Städte kritisieren Bayerns neue Staatsregierung
Bayern CSU und FW haben viel vor. Doch so manches Ziel ist nur schwammig formuliert
Augsburg/München Der Bayerische Städtetag hat erhebliche Zweifel am Koalitionsvertrag der neuen Staatsregierung. Zwar bescheinigte der Vorsitzende des Städtetags, Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU), den Koalitionspartnern CSU und Freie Wähler „positive Absichten“. Über allen Vorhaben aber schwebe die Frage nach der Finanzierung, sagte Gribl am Mittwoch in München. Das betrifft aus Sicht der Städte vor allem die Schaffung von Wohnraum und die Mobilisierung von Bauland, die Verbesserung der Mobilität und des öffentlichen Nahverkehrs, Bildung und Kinderbetreuung, die Digitalisierung, ein leistungsfähiges Glasfasernetz und den Mobilfunk.
Mit der Konzentration auf die Förderung von ländlichen Räumen lassen sich die Probleme von Ballungszentren nicht automatisch lösen, erklärte Gribl und forderte: „Stadt und Land sind nicht als Gegensatz, sondern als Partner zur Verwirklichung gleichwertiger Lebensverhältnisse zu behandeln.“
Gribl nannte es zum Beispiel „außerordentlich enttäuschend“, dass der Koalitionsvertrag keine Aussagen darüber enthalte, ob die Gelder, die der Bund den Ländern zur Bewältigung der Integration zur Verfügung stelle, auch an die Kommunen weitergeleitet würden. Zudem kritisierte er den Koalitionsvertrag in vielen Punkten als unkonkret und wenig aussagekräftig. Das Bekenntnis zu einem 365-Euro-Jahresticket für den öffentlichen Nahverkehr in Großstädten sei „nach derzeitiger Lage unbezahlbar“, für den Ausbau digitaler Klassenzimmer fehle ein Konzept.
Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) stimmt in diese Kritik ein. „Letztlich können wir als Kommune aufgrund dieser vagen Aussagen keine verbindlichen Planungen auf den Weg bringen. Das ist viel zu wenig für ein Programm der Bayerischen Staatsregierung, mit dem die Ballungsräume, in denen rund drei Viertel der bayerischen Bevölkerung leben, die Herausforderungen der Zukunft meistern sollen“, erklärte Oberbürgermeister Reiter auf Anfrage.
Auch Ludwig Hartmann, der Chef der Grünen im Landtag, sieht sich in seiner Kritik am Koalitionsvertrag bestätigt. Er sagte im Gespräch mit unserer Zeitung: „Markus Söder und Hubert Aiwanger haben in ihrem Drang nach Anerkennung bei all den Verheißungen für die Bürgerinnen und Bürger einfach vergessen, dass am Ende die Städte und Gemeinden für diese Versprechungen geradestehen müssen. Kostenlose Kinderbetreuung, kostenlose Straßenerschließungen, digitale Klassenzimmer – das alles muss auch mit Geldern hinterlegt werden, und die sind weit und breit nicht in Sicht.“Horst Arnold, der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, erneuerte eine langjährige Forderung seiner Partei: „Die Kommunen müssen an den Steuereinnahmen des Staates endlich höher beteiligt werden.“
Kritik – wenn auch aus anderen Gründen – kommt zudem von den Wohlfahrtsverbänden. „Wir haben nicht den Eindruck, dass die Armutsprobleme in Bayern konsequent angegangen werden“, sagte der Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege, Michael Bammessel. Nach seiner Ansicht enthält der neue Koalitionsvertrag zwar einige gute Vorsätze. Häufig fehlten jedoch konkrete Maßnahmen zur Verwirklichung. So stehe etwa der Satz „Langzeitarbeitslosigkeit werden wir weiter bekämpfen“einsam im Vertrag. Hingegen werde „sogar die Zahl der Pferde bei den Reiterstaffeln genau beziffert“, sagte Bammessel.
Ticket für den Nahverkehr hält Gribl für unbezahlbar