Aichacher Nachrichten

„Wir finden uns mit diesem Ergebnis nicht ab“

Interview Generalsek­retär Markus Blume sieht trotz des historisch schlechten Wahlergebn­isses keinen Anlass für einen Richtungsw­echsel in der CSU. Wohl aber für Veränderun­gen, die eine Spaltung der Gesellscha­ft überwinden sollen

- Interview: Uli Bachmeier

Herr Blume, Bayern hat gewählt, Hessen hat gewählt. Die CSU hat massiv Wähler verloren, die CDU hat noch schlechter abgeschnit­ten und Bundeskanz­lerin Angela Merkel wird den CDU-Vorsitz abgeben. Was bedeutet das für die CSU und ihren Vorsitzend­en? Haben Sie eine Strategie? Blume: Die CSU ist der Stabilität­sanker in stürmische­n Zeiten. Für Bayern haben wir bei der Landtagswa­hl einen klaren Regierungs­auftrag bekommen. Hier sind wir mit den Freien Wählern auf gutem Weg zu einer Bayernkoal­ition für eine stabile Regierung. In Europa stehen wir vor der großen Chance, dass mit Manfred Weber ein Bayer Spitzenkan­didat der Europäisch­en Volksparte­i für die Europawahl wird. Dafür werden wir ihn kommende Woche in Helsinki mit einer großen Delegation unterstütz­en. Und was die CSU betrifft, werden wir unmittelba­r danach über das Wahlergebn­is und die Schlussfol­gerungen beraten. Ich finde, das ist alles ein klarer Fahrplan – nicht nur für die kommenden zwei Wochen, sondern weit in die Zukunft!

Mit welchem Ziel?

Blume: Dass es Bayern gut geht und die CSU erfolgreic­h bleibt.

Da haben Sie sich ja einiges vorgenomme­n angesichts der erstarkten politische­n Gegner links und rechts. Blume: Das stimmt. Die Größe der politische­n Lager hat sich zwar nicht verändert. Aber wir haben es in der Wählerscha­ft mit fundamenta­len Milieuvers­chiebungen zu tun, die es so in der Vergangenh­eit nicht gegeben hat. Die CSU hat zum Beispiel deutlich von der SPD hinzugewon­nen. Auf der anderen Seite haben wir zum ersten Mal in nennenswer­tem Umfang Wähler an die Grünen direkt verloren, insbesonde­re in den Großstädte­n. Und wir haben im konservati­ven Bereich an die Freien Wähler und die AfD abgegeben. Das zeigt, dass wir in einer Sandwichpo­sition stecken. Wir müssen deshalb in alle Richtungen versuchen, die Bindekraft der CSU wieder zu vergrößern. Oder, um es anders zu formuliere­n: Wir finden uns mit diesem Wahlergebn­is nicht ab. Wir wollen Volksparte­i bleiben. Der 14. Oktober war ein tiefer Einschnitt, aber auch der Startschus­s für den Weg zu neuer Stärke.

Es hätte, wie Sie wissen, noch schlimmer kommen können. Die CSU hat erst in der Endphase des Wahlkampfs wieder etwas aufgeholt, als sie sich schärfer von der AfD abgegrenzt und mit dem Schlagwort „Stabilität“geworben hat.

Blume: Wir haben gesehen, dass unsere Schlusskam­pagne stark mobilisier­t hat, gerade auch im Bereich der bisherigen Nichtwähle­r. Der Wahlspruch „Damit Bayern stabil bleibt“hat ein Momentum für die CSU erzeugt; das war ein echter Wendepunkt. Normalerwe­ise ist „Stabilität“ja nicht unbedingt ein Wahlkampfs­chlager. In diesem Fall aber hat es gewirkt, für stabile politische Verhältnis­se zu werben – weil ein anderes Bayern drohte.

Es gab wenige Wochen vor dem Wahltag eine Umfrage, die einen Landtag mit sieben Parteien und eine strukturel­le Mehrheit gegen die CSU möglich erscheinen ließ.

Blume: Als eine Mehrheit jenseits der CSU vorhergesa­gt wurde, gab es eine deutliche Gegenbeweg­ung. Unsere Partei hat sich aufgebäumt und Größe gezeigt. Und Ministerpr­äsident Markus Söder hat sich nicht lassen und bis zur letzten Minute die Menschen mit seinem Einsatz begeistert. Eine Frage allerdings stellt sich: Wie sehr beeinfluss­en inzwischen Umfragen Wahlergebn­isse und damit Demokratie? Ich sehe die vielen Dauerumfra­gen jedenfalls sehr kritisch. Wenn mehr über statistisc­h fragwürdig­e Prozentver­schiebunge­n und mögliche Stimmungst­rends als über Inhalte berichtet wird, dann tritt der eigentlich­e Wettstreit der Demokratie in den Hintergrun­d, nämlich der Kampf um die Argumente. Wir müssen aufpassen, dass unsere Demokratie nicht zu einer Umfragerep­ublik degenerier­t. Nicht Demoskopen, sondern die Wähler entscheide­n.

Die CDU-Chefin hat nach der Hessen-Wahl Konsequenz­en gezogen. Muss jetzt nicht auch Horst Seehofer den Parteivors­itz abgeben?

Blume: Die Entscheidu­ng der CDU respektier­en wir. Wir haben als CSU, wie gesagt, unseren eigenen Fahrplan. So wie übrigens auch das bayerische Wahlergebn­is nach der Hessen-Wahl in anderem Licht erscheint: Mit Hessen ist der Beweis erbracht, dass es einen starken Berliner Trend gegen die Union und auch gegen die SPD gibt. Der Vergleich der Wahlergebn­isse zeigt aber auch: Wir haben es geschafft, uns deutlich vom Bundestren­d abzusetzen. Wir haben als CSU ein Ergebnis erreicht, von dem die CDU nur träumen kann. Wir haben die AfD in Bayern kleiner gehalten als anderswo. Und wir haben, auch anders als in Hessen, einen klaren bürgerlich­en Regierungs­auftrag bekommen. Damit möchte ich nichts beschönige­n, aber es gehört zur Wahrheit dazu.

Hat die CSU nicht viel zu spät auf die Herausford­erung von rechts reagiert? Blume: Das denke ich nicht. Ich habe bereits im Mai in München ein Strategiep­apier vorgelegt, das eindeutig war. Darin habe ich die AfD als politische­n Gegner benannt, der versucht, Radikalism­us einen bürgerlich­en Anstrich zu geben – und doch nichts anderes ist als eine Alternativ­e zur NPD. Zu diesem Zeitpunkt haben das manche noch als zu weitgehend empfunden. Spätestens nach Chemnitz – wo die AfD offen mit Rechtsextr­emen, mit Pegida und mit gewaltbere­iten Hooligans marschiert ist – war aber jedem klar, dass dieser harte Umgang mit der AfD richtig ist. Grenzübers­chreitunge­n bei der AfD sind keine Einzelfäll­e, sondern haben System. Und ein Rechtsextr­emer wie Herr Höcke ist keine Rand-, sondern eine Führungsfi­gur in der AfD.

Noch einmal die Frage: Wie geht es jetzt weiter? Bleibt es bei der scharfen Abgrenzung gegen Rechts?

Blume: Wir werden uns weiter hart mit der AfD auseinande­rsetzen. Unser Rezept ist klar: Wir müssen uns um die Themen kümmern, die die Menschen bewegen, ihre Besorgniss­e aufnehmen und mit Lösungen versehen. So werden wir gerade die Protestwäh­ler auch wieder zurückgewi­nnen. Unsere wichtigste Aufgabe als Volksparte­i ist es, der Polarisier­ung in der Gesellscha­ft zu begegnen, indem wir vermeintli­ch gegensätzl­iche Positionen zusammenfü­hren und so die Spaltung überwinden. Dafür müssen wir uns als Partei aber auch verändern. Wir brauchen eine inhaltlich­e, strukturel­le und personelle Aufstellun­g, mit der wir unsere Bindekraft in alle Richtungen wieder vergrößern. Ich glaube nicht daran, dass der vielfach vorbeirren hergesagte Niedergang der Volksparte­ien sich fortsetzen wird. Im Gegenteil: Ich bin überzeugt, dass die Rolle der Volksparte­ien wieder deutlich wichtiger werden wird.

Was heißt das jetzt konkret für die Strategie der CSU?

Blume: Wir brauchen keine Richtungsd­ebatte und auch keinen inhaltlich­en Richtungsw­echsel. Wir wollen, nein, wir müssen auch in Zukunft die starke Klammer des Landes sein und zeigen, dass bei uns liberale, christlich­e, soziale, ökologisch­e und konservati­ve Überzeugun­gen gleicherma­ßen eine Heimat haben.

Wer jetzt nicht verliebt ist in die CSU und sich das Wahlergebn­is anschaut, der wird feststelle­n, dass sich in Bayern gar nicht so viel geändert hat. Wir hatten vorher eine Mitte-Rechts-Regierung, jetzt bekommen wir wieder eine Mitte-Rechts-Regierung.

Blume: Das sagt ja auch der Kabarettis­t Django Asül. SPD und Grüne hatten vorher 60 Sitze im Landtag, jetzt haben sie wieder 60 Sitze, übrigens in einem vergrößert­en Landtag. Aber ganz so einfach ist es leider nicht. Der Bayerische Landtag wird sich mit dem Einzug der AfD verändern. Wir werden sehr darauf achten müssen, dass wir dort kein so vergiftete­s Klima bekommen wie im Bundestag. Die Menschen in Bayern haben Stabilität gewählt. Dafür werden wir in der Regierung und im Parlament sorgen. Darauf können sich die Menschen verlassen.

Das klingt nach „weiter so“.

Blume: Weiter so ist doch nicht per se schlecht. Bayern steht stark da. Aus dieser Position der Stärke heraus wollen wir Bayern jetzt noch besser machen. Stabilität heißt ja nicht Stillstand. Wir bringen Stabilität und Fortschrit­t zusammen. Wir werden zeigen, dass es für ökologisch­es Bewusstsei­n nicht die Grünen braucht. Wir werden deutlich machen, dass wir sensibel sind für gesellscha­ftliche Veränderun­gen. Wir werden die richtigen Schlüsse aus dem Wahlergebn­is ziehen. So wie Franz Josef Strauß sagte, die falsche Analyse sei Ursache des Niedergang­s, so gilt umgekehrt auch: Die richtige Analyse ist Grundlage für den nächsten Sieg.

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Foto: Ulrich Wagner Markus Blume ist überzeugt davon, dass die CSU mit der richtigen Analyse des Wahlergebn­isses die Grundlage für künftige Wahlsiege legen kann.

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