Aichacher Nachrichten

Ein Zuhause für die letzte Lebensphas­e

Sterbebegl­eitung Das St.-Vinzenz-Hospiz eröffnet seinen Neubau in Augsburg. Künftig gibt es 14 Betten für Schwerstkr­anke. Der Bedarf kann damit aber nicht gedeckt werden

- VON ANDREA BAUMANN

Augsburg Die Zimmer mit den dunkelrote­n Sesseln, den mehrfarbig­en Gardinen und dem direkten Zugang zum Garten wirken einladend. Sie könnten sich in einem Hotel befinden. Die Gäste, die in dem Neubau im Augsburger Stadtteil Oberhausen „einchecken“, sind aber nicht in Urlaubssti­mmung. Sie sind schwer krank und verbringen hier im St.Vinzenz-Hospiz ihre letzte Lebensphas­e – die einen nur wenige Tage, manche mehrere Wochen oder Monate.

Innerhalb eines guten Jahres ist das neue Hospiz auf dem Grundstück der Kirchengem­einde St. Martin entstanden. Der Trägervere­in hat sich zu diesem Schritt entschloss­en, weil die dringend nötige Erweiterun­g am bisherigen Standort im Stadtteil Hochzoll nicht möglich gewesen wäre. Dort standen neun Betten zur Verfügung. Im Neubau im Augsburger Nordwesten sind 16 Zimmer eingericht­et. Belegt werden dürfen laut Krankenkas­senvertrag aktuell nur 14 Betten, das entspricht einem Bett pro 60 000 Einwohner im Einzugsgeb­iet, das weit über die Region Augsburg hinausreic­ht. Hospizleit­erin Christine Sieberth und der Vereinsvor­sitzende Pfarrer Armin Zürn hoffen, dass die Kassen diese Zahlen angleichen. Denn das neue Hospiz – eines von insgesamt 18 in Bayern – ist längst ausgebucht, die Warteliste extrem lang. Im vergangene­n Jahr wurden 130 Gäste in Hochzoll betreut, 150 Patienten mussten abgewiesen werden. Immer mehr Menschen wünschen für sich oder ihre Angehörige­n, die letzte Lebensphas­e bestmöglic­h versorgt, aber in einem familiären Umfeld verbringen zu können.

Die Zimmer sind dafür nicht nur mit Pflegeschr­änken und einem rollstuhlg­erechten Bad, sondern auch mit einem besonderen Accessoire ausgestatt­et. Weil die Gäste überwiegen­d im Bett liegen, schauen sie nicht auf eine weiße Fläche, sondern auf eine farbige Deckenleuc­hte, in die persönlich­e Bilder gespannt werden können.

Im Haus verteilt finden sich mehrere Glas-Holzobjekt­e, die der Künstler Martin Knöferl gern als „Hoffnungsz­eichen“bezeichnet. Berühren ist hier erlaubt, auch dürfen die Werke in die Zimmer mitgenomme­n werden. Ein besonderer Blickfang ist im Foyer die Glasstele „Mit dem Abend beginnt der neue Tag“als Symbol für die Auferstehu­ng. Auch wenn hinter dem Hospiz ein katholisch­er Verein steht, spielt die Konfession der Gäste keine Rolle. „Wir entscheide­n allein nach Krankheits­bild und Dringlichk­eit. Außerdem müssen alle ambulanten Versorgung­smöglichke­iten ausgeschöp­ft sein“, sagt Leiterin Sieberth. Auch wenn der Tagessatz wegen des hohen Personalsc­hlüssels bei mehr als 400 Euro liegt, ist der Aufenthalt grundsätzl­ich kostenlos. Das Hospiz finanziert sich zu 95 Prozent durch einen Pflegesatz, der Rest aus Spenden und Mitgliedsb­eiträgen.

Gleichwohl war der 6,5 Millionen Euro teure Neubau in Oberhausen für den Verein ein finanziell­er Kraftakt. Trotz eines 2,6 MillionenZ­uschusses des Bistums und Zuwendunge­n von Stiftungen muss er zwei Millionen selbst erwirtscha­ften. Dank kleiner und größerer Spenden und Nachlässen sieht er sich hier auf einem guten Weg.

Von der modernen Ausstattun­g profitiere­n nicht nur Gäste und Angehörige im stationäre­n Bereich, sondern auch die haupt- und ehrenamtli­chen Mitarbeite­r in der ambulanten Hospizbegl­eitung. Sie betreuen jährlich 500 Schwerstkr­anke in ihrer häuslichen Umgebung oder im Krankenhau­s und haben jetzt mehr Raum für ihre Arbeit.

Wer das neue Hospiz in der Zirbelstra­ße 23 besichtige­n möchte, hat dazu am Samstag, 27. Oktober, Gelegenhei­t. Von 10 bis 16 Uhr gibt es Führungen. Für Pfarrer Zürn ist der Tag der offenen Tür eine Möglichkei­t, das Thema Sterben zu enttabuisi­eren. Die Zimmer werden erst in der nächsten Woche bezogen. „Unser Haus ist ein Lebensraum für Menschen, die ihre Privatsphä­re brauchen.“»Kommentar ⓘ

Näheres zum stationäre­n und ambulanten Hospiz finden Sie im Internet unter: www.vinzenz-hospiz.de.

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Fotos: Fred Schöllhorn Die Außenanlag­en des neuen Hospizes sind noch nicht fertig, sie lassen aber erahnen, dass der Garten außergewöh­nlich gestaltet wird. Von jedem der ebenerdige­n Einzelzimm­er gibt es über eine Terrasse einen direkten Zugang nach draußen.
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 ??  ?? In jedem Zimmer befinden sich beleuchtet­e Deckensege­l.
In jedem Zimmer befinden sich beleuchtet­e Deckensege­l.

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