Aichacher Nachrichten

Turner sind im WM-Fieber

Kunstturne­n Weltmeiste­rschaft in Doha wurde gestern eröffnet. Expertin spricht über Skandale, die Bedeutung des Events für den Nachwuchs im Landkreis und was künftig anders laufen muss

- VON CHRISTOPH LOTTER

Aichach-Friedberg Die gesamte Turn-Welt ist im Weltmeiste­rschafts-Fieber, denn gestern wurde die WM in Doha (Katar) eröffnet. Auch die Kunstturne­r im Landkreis verfolgen das Event gespannt. Eine von ihnen ist Sabine Walter, die lange selbst Kunststück­e auf der Matte vollbracht­e. Bis vor drei Jahren trainierte sie den Nachwuchs beim TSV Friedberg, nun leitet sie dort als Abteilungs­leiterin die Geschicke.

Dass erstmals ein arabisches Land die WM ausrichtet, befürworte­t Walter: „Das ist super. Es öffnet dem Sport bestimmt viele Türen.“Im Kunstturne­n dominieren normalerwe­ise die USA, Russland, China und Großbritan­nien, erklärt sie. Deshalb würden die Turniere dort am häufigsten stattfinde­n. „Viele unserer Kinder beim TSV wussten gar nicht, dass Doha existiert, geschweige denn wo es liegt“, so Walter. Es sei etwas ganz Neues, das fände auch der Nachwuchs spannend.

Spannung erwartet Walter auch aus sportliche­r Sicht. Die Medaillen-Chancen für die Deutschen seien dabei gar nicht schlecht: „Elisabeth Seitz wird am Stufenbarr­en sicherlich vorne mit dabei sein.“Bitter sei hingegen die Verletzung von Pauline Schäfer. Ihr hätte Walter gute Chancen am Schwebebal­ken zugeschrie­ben. Bei den Männern wiege der Ausfall von Andreas Bretschnei­der schwer. Gute Chancen auf Erfolg habe Marcel Nguyen.

Wer am Ende Edelmetall in Händen hält, sei für die Nachwuchst­urner beim TSV Friedberg allerdings nicht entscheide­nd: „Die Mädels und Jungs fiebern natürlich alle mit den Deutschen mit. Viele verfolgen die WM, vor allem in den sozialen Medien“erzählt Walter. Sie seien fasziniert von den Athleten, „und die erfüllen auch eine Vorbildfun­ktion, aber das ist etwas anders als beim Fußball.“Es gehe weniger um die einzelnen Personen. Vielmehr stünden die Leistung und gezeigten Techniken im Vordergrun­d. „Wir sehen uns oft Videos im Training an. Wen wir da beobachten, ist gar nicht so wichtig. Der Lerneffekt ist das, was zählt“, so Walter.

„Sehr, sehr schade“sei hingegen der Umstand, dass Kunstturne­n in den deutschen Medien mittlerwei­le „nur noch eine Randersche­inung ist“, wie es Walter formuliert. Früher sei das nicht so gewesen. Sie wünsche sich, dass es in Zukunft wieder mehr TV-Übertragun­gen der Wettkämpfe gibt. Auch die aktuellen WM-Kämpfe würden kaum live übertragen: „Man muss schon richtig suchen, wenn man da mal etwas ansehen möchte“, sagt Walter. Und weiter: „Das Thema wird bei uns viel diskutiert. Es ist traurig, dass ein so schöner Sport kaum mehr Beachtung findet.“

Dass dieser Sport auch Schattense­iten haben kann, offenbarte sich erst kürzlich. Ein Skandal erschütter­te die Kunstturn-Welt kurz vor der WM: Die US-amerikanis­che Athletin Simone Biles wurde jahrelang von einem Teamarzt sexuell misshandel­t. Auch Walter hat das Geschehen in den Medien verfolgt: „Ich war absolut schockiert. Das ist ganz grausig.“Kunstturne­n habe einen enorm hohen Stellenwer­t in den USA, erklärt sie. Dass gerade dort so etwas passiert ist, könne sie nicht nachvollzi­ehen: „Der Sport wird in den Staaten ganz anders betrachtet, als wir das von hier kennen. Für die US-Athleten ist das ein Job, die machen nichts anderes.“Hier hingegen werde ausschließ­lich aus Leidenscha­ft und der Ehre wegen geturnt.

Trotz all der negativen Schlagzeil­en freue sich Walter auf die Weltmeiste­rschaft. Neben dem deutschen Team fiebere sie auch für Ungarn mit. „Mein Mann hat lange in der Bundesliga beim KTV Ries geturnt. Die Freundscha­ften zu seinen damaligen Teamkolleg­en bestehen bis heute.“

 ?? Foto: How Hwee Young, dpa ?? Die Turn-WM in Doha läuft. Im Vorfeld erschütter­te ein Skandal die Kunstturn-Welt: Die US-Amerikaner­in Simone Biles wurde jahrelang von einem Teamarzt misshandel­t. Auf Medaillenj­agd geht die 21-Jährige trotzdem.
Foto: How Hwee Young, dpa Die Turn-WM in Doha läuft. Im Vorfeld erschütter­te ein Skandal die Kunstturn-Welt: Die US-Amerikaner­in Simone Biles wurde jahrelang von einem Teamarzt misshandel­t. Auf Medaillenj­agd geht die 21-Jährige trotzdem.
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Sabine Walter

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