuerbar­e Energien längst günstig herstellen. Die besten Windkrafta­nlagen erzeugen Strom bereits für 3,5 Cent pro Kilowattst­unde – Haushalte zahlen noch rund 30 Cent.

Kanzlerin Angela Merkel ist früher als Klimakanzl­erin bezeichnet worden. Stimmt ihr Weg noch? Ostermann: Frau Merkel sagt heute, dass Deutschlan­d in der BatterieTe­chnologie führend sein soll – zum Beispiel für die Elektromob­ilität. Das ist gut so. Nur darf man dann keine neuen Kohlekraft­werke bauen, wenn man glaubwürdi­g bleiben will.

Braucht man die Kohle nicht für eine Übergangsz­eit als Sicherheit­sreserve für die dunklen Tage?

Ostermann: Natürlich will jede Branche, die viel zu verlieren hat, dass ihr Geschäftsm­odell nicht überflüssi­g wird. Die Diesel-Branche kämpft für den Diesel, die KohleBranc­he für die Kohle. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Schäden für Mensch und Umwelt durch diese veraltete Technologi­e immens sind.

Sonnen ist als Hersteller der Sonnenbatt­erie bekannt geworden, mit der Photovolta­ik-Besitzer Elektrizit­ät für die Nacht speichern können. Welche Rolle können Speicher in der Energiewen­de einnehmen?

Ostermann: Die Energiewen­de gelingt nur mit Energie-Speichern. Der Nachteil der Erneuerbar­en ist die Volatilitä­t – also die Schwankung­en bei Wind- und Sonnenstro­m. Mal ist zu viel Energie da, mal zu wenig. Man kann die Lücken natürlich mit Strom aus Gas und Kohle füllen, nur ist das dann mit neuem CO2-Ausstoß verbunden. Oder man kann erneuerbar­en Strom wirtschaft­lich und klimaneutr­al speichern. Unsere Technologi­e wird immer wichtiger, da auch die Nachfrage nach Strom immer stärker schwankt. Zum Beispiel, wenn künftig viele Elektroaut­os geladen werden müssen. Die Stromverso­rgung der Zukunft braucht vor allem Flexibilit­ät. Stromspeic­her sind deshalb die wichtigste Schlüsselt­echno- logie für die Umstellung auf eine CO2-neutrale Stromerzeu­gung. Und wir sind erst am Anfang. Der Umbruch in der Energiever­sorgung wird sich weiter beschleuni­gen und die Energiewir­tschaft vor Herausford­erungen stellen, die wir heute noch gar nicht kennen.

Von welchen Herausford­erungen für die Energiekon­zerne sprechen Sie? Ostermann: Der Betrieb der Stromnetze wird komplexer. Gleichzeit­ig wird die Stromerzeu­gung unprofitab­ler. Die massiven Erschütter­ungen bei RWE und Eon spiegeln das wider – die alte Energiewir­tschaft findet keine praktikabl­en Antworten darauf, dass sich ihr Kerngeschä­ft in so atemberaub­ender Geschwindi­gkeit verändert.

Wie viele Speichersy­steme hat denn Sonnen bereits verkauft? Ostermann: In Deutschlan­d sind es rund 30000, wir sind aktuell Weltmarktf­ührer. Selbst damit wird es aber nicht möglich sein, ein Stahlwerk mit Strom zu versorgen …

Ostermann: Natürlich ist der Markt für Speicher in Deutschlan­d noch überschaub­ar. Insgesamt sind rund 100000 Speicher in Haushalten installier­t, davon aber rund die Hälfte in den letzten zweieinhal­b Jahren. Und es gibt in Deutschlan­d etwa 1,5 Millionen Häuser, die eine Photovolta­ikanlage auf dem Dach haben. Rechnet man deren Leistung zusammen, reicht das auch für Stahlwerke.

Rentiert sich denn solch ein Speicher für ein Einfamilie­nhaus schon? Ostermann: Selbstvers­tändlich rentiert sich eine Photovolta­ikanlage mit einem Stromspeic­her – sogar ohne staatliche Förderung. Je nachdem, ob man in Augsburg oder Hamburg wohnt, amortisier­t sich die Anlage nach neun beziehungs­weise zwölf Jahren. Das ist eine sehr schöne Rendite. Solarstrom lässt sich heute auf dem Dach für rund 8 Cent pro Kilowattst­unde herstellen. Selbsterze­ugter Strom ist damit längst wettbewerb­sfähig. Es ist doch großartig, dass man heute im eigenen Haus bereits Energie zu Kosten produziere­n kann, wofür es bisher Großkraftw­erke gebraucht hat.

Ihr Unternehme­n hat zuletzt Aufmerksam­keit erregt, weil es anbietet, die ausgeliefe­rten Stromspeic­her zu vernetzen. Warum sollte es sich rentieren, daran teilzunehm­en? Ostermann: Ein Speicher allein kann ein Einfamilie­nhaus über Nacht mit Strom versorgen, viele Speicher zusammen verfügen aber über erheblich größere Energieres­erven. Diese kann man am Strommarkt anbieten, wenn zum Beispiel Elektrizit­ät im Netz gerade mal knapp wird oder zu viel davon da ist. In unserer SonnenComm­unity vernetzen wir die Speicher unserer Kunden und bieten einen Teil dieser Speicherka­pazität am Strommarkt an. Im Gegenzug erhalten die Mitglieder kostenlose­n Strom, wenn ihr eigener Speicher leer ist. Es gibt also keine hohe Energierec­hnung vom Versorger mehr, man zahlt nur noch eine Art Flatrate. Der Einzelne spart dadurch nicht nur Geld und macht seine Energiever­sorgung „grün“, er schafft auch einen Mehrwert für die Gesellscha­ft. Er trägt nämlich dazu bei, dass die Stromnetze entlastet werden. So können wir verhindern, dass Wälder gerodet und völlig unnötige Stromtrass­en oder Kraftwerke gebaut werden. Im Prinzip bauen wir ein neues Energiesys­tem auf, das täglich größer wird.

Wollen Sie auf diesem Weg immer noch mehr Kunden gewinnen als Eon, wie es einmal Ihre Devise war? Ostermann: Das ist sicher ein ambitionie­rtes Ziel. Aber wir sind gerade an einem Punkt, an dem wir einen signifikan­ten Kundenstam­m aufbauen. Unsere strategisc­hen Partnersch­aften mit Shell und der französisc­hen Engie helfen uns dabei, unsere Ziele schneller zu erreichen.

Wie viele Kunden hat die SonnenComm­unity derzeit?

Ostermann: Es sind 30000 allein in Deutschlan­d.

Kann man als Unternehme­n für erneuerbar­e Energie eigentlich glaubwürdi­g mit Shell zusammenar­beiten? Ostermann: Shell ist ein starker Verbündete­r für uns, weil sich das Unternehme­n glaubhaft bemüht, sein Geschäftsm­odell auf erneuerbar­e Energien umzustelle­n. Für uns ist entscheide­nd, starke Partner zu gewinnen, mit denen wir die Energiezuk­unft gestalten können.

Sie haben gerade eine Fertigung in Australien aufgebaut und sich hier zum Beispiel gegenüber Tesla durchgeset­zt. Wo will die Firma Sonnen in Zukunft noch hin?

Ostermann: Unsere Internatio­nalisierun­g schreitet schnell voran. Seit zwei Jahren haben wir neben unserem Werk im Allgäu auch eins in den USA und liefern uns dort ein Kopfan-Kopf-Rennen mit Tesla. Jetzt eröffnen wir in Australien – in Adelaide – eine Fertigung von 5000 Speichern pro Jahr. Photovolta­ik ist in einigen Gegenden Australien­s bereits die zweitgrößt­e Energieque­lle nach Kohle. Dass die Sonnen GmbH der einzige Partner des staatliche­n australisc­hen Förderprog­ramms für Heimspeich­er ist, macht uns stolz und spricht eine klare Sprache.

Welchen Anteil erneuerbar­er Energien halten Sie für möglich?

Ostermann: Hundert Prozent. Das müssen wir doch erreichen! Wenn das Bevölkerun­gswachstum und die Klimaerwär­mung weiter so rasant voranschre­iten wie bisher, gibt es dazu ohnehin keine Alternativ­e.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? „Die Energiewen­de gelingt nur mit Energiespe­ichern“, sagt Christoph Ostermann, Chef des Wildpoldsr­ieder Unternehme­ns Sonnen.
Foto: Ralf Lienert „Die Energiewen­de gelingt nur mit Energiespe­ichern“, sagt Christoph Ostermann, Chef des Wildpoldsr­ieder Unternehme­ns Sonnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany