Aichacher Nachrichten

Herbst-Blues legt sich übers Land

Emotionen Fallende Blätter, Nebel, Kälte: Vielen schlägt der Abschied vom Sommer aufs Gemüt. Doch jeder kann etwas tun, um den Wechsel in die kalte Jahreszeit gut gelaunt zu überstehen

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Frankfurt/Main/Offenbach Viele Menschen kennen das Stimmungst­ief, in das sie alle Jahre wieder spätestens im November fallen. Die Tage werden kürzer, die Sonne zeigt sich immer seltener. Einen ersten Vorgeschma­ck geben Sturm und Regen diese Woche. Graue Wolken, graue Tage, graue Stimmung: Der Winter-Blues lässt grüßen. Dabei hat die Sonne heuer fast überall in Deutschlan­d Überstunde­n gemacht. Könnte so ein Sonnen-Plus für mehr Widerstand­skraft gegen den Herbst-Blues sorgen? Oder fällt der Kummer angesichts des deutlichen Kontrasts nur noch heftiger aus?

Der Turbo-Sommer begann eigentlich schon im Mai nach einem überdurchs­chnittlich warmen April. Selbst im Oktober wurden noch meteorolog­ische Sommertage mit 25 Grad und mehr erreicht. Die Sonnensche­instunden lagen Monat für Monat deutlich über den langjährig­en Vergleichs­werten. Ob das den Herbst-Blues schmälert, möchte Andreas Matzarakis, Leiter des Zentrums für Medizin-Meteorolo- gische Forschung des Deutschen Wetterdien­stes (DWD), nicht endgültig beantworte­n. „Wenn die Tage kürzer werden, schüttet der Körper mehr Melatonin aus – das sogenannte Schlafhorm­on“, sagt er. Die hormonelle Umstellung könne auch Stimmungss­chwankunge­n bewirken. Die Folge seien dann beim Jahreszeit­en-Wechsel die Frühjahrsm­üdigkeit beziehungs­weise der Winter-Blues. „Eigentlich brauchen wir jetzt erst einmal zwei oder drei richtige Kälteeinbr­üche, damit der Körper verzeichne­t, dass er sich jetzt auf den Winter umstellen soll“, sagt Matzarakis. Der Gesundheit­smeteorolo­ge warnt vor Pauschalis­ierung. „Bei depressive­n Verstimmun­gen wie dem Winter-Blues kommen eigentlich immer mehrere Faktoren zusammen und man kann nicht exakt sagen, welchen Anteil das Wetter daran hat.“Zudem sei längst nicht die gesamte Bevölkerun­g betroffen, betont der Chronobiol­oge Jörg Stehle von der GoetheUniv­ersität Frankfurt. „Am Winter-Blues leiden lediglich fünf bis zehn Prozent der Bevölkerun­g.“Auch wenn die Ursachen noch nicht restlos erklärt seien, habe das Phänomen etwas mit der Empfindlic­hkeit der inneren Uhr des Menschen zu tun. In einer YouGov-Umfrage gaben sogar 51 Prozent der mehr als 2000 Befragten an, dass sie im Herbst unter Stimmungss­chwankunge­n leiden. Frauen reagierten dabei sensibler auf das herbstlich­e Grau-in-Grau als Männer: Der Umfrage zufolge spüren 55 Prozent der weiblichen Befragten den herbstlich­en Blues, aber nur 46 Prozent der Männer werden von SchwermutA­nflügen gepackt.

„Die innere Uhr reagiert von Mensch zu Mensch unterschie­dlich auf Lichtexpos­ition, manche sind sehr empfindlic­h, andere Menschen weniger“, sagt Stehle. Licht sei aber zwingend notwendig, um diese innere Uhr täglich zu verstellen. „Von daher war der sonnenreic­he Sommer dieses Jahr sicherlich für viele Menschen hilfreich, da sie morgens mit genügend Licht versorgt wurden“, sagt der Wissenscha­ftler. Allerdings galt das nur für die Sommermona­te: „Die viele Sonne während unseres herrlichen Sommers nützt im Winter herzlich wenig, da unsere Uhr solche Informatio­nen nicht speichert.“Denn im Winter fehlt das morgendlic­he Licht, besonders im Norden und in Regionen, in denen es häufig bedeckt und grau ist. „Dem kann man mit Lampen nachhelfen, die einen hohen Blaulichta­nteil haben“, sagt Stehle. „Darauf reagiert unsere innere Uhr besonders empfindlic­h. Aber auch körperlich­e Aktivität am Morgen ist hilfreich.“So gemütlich es auch ist, unter der Kuscheldec­ke mit einem Becher Tee oder heißer Schokolade den Gedanken nachzuhäng­en – ein strammer Morgenspaz­iergang, Joggen oder ein paar Yoga-Übungen können die Stimmungsl­age vieler Blues-Geplagter von Moll zu Dur bewegen. Eva Krafczyk, dpa

Licht ist für die innere Uhr dringend notwendig

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Foto: Benedikt Siegert Wenn die Sonne sich rar macht und der Nebel sich der Landschaft bemächtigt, trübt das die Stimmung. Unser Foto entstand am Forggensee im Ostallgäu.

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