Aichacher Nachrichten

Müllgebühr­en im Sinkflug

Kreistag Ab Januar bezahlen Bürger für die kleinste Tonne nur noch 97,20 Euro. Das ist umgerechne­t zur Kaufkraft weniger als ein Drittel der Gebühr vor 20 Jahren. Geht’s so weiter oder wird es durch die Gelbe Tonne mittelfris­tig wieder teuer?

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Aichach-Friedberg Im neuen Jahr kommt mit der „Gelben“nicht nur die vierte Tonne (für Leichtverp­ackungen) ins Wittelsbac­her Land – derzeit läuft die Auslieferu­ng. Ab Januar sinken auch die Müllgebühr­en – zum sechsten Mal in Folge in zwei Jahrzehnte­n (wir berichtete­n). Der Kreistag hat die neuen Tarife jetzt einstimmig verabschie­det. Sie liegen im Schnitt um rund zehn Prozent unter den aktuellen Gebühren, die im Kreis seit Juli 2015 gelten.

Das kleinste Müllgefäß (60 Liter) kostet dann inclusive Biotonne 97,20 Euro im Jahr. Derzeit werden noch 108 Euro fällig. Bis Anfang 1999 bezahlten die Bürger im Kreis noch umgerechne­t 235,60 Euro für eine 70-Liter-Tonne (damals das kleinste Restmüllge­fäß) plus Biotonne. Rechnet man den Kaufkraftv­erlust durch die Inflation mit ein, haben sich die Kosten für eine vergleichb­are Müllentsor­gung in Aichach-Friedberg in 20 Jahren auf weniger als ein Drittel reduziert.

Michael Haas, Sachgebiet­sleiter der Kommunalen Abfallwirt­schaft, stellte die Rahmenbedi­ngungen für die Neuberechn­ung in der Sitzung noch einmal vor. Die Gebührense­nkung ist möglich, weil rund 7,8 Millionen Euro Gewinnvort­rag im Sparstrump­f der Gebührenza­hler schlummern. Dazu kommt, dass die Müllverbre­nnung im Lechhausen deutlich wirtschaft­licher arbeitet als früher. Die Anlage ist abgeschrie­ben, technische Änderungen sorgen für mehr Effektivit­ät, die Kosten für die Verbrennun­g sind gesunken. Auch die Rekommunal­isierung der Abfallverw­ertung AVA, die inzwischen wieder ganz im Eigentum von Stadt und den Kreisen AichachFri­edberg und Augsburg ist, schlägt positiv zu Buche: Unter anderem fällt ab 2019 keine Mehrwertst­euer mehr an. Die Anlage in Lechhausen verdient zudem durch den Verkauf von regenerati­v erzeugter Energie (Strom und Fernwärme) durch Biomüll-Vergärung, Photovolta­ik und Verbrennun­g gutes Geld.

Dafür muss der Rückstellu­ngsanteil des Landkreise­s an den Nachsorgek­osten an der Hausmüllde­ponie Gallenbach für die nächsten 22 Jahre noch mal aufgestock­t werden: Um 1,25 Millionen auf dann 3,7 Millionen Euro. Diese Entwicklun­g ist genau gegenläufi­g zu den Müllgebühr­en – die Nachsorgek­osten steigen seit Jahrzehnte­n kontinuier­lich und der notwendige Zeitraum wird stetig nach hinten geschoben.

Unterm Strich ergibt sich für den nächsten dreijährig­en Kalkulatio­nszeitraum im Hausmüllbe­reich (2019 bis Ende 2021) ein Gebührenvo­lumen von rund 25 Millionen Euro, also 8,5 Millionen pro Jahr. Bei einer Gesamtmeng­e von rund vier Millionen Liter Restmüll ergibt sich ein Preis von 1,62 Euro pro Liter. Dieser Betrag wird linear auf die verschiede­nen Müllgefäße angewandt. Mit Blick auf andere Kreise schneidet Aichach-Friedberg nach den Gebührense­nkungen gut ab. Der Vergleich ist aber komplizier­t, weil die Gebührenmo­delle recht unterschie­dlich sind. Im Landkreis ist zum Beispiel eine Sperrmüll-Abholung dabei, bei anderen wird eine Extra-Gebühr verlangt.

SPD-Kreisrat Karl-Heinz Schindler, im Umweltauss­chuss seit zwei Jahrzehnte­n mit dem Thema befasst, wünscht sich, dass der seit den 70er- und 80er-Jahren müllbewegt­e Landkreis mit der Entwicklun­g der Kosten und auch durch die Einführung der Gelben Tonnen „seinen Frieden findet“. Es sei in dieser Zeit vieles erreicht worden. Wichtig sei jetzt noch ein neues Konzept für die Wertstoffh­öfe. Sein Fraktionsc­hef Roland Fuchs stimmte zu, transporti­erte aber auch zwei Fragen, die an ihn herangetra­gen wurden: Sei die Rekommunal­isierung der AVA verschlepp­t und damit Geld der Gebührenza­hler verschwend­et worden? Antwort Landrat Klaus Metzger (CSU): „Ein klares Nein.“Die Rekommunal­isierung der Abfallverw­ertung sei eine hochkomple­xe Aufgabe und enorm aufwendig gewesen. Fuchs-Frage zwei: Wäre die Gebührense­nkung ohne Einführung der Gelben Tonne noch deutlich höher ausgefalle­n? Antwort Michael Haas: Richtig sei, dass durch die Tonne Einnahmen für die Mitnutzung der Wertstoffh­öfe wegefallen. Die Abfallwirt­schaft stehe derzeit in Verhandlun­gen mit den Dualen Systemen. Die Gebühren hätten also ohne „Gelbe“vielleicht um ein oder zwei Prozent mehr gesenkt werden können. Durch die Tonne hätten die Bürger aber mehr Service, erinnerte Haas.

Für Marion Brülls (Grüne) ist die Gebührense­nkung ein Erfolg des Bringsyste­ms. Die Bürger hätten auf den Recyclingh­öfen sauber getrennt, so Müll vermieden und mit dem Wechsel zum Holsystem würden die Mengen steigen: „Warten wir mal ab, wie sich das entwickelt.“Die Landkreise in der Nachbarsch­aft mit Gelber Tonne hätten durchwegs höhere Gebühren: „Ich wage deshalb die Prognose, dass es auch bei uns wieder nach oben geht.“Dem widersprac­h Landrat Metzger: Der Landkreis Augsburg habe auch nach Einführung des Gelben Sacks die Tarife gesenkt.

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