Turner sind im WM-Fieber
Kunstturnen Weltmeisterschaft in Doha wurde gestern eröffnet. Expertin spricht über Skandale, die Bedeutung des Events für den Nachwuchs im Landkreis und was künftig anders laufen muss
Aichach-Friedberg Die gesamte Turn-Welt ist im Weltmeisterschafts-Fieber, denn gestern wurde die WM in Doha (Katar) eröffnet. Auch die Kunstturner im Landkreis verfolgen das Event gespannt. Eine von ihnen ist Sabine Walter, die lange selbst Kunststücke auf der Matte vollbrachte. Bis vor drei Jahren trainierte sie den Nachwuchs beim TSV Friedberg, nun leitet sie dort als Abteilungsleiterin die Geschicke.
Dass erstmals ein arabisches Land die WM ausrichtet, befürwortet Walter: „Das ist super. Es öffnet dem Sport bestimmt viele Türen.“Im Kunstturnen dominieren normalerweise die USA, Russland, China und Großbritannien, erklärt sie. Deshalb würden die Turniere dort am häufigsten stattfinden. „Viele unserer Kinder beim TSV wussten gar nicht, dass Doha existiert, geschweige denn wo es liegt“, so Walter. Es sei etwas ganz Neues, das fände auch der Nachwuchs spannend.
Spannung erwartet Walter auch aus sportlicher Sicht. Die Medaillen-Chancen für die Deutschen seien dabei gar nicht schlecht: „Elisabeth Seitz wird am Stufenbarren sicherlich vorne mit dabei sein.“Bitter sei hingegen die Verletzung von Pauline Schäfer. Ihr hätte Walter gute Chancen am Schwebebalken zugeschrieben. Bei den Männern wiege der Ausfall von Andreas Bretschneider schwer. Gute Chancen auf Erfolg habe Marcel Nguyen.
Wer am Ende Edelmetall in Händen hält, sei für die Nachwuchsturner beim TSV Friedberg allerdings nicht entscheidend: „Die Mädels und Jungs fiebern natürlich alle mit den Deutschen mit. Viele verfolgen die WM, vor allem in den sozialen Medien“erzählt Walter. Sie seien fasziniert von den Athleten, „und die erfüllen auch eine Vorbildfunktion, aber das ist etwas anders als beim Fußball.“Es gehe weniger um die einzelnen Personen. Vielmehr stünden die Leistung und gezeigten Techniken im Vordergrund. „Wir sehen uns oft Videos im Training an. Wen wir da beobachten, ist gar nicht so wichtig. Der Lerneffekt ist das, was zählt“, so Walter.
„Sehr, sehr schade“sei hingegen der Umstand, dass Kunstturnen in den deutschen Medien mittlerweile „nur noch eine Randerscheinung ist“, wie es Walter formuliert. Früher sei das nicht so gewesen. Sie wünsche sich, dass es in Zukunft wieder mehr TV-Übertragungen der Wettkämpfe gibt. Auch die aktuellen WM-Kämpfe würden kaum live übertragen: „Man muss schon richtig suchen, wenn man da mal etwas ansehen möchte“, sagt Walter. Und weiter: „Das Thema wird bei uns viel diskutiert. Es ist traurig, dass ein so schöner Sport kaum mehr Beachtung findet.“
Dass dieser Sport auch Schattenseiten haben kann, offenbarte sich erst kürzlich. Ein Skandal erschütterte die Kunstturn-Welt kurz vor der WM: Die US-amerikanische Athletin Simone Biles wurde jahrelang von einem Teamarzt sexuell misshandelt. Auch Walter hat das Geschehen in den Medien verfolgt: „Ich war absolut schockiert. Das ist ganz grausig.“Kunstturnen habe einen enorm hohen Stellenwert in den USA, erklärt sie. Dass gerade dort so etwas passiert ist, könne sie nicht nachvollziehen: „Der Sport wird in den Staaten ganz anders betrachtet, als wir das von hier kennen. Für die US-Athleten ist das ein Job, die machen nichts anderes.“Hier hingegen werde ausschließlich aus Leidenschaft und der Ehre wegen geturnt.
Trotz all der negativen Schlagzeilen freue sich Walter auf die Weltmeisterschaft. Neben dem deutschen Team fiebere sie auch für Ungarn mit. „Mein Mann hat lange in der Bundesliga beim KTV Ries geturnt. Die Freundschaften zu seinen damaligen Teamkollegen bestehen bis heute.“