Geburtshilfe auf der Kippe
Geburtshilfe Hebammen und Ärzte bekommen mehr Geld. Landkreis lässt sich die Sicherung der Entbindungsstationen eine Viertelmillion Euro im Jahr kosten. Ob dadurch der Standort Aichach gesichert werden kann, ist aber noch offen
Die Geburtshilfe am Aichacher Krankenhaus steht mittelfristig auf der Kippe. Der Landkreis versucht vorerst, den Standort mit mehr Geld zu sichern.
Aichach-Friedberg Wie lassen sich die Geburtsstationen an den beiden Kliniken an der Paar dauerhaft sichern? Der zuständige Werkausschuss des Kreistags hat dazu jetzt ein Maßnahmenpaket verabschiedet, das auch mit Hebammen und Frauenärzten abgestimmt ist. Landrat Klaus Metzger betonte gestern den guten Willen aller Beteiligten, wies aber auch auf Unsicherheiten hin. So ist weiterhin nicht ausgeschlossen, dass die Geburtshilfe in Aichach mittelfristig geschlossen werden muss.
Wie berichtet, war die Entbindungsstation in der Kreisstadt im Sommer bereits einige Wochen dicht, weil es dort nicht genügend Hebammen gibt. Auch in Friedberg kursierten im September Gerüchte um eine Schließung zum Jahresende, weil Belegärzte offenbar an eine Kündigung dachten (wir berichteten). Hintergrund ist hier wie dort: Geringe Vergütungen machen für die Hebammen die Arbeit im Kreißsaal uninteressant. Die Mediziner klagen hingegen über rasant steigende Beiträge für die Haftpflichtversicherung. Während für die Hebammen bis zu 60 Prozent der Versicherungsprämien erstattet werden können, gehen die niedergelassenen Mediziner bislang leer aus. Jeder der drei Gynäkologen, die als Belegärzte am Friedberger Krankenhaus tätig sind, müssen zunächst einmal 120 Entbindungen leisten, um das Geld für die Versicherung zu erwirtschaften. Erst dann beginnen sie, Geld für ihre Praxis zu verdienen. Inzwischen wurde die Geburtshilfe am Friedberger Krankenhaus, wo jährlich etwa 700 Entbindungen stattfinden, in ein staatliches Förderprogramm aufgenommen. Die kleinere Station in Aichach bleibt dabei zunächst zwar außen vor. Weil der Landkreis die Kliniken an der Paar allerdings als ein Krankenhaus mit zwei Standorten ansieht, sollen die Zuschüssen beiden Häusern zugutekommen. Folgende Maßnahmen hat der Werkausschuss nun einstimmig beschlossen:
● Hebammen Der Landkreis gibt die staatlichen Fördermittel von 40 Euro pro Geburt an die Hebammen weiter und stockt diese um weitere 40 Euro aus eigener Kasse auf. Das Geld gibt es künftig auch, wenn Aushilfen am anderen Standort geleistet werden. Neue Hebammen erhalten zusätzlich zu den 5000 Euro, die der Freistaat bezahlt, 10 000 Euro vom Landkreis als Starthilfe.
● Frauenärzte Die Belegärzte erhalten 60 Prozent (maximal 30 000 Euro) der auf die Geburtshilfe entfallenden Haftpflichtbeiträge erstattet; hier ist die rechtliche Prüfung aber noch nicht ganz angesprochen.
● Ausbildung Der Landkreis bemüht sich um die Gründung einer Hebammenschule am Aichacher Krankenhaus. Vom Schuljahresbeginn 2020 soll es dort mindestens 18 Ausbildungsplätze geben. Bis der Status einer staatlich anerkannten Schule erteilt wird, trägt der Landkreis das Defizit.
● Kosten Rund 250 000 Euro legt der Kreis für dieses Maßnahmenpaket im Jahr künftig drauf. „Aber mit Geld allein können wir das Problem nicht heilen“, sagte Metzger.
● Probelauf Wichtig ist, dass auch das Personal zur Verfügung steht. Derzeit gibt es in Aichach drei Belegärzte und fünf Hebammen, in Friedberg drei Mediziner und neun Geburtshelferinnen. An beiden Klinik-Standorten könnte aus Sicht der Politik noch aufgestockt werden. Die Hebammen haben sich zu einem Probelauf bis März 2019 bereit erklärt. Laut Landrat Metzger sind sie mit dem Angebot des Landkreises sehr zufrieden.
● Letzte Konsequenz Wenn sich herausstellt, dass dennoch die Entbindungsstation in Aichach nicht am Laufen gehalten werden kann, sehen die Kreisräte nur noch eine Option: In Friedberg würde dann in Zusammenarbeit mit der Uniklinik eine neue Hauptabteilung für Geburtshilfe mit fest angestelltem Personal eingerichtet, was in Aichach aber wegen der weitaus geringeren Fallzahlen – 2016 gab es 318 und im folgenden Jahr 376 Geburten – nicht infrage kommt. Es bliebe in der Kreisstadt höchstens eine gynäkologische Belegabteilung übrig, in der geplante Kaiserschnitte vorgenommen werden. Dann wäre vermutlich aber auch die Hebammenschule hinfällig, weil der Kreis nicht auf eigene Kosten das Personal für auswärtige Krankenhäuser ausbilden will, deutete Metzger an.