Tonlage der Trauer
Ensemble Palestra im Maximilianmuseum
„Der schnelle Tag ist hin, die Nacht schwingt ihre Fahn“– Andreas Gryphius’ bildstarker Satz stand über dem Programm des Ensembles „Palestra Musica“. Im Maximilianmuseum war der Auftritt dieser Spezialisten für Alte Musik im Gedenken an den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges vor 400 Jahren stimmig platziert, um diese Zeit heranzuholen. Augenzeugenberichte zum grausigen Geschehen und der Nachhall schöner, schwarz melancholischer früher Klänge gingen eine paradox-suggestive Verbindung ein.
Peter Pius Irl, charismatischer Rezitator und Schauspieler, verlieh den Texten eine Präsenz, die ihre Wirkung weniger mit exzessiver Gebärde, sondern durch ihre eher statuarische Wucht und Präzision bezog. Die Klagen des barocken Dichters Gryphius über ein Albtraum-Panorama aus Zerstörung, Schändung, „mit Flüssen, von Leichen verstopft“, war die gesprochene Ouvertüre des eindrucksvollen Abends. Ihr folgte als ein Höhepunkt der Simplicius Simplicissimus des Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, in dem aus dem Blickwinkel eines Kindes dessen Wahrnehmungen der Grausamkeiten zwischen ungläubig unschuldiger Perspektive und chirurgisch deutlicher Erzählkunst geradezu dämonisch changieren. Peter Pius Irl modellierte diese apokalyptischen Texte ebenso eindrucksvoll wie die Schilderungen des Andechser Abtes Friesenegger oder der anonymen Kaufbeurer Nonne, die teils schmerzlich bewegt, teils fast reportagehaft mit exakten Fakten die Verwüstungen der marodierenden Kriegsgegner vor Augen führten.
Die Lesungen verbanden Stücke von Spätrenaissance bis Frühbarock durchweg unbekannter Meister, Musik, die durch die fast exotisch anmutende Tonlage und Färbung der alten Instrumente eine bezwingende, meditative Wirkung entfalteten. Michael Eberth an der kleinen, oft virtuos eingesetzten Orgel, die klar artikulierende Hildegard Senninger mit Barockgeige und -viola, Angelika Radowitz am sinnlich schnarrenden Fagott-Vorläufer Dulcian, Günter Holzhausens Viola da Gamba, die nicht nur seidig klingen kann, breiteten eine suggestive Klangbühne aus.