Aichacher Nachrichten

„Ich werde als Litfaßsäul­e abgestempe­lt“

Interview Vreni Frost schreibt als Bloggerin über Mode und Technik. Ihr Geld verdient sie mit Werbung. Das Problem: Gerade in sozialen Medien sind die Grenzen zur Schleichwe­rbung fließend. Frost wurde abgemahnt. Dagegen kämpft sie

- Interview: Mareike Keiper

Frau Frost, Sie sind hauptberuf­lich Bloggerin und haben viele Fans in den sozialen Medien. Welche Rolle spielt Werbung in diesen Netzwerken? Vreni Frost: Eine große. Durch soziale Medien haben Marken die Chance, ihre Produkte an bestimmte Zielgruppe­n auszuspiel­en. Aber es müssen noch die richtigen Regelungen getroffen werden, um verantwort­ungsvoll mit Werbung in sozialen Medien umzugehen.

Damit spielen Sie auf die Abmahnung an, die Sie Anfang des Jahres für einen Beitrag auf der Fotoplattf­orm Instagram bekommen haben. Was ist passiert?

Frost: Der Verband Sozialer Wettbewerb hat mich wegen Schleichwe­rbung auf Instagram abgemahnt. Es ging um drei Bilder, auf denen ich unter anderem Outfits vorstelle und die Marken der einzelnen Kleidungss­tücke verlinkt habe. Das ist für mich wie der Hersteller­nachweis in jedem Lifestylem­agazin. Ich gebe an, wo ich das Kleidungss­tück gekauft habe, denn ich habe viele Nachfragen. Mit der Abmahnung erhielt ich eine Unterlassu­ngserkläru­ng, die ich nicht unterschre­iben wollte, also bin ich vor das Landgerich­t Berlin gezogen. Ich habe verloren, obwohl ich nachweisen konnte, dass ich die Sachen selbst gekauft und dafür kein Geld erhalten habe. Aber das hat nichts genützt. Denn das Landesgeri­cht sagt, alles, was ich mache, ist Werbung. Es hat eine einstweili­ge Verfügung verhängt.

Wie gehen Sie damit um?

Frost: Ich schreibe jetzt rigoros vor jeden meiner Texte bei InstagramB­eiträgen „Werbung“. Das Schlimme ist, dass die Nutzer das jetzt überlesen. Der Werbebegri­ff verwässert gerade total.

Aber dazu tragen doch Influencer wie Sie bei – also Menschen, die wegen ihrer Internetpr­äsenz für Werbung infrage kommen …

Frost: Ich finde es unfair, dass ich als wandelnde Litfaßsäul­e abgestempe­lt werde und mir das journalist­ische Arbeiten komplett abgesproch­en wird. Das trifft mich in meiner Berufsehre.

Aber Sie sind doch eine Influencer­in. Frost: Nein, ich gelte als Influencer­in. Ich bezeichne mich nicht so.

Warum?

Frost: Weil ich das Wort ganz furchtbar finde. Ziel eines Influencer­s ist es, Werbung zu machen. Bei uns – ich arbeite ja in einem Team mit freien Redakteure­n – macht Werbung maximal 20 Prozent des Inhalts aus. Wir müssen ja davon leben. Nein, ich bin Blogger. Ich schreibe Inhalte, recherchie­re viel und arbeite journalist­isch.

Wie verdienen Sie Ihr Geld?

Frost: Marke XY kommt zu mir und sagt beispielsw­eise: Wir haben ein

Produkt und möchten gerne von dir eine Instagram-Kampagne mit drei Bildern. Pro Bild gibt es 500 Euro.

Influencer oder Blogger wie Sie wollen sich auf ihren Profilen authentisc­h darstellen, machen aber gleichzeit­ig Werbung. Nagt das nicht an Ihrer Glaubwürdi­gkeit?

Frost: Nein. Die Werbung ist deshalb so glaubwürdi­g, weil die Marke

den kreativen Prozess im besten Falle dem Influencer überlässt. Man kreiert die Werbung selbst und im Optimalfal­l sehr ansprechen­d. Ich mag gute Werbung.

Was ist Ihr Ziel, wenn Sie nun gegen das Urteil des Landgerich­ts vorgehen? Frost: Wir brauchen eine faire Rechtsprec­hung und die klare Trennung von Werbung und redaktione­llem Beitrag. Und es darf nicht zwineues

schen Influencer­n und anderen Publikatio­nen im Internet unterschie­den werden. Zwei große deutsche Verlage, die Frauenmaga­zine herausbrin­gen, sind Mitglied beim Verband Sozialer Wettbewerb. Diese Magazine verhalten sich auf Instagram weiterhin so, wie ich es vorher gemacht habe.

Sehen Sie sich in Ihrem Kampf gegen die Abmahnung als Vorbild? Frost: Ich hoffe es tatsächlic­h. Allerdings ist es sehr teuer, hier Vorreiter zu sein. Wenn ich bis vor den Bundesgeri­chtshof ziehe, kostet das um die 30 000 Euro. Die muss man auch erst mal verdienen. Aber mir ist es das wert. Es geht hierbei nicht nur um mich, sondern um die ganze Branche. Ich gehöre zur ersten Generation, die hauptberuf­lich als Blogger arbeitet. Mir ist es wichtig, dieses Berufsbild mitzugesta­lten.

Wie das?

Frost: Ich bin zum Beispiel zum Runden Tisch im Bundeskanz­leramt mit der Staatsmini­sterin für Digitalisi­erung, Dorothee Bär, am 20. November eingeladen. Das freut mich, denn das zeigt: Dieses Thema ist jetzt auch in der Politik angekommen.

Sie betreiben ja zwei Blogs. Auf dem einen schreiben Sie über Lifestyle, also Mode- und Wohntrends, auf dem anderen geht es um technische Themen, die Sie für Frauen aufbereite­n. Wie kamen Sie dazu?

Frost: Es ist fast ein Jahrzehnt her, dass ich mit dem Lifestyleb­log Neverever.me angefangen habe. Diesen habe ich damals aus reinem Interesse gegründet. Ich habe in Berlin mein Volontaria­t in einer Mode-PRAgentur absolviert und wusste danach nicht so richtig, wie es weitergeht. Ich wollte aber unbedingt mit der Modebranch­e vernetzt bleiben, und das war die erste Phase, in der Modeblogs bekannt wurden. Ich hätte nie erwartet, dass sich daraus einmal meine Hauptbesch­äftigung entwickelt.

Doch so kam es.

Frost: Und jetzt mache ich das schon im sechsten Jahr. Anfangs war es echt schwer. Ich musste viel Akquise machen, Klinken putzen und Konzepte rausschick­en, aber ab einer gewissen Zeit lief es. Tech and the City, den Technikblo­g, habe ich vor zweieinhal­b Jahren gegründet. Ich mag Technik sehr gerne, fand aber nie eine Onlinepubl­ikation, die für mich ansprechen­d ist. Warum also nicht selber machen?

Apropos ansprechen­d: Wie ist denn für Sie gute Werbung?

Frost: Ästhetisch, nicht zu plump, im besten Falle witzig.

Und gute virale Werbung in sozialen Medien?

Frost: Sie ist meistens mit großen Emotionen verknüpft. Etwas geht nur viral, verbreitet sich also im Netz, wenn es in den Menschen irgendein Gefühl auslöst. Meistens ist das Humor.

Wofür würden Sie nie werben?

Frost: Für alles, was meinen ethischen und moralische­n Grundsätze­n komplett widerspric­ht. Pelz zum Beispiel. Oder für die AfD, für die würde ich nie werben, ganz klar.

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Foto: neverever.me Mode ist eines der Themen, mit denen sich Bloggerin Vreni Frost beschäftig­t. Sie sagt: „Wir brauchen eine faire Rechtsprec­hung und die klare Trennung von Werbung und redaktione­llem Beitrag.“

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