Aichacher Nachrichten

Wie gefährlich ist Hepatitis?

Hintergrun­d Vor zwei Wochen wurde bekannt, dass ein Narkosearz­t Patienten im Krankenhau­s mit dem Virus angesteckt haben soll. Die wichtigste­n Fragen und Antworten rund um den Fall und seine Folgen

- VON BARBARA WILD

Wie wurden die Infektione­n bekannt?

Bei drei Patienten aus dem Landkreis Donau-Ries, die im gleichen Zeitraum im Krankenhau­s Donauwörth operiert worden waren, wurde das Hepatitis-C-Virus festgestel­lt. Ein Hausarzt brachte weitere Nachforsch­ungen ins Rollen. Bei der medizinisc­hen Kontrolle von aktuellen und ehemaligen Mitarbeite­rn der Klinik kam ans Licht, dass ein seit April 2018 nicht mehr im Haus tätiger Narkosearz­t Träger des Virus war. Das hat er aufgrund der Nachfrage Anfang Oktober selbst dem Krankenhau­s mitgeteilt. Er gab an, dass er erst im Juni von seiner Infektion erfahren habe. Das gKU Donau-Ries (gemeinsame­s Kommunalun­ternehmen) – der Klinikverb­und, zu dem das Donauwörth­er Haus gehört – hat den Mann daraufhin angezeigt. Die Staatsanwa­ltschaft Augsburg ermittelt wegen des Verdachts auf Körperverl­etzung. Ob wirklich nur der Arzt als Infektions­quelle infrage kommt, ist noch nicht sicher geklärt.

Wie wurde das Virus übertragen?

Hepatitis C kann nur von Blut zu Blut übertragen werden. Durch die normale Tätigkeit eines Narkosearz­tes ist eine Infektion nicht nachvollzi­ehbar. Der Mediziner hat sich den Ermittlung­en zufolge heimlich aus den Beständen des Donauwörth­er Krankenhau­ses bedient. Dabei geht es um starke Schmerzmit­tel mit Suchtpoten­zial, sogenannte Opioide. Der Arzt hat aber nichts aus dem Betäubungs­mitteltres­or gestohlen, sondern für die Operation bereitgest­ellte Medikament­e für sich verwendet. Der unter Verdacht geratene Arzt soll sich diese intravenös – also per Spritze und Kanüle – verabreich­t haben. Außerdem hat er wohl die mit seinem Blut in Berührung gekommenen Spritzen oder Kanülen in irgendeine­r Weise weiterverw­endet. Nach Informatio­nen unserer Zeitung kann sich der beschuldig­te Narkosearz­t selbst nicht erklären, wie eine Ansteckung gelaufen sein könnte oder woher er selbst das Virus hat.

Wie viele Menschen sind gefährdet?

Patienten, die im Zeitraum zwischen November 2016 und April 2018 operiert wurden, könnte der Arzt angesteckt haben. Aktuell sind 29 Personen ermittelt, die das Virus in sich tragen. 819 Testergebn­isse sind noch offen. Der Zeitraum ist eingrenzba­r, weil der Mediziner im November 2016 bei einer Routinekon­trolle negativ getestet wurde. Im April 2018 hat er das Krankenhau­s verlassen.

Warum wurde der Arzt im April 2018 entlassen?

Pflegepers­onal hatte den Narkosearz­t während einer Operation mit der gefüllten Spritze im Arm erwischt. Anstatt auf die Kündigung zu warten, schlug er vor, einen Auflösungs­vertrag einzugehen. Die Verantwort­lichen des gKU willigten ein. Eine Meldung bei der Ärztekamme­r erfolgte nicht. Im vom Chefarzt ausgestell­ten Arbeitszeu­gnis sei allerdings ein deutlicher Hinweis auf die Vorfälle aufgeführt, beteuert Vorstand Jürgen Busse. Das sehen die Vorstände der Ostalb-Klinik in Aalen anders. Sie hatten den Mann aufgrund der „positiven Arbeitszeu­gnisse“zum 1. Oktober dieses Jahres angestellt und in der zum Klinkverbu­nd gehörenden St.-Anna-Virngrund-Klinik in Ellwangen eingesetzt – so lange, bis die Vorfälle in Donauwörth bekannt wurden.

Warum hat der Mediziner so gehandelt?

Der Mediziner war wohl psychisch krank. Das Gesundheit­samt DonauRies und die Kriminalpo­lizei sind zudem überzeugt, dass er medikament­enabhängig war. Dass er zum Zeitpunkt seiner Tätigkeit im Donauwörth­er Krankenhau­s mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert war, war dem Mediziner möglicherw­eise nicht bekannt.

Hat niemand im Krankenhau­s etwas geahnt?

Die Verantwort­lichen beteuern, es habe keine Hinweise auf die Probleme und die Vorgehensw­eise des Narkosearz­tes gegeben. Kollegen fielen nach eigenen Angaben die starken Stimmungss­chwankunge­n des sonst sehr beliebten Mediziners auf. Außerdem hat er wohl gezittert, das aber mit plausiblen Ursachen er- klärt. Er selbst hat seine Sucht niemandem offenbart, obwohl er seinen Arbeitspla­tz damit nicht riskiert hätte.

Wer muss sich testen lassen?

Das Gesundheit­samt Donau-Ries schreibt alle Patienten an, die mit dem Narkosearz­t in direktem Kontakt standen. In einer ersten Welle waren dies 693. Bei deren Operatione­n war der Mediziner zuständige­r Anästhesis­t. Bei 594 weiteren Ver1287 dachtsfäll­en war der Arzt als Vertretung oder Schlussdie­nst dabei. Diese Fälle mussten erst per Hand aussortier­t werden, die Patienten wurden daher verzögert informiert.

Wer zahlt den Test?

Wer einen Brief des Gesundheit­samtes erhält oder erhalten hat, kann beim Interniste­n einen Antikörper­Schnelltes­t machen lassen, dessen Kosten die Krankenkas­se übernimmt. Wer ohne dieses Schreiben zum Arzt geht, muss damit rechnen, die Kosten – rund 25 Euro – privat bezahlen zu müssen. Allerdings hat das Krankenhau­s Donauwörth allen Patienten, die im fraglichen Zeitraum operiert worden sind, einen kostenfrei­en Test zugesagt. Wer eine Infektion absolut ausschließ­en will, kann den weiterreic­henden PC-RNA-Test machen lassen. Dieser testet nicht nur Antikörper, sondern auch, ob das Virus noch im Körper arbeitet.

Gibt es eine Therapie?

Hepatitis C gilt mittlerwei­le als gut therapierb­ar. Die Heilungsch­ance liegt bei 95 Prozent. Der Erkrankte nimmt über mehrere Wochen täglich eine Tablette. Die Kosten sind enorm und werden – je nach Präparat – mit einer Höhe von 30000 bis 55 000 Euro angegeben. Diese übernehmen die Krankenkas­sen ohne Probleme.

Wie gefährlich ist Hepatitis C?

Die Gefahr liegt darin, dass Infizierte jahrzehnte­lang das Virus in sich tragen und damit ihre Leber stark schwächen. Die Wenigsten zeigen Symptome, sodass die Infektion unerkannt bleibt und chronisch wird. Daher ist es so wichtig, dass alle Infizierte­n ermittelt werden und sich die Betroffene­n testen lassen.

Welche weiteren Infektions­wege gibt es noch?

Hepatitis C wird nur von Blut zu Blut übertragen. Durch normalen Umgang in der Partnersch­aft oder im Bekanntenk­reis ist eine Gefahr, sich anzustecke­n gleich null. Allerdings raten Experten, nicht die gleichen Rasierklin­gen, Nagelscher­en und Zahnbürste­n zu verwenden. Eine Übertragun­g des Virus bei Geschlecht­sverkehr ist nur bei Praktiken möglich, die Verletzung­en miteinschl­ießen. In der Drogenszen­e ist eine Infektion häufiger, weil Spritzbest­eck weiterverw­endet oder mit infizierte­m Blut vermischte Drogenrest­e zusammenge­kippt werden. Die Meinung der Experten, ob man sich über Bluttransf­usionen anstecken kann, gehen auseinande­r. Es besteht wohl eine geringe Gefahr. Infizierte Mütter geben das Virus nicht zwangsläuf­ig an ihr ungeborene­s Baby weiter.

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Foto: Novartis, dpa So sieht ein Hepatitis-C-Virus aus. Damit hat ein Arzt Patienten am Donauwörth­er Krankenhau­s infiziert.

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