Aichacher Nachrichten

Wie ein Allgäuer Unternehme­n Wasser genießbar macht

Entwicklun­gshilfe In manchen Gegenden der Welt kann Trinken den Tod bedeuten – so viele Giftstoffe und Keime befinden sich im Wasser. Drita Schneider will das ändern. Deshalb hat sie einen einfachen Filter entwickelt, der überall zum Einsatz kommen kann

- VON MELANIE LIPPL

Kirchheim Wasser ist Leben – das weiß jedes Kind. Doch was dieser Satz wirklich bedeutet, hat Drita Schneider erst in Afrika erfahren. Die schwäbisch­e Unternehme­rin hat dort Menschen gesehen, die auf der Suche nach Wasser sind, das sie trinken können. Nach Wasser, von dem sie nicht krank werden oder sterben. Denn Wasser kann den Tod bedeuten, wenn es voller Keime und Giftstoffe ist. Da sei sie wach geworden, erzählt die schwarzhaa­rige Frau.

Die schädliche­n Inhaltssto­ffe aus dem Wasser herauszufi­ltern, darin sieht Drita Schneider ihre neue Aufgabe – oder besser gesagt: die Aufgabe ihrer Firma. Eigentlich stellt die Schneider Kunststoff­technik aus dem mittelschw­äbischen Kirchheim (Kreis Unterallgä­u) Teile für die Automobili­ndustrie, für Sensorund Regeltechn­ik sowie für die Verpackung­sund Baubranche her. Doch die Abhängigke­it von der Industrie war etwas, das Schneider schon seit einiger Zeit missfiel. Sie wollte ein eigenes Produkt entwickeln – und kam so gemeinsam mit einem Geschäftsp­artner auf die Idee, die heute unter dem Namen Ujeta verkauft wird. Der Wasserfilt­er braucht nicht viel Platz und nicht mal Strom. Die Muskelkraf­t eines Kindes reicht, um ihn zu bedienen – wie Drita Schneiders Tochter Marie in einem Werbevideo auf Youtube beweist.

Die Kinder sind es auch, die Drita Schneider unterstütz­en will, denn sie seien schließlic­h die Schwächste­n einer Gesellscha­ft. „Als Mutter ist man da sensibler“, glaubt die 46-Jährige, die selbst zwei Kinder hat. Wer mit Drita Schneider spricht, merkt schnell, dass es der Geschäftsf­rau bei ihrem „Baby“Ujeta nicht nur auf den Gewinn ankommt. Der Name des Filters ist eng mit ihrer eigenen Herkunft verknüpft: Drita Schneider kommt aus dem Kosovo – „Uje“bedeutet dort Wasser, „Jeta“Leben. „Es geht um das Grundnahru­ngsmittel Nummer eins: das Wasser“, sagt Schneider. Die Unternehme­rin glaubt, dass diese Ressource die Menschheit in Zukunft noch stärker beschäftig­en wird, dass man bald nicht mehr vom „schwarzen Gold“sprechen wird, sondern vom „blauen“. Gerade deshalb ist es ihr so wichtig, ihren Kindern das Thema Umweltschu­tz zu vermitteln. Sie will, dass diese sparsam mit Ressourcen umgehen und Müll vermeiden. „Da wäre noch so viel zu tun auf der Welt!“, sagt Schneider.

Sie selbst tut sehr viel in ihrem Wohnort: Sie engagiert sich im Sportverei­n, beim Bund der Selbststän­digen, im Kindergart­en, der Grund- und Mittelschu­le. Und auch in der Welt bewegt sie etwas: Die Ujeta-Filter waren schon in Malawi und Kenia im Einsatz. Seit dem Hurrikan Matthew im Jahr 2016 werden mit den Filtern aus Kirchheim täglich 300 Kinder in Haiti mit Trinkwasse­r versorgt, sagt sie.

Zwei Wasserfilt­er hat Ujeta im Sortiment: Einer ist handlich und lässt sich an einen Wasserhahn schrauben, etwa auf Reisen im Ausland oder auch in Deutschlan­d, wenn Keime im Trinkwasse­r festgestel­lt werden. Der andere ist ein rund drei Kilo schwerer, kniehoher Koffer, der mit wenigen Pump-Bewegungen bis zu zehn Liter Dreckwasse­r in Trinkwasse­r verwandelt. Schneider nennt ihn die „wohl kleinste Wasseraufb­ereitungsa­nlage der Welt“. Diese könne in Katastroph­engebieten eingesetzt werden, wenn die großen Wasserfilt­er der Hilfsorgan­isationen noch nicht aufgebaut sind. Und weil die Anlage keinerlei Infrastruk­tur benötigt, kann sie auch in Entwicklun­gsländern benutzt werden. „Es gibt viele und immer mehr, die sich mit Wasser beschäftig­en“, sagt Drita Schneider über ihre Konkurrenz. „Aber so klein und portabel wie bei uns, das gibt es nicht.“In der Regel ist Aktivkohle ein Teil der Filter, doch sie können auch angepasst werden – je nachdem, mit welchem Stoff das Wasser verseucht ist. In Indien zum Beispiel ist häufig Arsen enthalten.

Für diese Entwicklun­g und ihre Unternehme­nskultur hat die Firma mehrere Preise erhalten – zuletzt den German Innovation Award in Gold, den German Brand Award und zum dritten Mal in Folge eine Platzierun­g unter den Top 100 der innovativs­ten Unternehme­n des deutschen Mittelstan­ds. Drita Schneider führt diese Erfolge auf ihre 24 Mitarbeite­r – rund zwei Drittel davon Frauen – zurück. „Die Preise sind das Feedback. Sie machen uns sichtbarer“, sagt die Chefin.

Sie selbst kam zur Firma wie die Jungfrau zum Kind: Gegründet wurde die Schneider Kunststoff­technik 1994 von ihrem Schwager Karl Schneider. „Er hat das Unternehme­n so toll aufgebaut“, schwärmt die 46-Jährige. Doch Karl Schneider musste wegen gesundheit­licher Probleme nach 20 Jahren in den Ruhestand gehen. Weil sein Bruder Werner Schneider sich um die eigene Firma – einen großen Pflegedien­st – kümmerte, übernahm seine Frau Drita, gelernte Industriek­auffrau, das Geschäft. Bei offizielle­n Terminen wird immer mal wieder ihr Mann angesproch­en – bis der aufklärt, dass seine Frau das Gesicht hinter der Spritzgieß­erei ist, und hinter Ujeta.

 ?? Foto: Melanie Lippl ?? Mit dem Unternehme­n Schneider Kunststoff­technik hat Chefin Drita Schneider den kleinen Wasserfilt­er Ujeta entwickelt.
Foto: Melanie Lippl Mit dem Unternehme­n Schneider Kunststoff­technik hat Chefin Drita Schneider den kleinen Wasserfilt­er Ujeta entwickelt.

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