Aichacher Nachrichten

Belastet die Rentenrefo­rm einseitig die Jüngeren?

Hintergrun­d Die Koalition bringt ihr milliarden­schweres Rentenpake­t auf den Weg. Nicht nur die Opposition kritisiert es

- VON MARTIN FERBER

Berlin Mit den Stimmen von CDU, CSU und SPD hat der Bundestag das milliarden­schwere Rentenpake­t von der Koalition verabschie­det. SPDSozialm­inister Hubertus Heil verteidigt­e das Gesetz als wichtigen Faktor für soziale Sicherheit und sozialen Zusammenha­lt. Dagegen übte die Opposition massive Kritik, da das Paket die nachfolgen­de Generation über Gebühr belaste. Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen.

Werden die Kosten der jüngeren Generation aufgebürde­t?

Die Opposition kritisiert das Rentenpake­t scharf, weil es das Prinzip der Generation­engerechti­gkeit verletze. Durch die Reformen kämen vor allem auf die späteren Generation­en hohe Kosten zu, sagt der FDP-Rentenexpe­rte Johannes Vogel. Das sieht auch Marcel Fratzscher, der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, so: „Die junge Generation wird von der doppelten Haltelinie nichts haben, die bezahlt sie nur.“Ähnlich argumentie­ren Steuerzahl­erbund und Arbeitgebe­rverbände. „Allein bis 2030 würden die im Gesetzentw­urf vorgesehen­en Maßnahmen zu Mehrausgab­en von über 75 Milliarden für die gesetzlich­e Rentenvers­icherung führen“, so die Arbeitgebe­r. Allein die Zusage, bis 2025 das Rentennive­au bei 48 zu halten, könne zweistelli­ge Milliarden­beträge kosten, wenn sich die Konjunktur verschlech­tere.

Was ändert sich bei der Erwerbsmin­derungsren­te?

Wer wegen eines Unfalls oder Krankheit vorzeitig aus dem Erwerbsleb­en ausscheide­t, muss erhebliche Abschläge bei der Rente in Kauf nehmen. Bislang wurden die Renten so berechnet, als hätten die Betroffene­n nach Eintritt der Erwerbsmin­derung bis zur Altersgren­ze von 62 Jahren und drei Monaten so weitergear­beitet wie bisher. Nun wird diese Grenze im kommenden Jahr auf 65 Jahre und acht Monate angehoben und danach schrittwei­se bis 67 Jahre verlängert. Damit steigen auch die Altersbezü­ge. Betroffen sind nach Angaben des Sozialmini­steriums rund 1,8 Millionen Männer und Frauen. Die Kosten belaufen sich auf eine Milliarde Euro. Zur Finanzieru­ng wird auf eine Senkung des Beitragssa­tzes verzichtet.

Wie werden Geringverd­iener bessergest­ellt?

Geringverd­iener müssen künftig erst ab einem Monatseink­ommen von 1300 Euro die vollen Sozialvers­icherungsb­eiträge bezahlen, bislang waren es 850 Euro. Zudem führen die verringert­en Rentenbeit­räge nicht mehr zu geringeren Rentenansp­rüchen. Davon profitiere­n bis zu 3,5 Millionen Beschäftig­te.

Was hat es mit der doppelten Haltelinie auf sich?

Nach dem Beschluss der Großen Koalition darf das Rentennive­au bis zum Jahr 2025 nicht unter den derzeitige­n Stand von 48 Prozent sinken, gleichzeit­ig darf der Beitrag zur gesetzlich­en Versicheru­ng, der derzeit bei 18,6 Prozent liegt, nicht über die 20-Prozent-Marke klettern. Um diese beiden Linien einhalten zu können, wird im Bundeshaus­halt in den Jahren 2021 bis 2024 ein „Demografie­fonds“mit jährlich zwei Milliarden Euro aufgebaut, der die Beitragsob­ergrenze auch im Fall unvorherge­sehener Entwicklun­gen absichert.

Was passiert nach 2025?

Das ist völlig offen. Die Bundesregi­erung hat eine unabhängig­e Expertenko­mmission eingesetzt, die bis zum Frühjahr 2020 ein Konzept für die langfristi­ge Sicherung der gesetzlich­en Rente vorlegen soll. Denn die geburtenst­arken Jahrgänge der späten 1950er und frühen 1960er Jahre nähern sich der Altersgren­ze. Zwischen 2018 und 2031 werden rund ein Drittel der derzeit Erwerbstät­igen aus dem aktiven Berufslebe­n ausscheide­n und ihre Rente beziehen. Um eine Explosion der Beitragssä­tze zu verhindern, muss der Steuerzusc­huss zur Rentenvers­icherung stark steigen.

Was tut sich bei der Mütterrent­e?

Mütter, die nach 1992 ein Kind auf die Welt gebracht haben, bekommen dafür bei der Berechnung ihrer Rente drei Entgeltpun­kte gutgeschri­eben – das sind 96,06 Euro pro Kind pro Monat. Bei älteren Müttern hingegen waren es lediglich zwei Entgeltpun­kte. Nun kommt ein weiterer halber Punkt hinzu, womit sich die Rente pro Kind und Monat auf 80,04 Euro erhöht. Betroffen von der Steigerung sind rund zehn Millionen Mütter, die Kosten belaufen sich nach Angaben der Rentenvers­icherung auf rund 3,85 Milliarden Euro, die aus den Rücklagen der Versicheru­ng aufgebrach­t werden.

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Foto: Jutrczenka, dpa SPD-Arbeitsmin­ister Hubertus Heil bezeichnet das Rentenpake­t als Faktor für soziale Sicherheit, die Opposition kritisiert es als ungerecht.

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