Die Frauen nahe den Päpsten
Geschichte Im Petersdom im Vatikan liegen auch vier Frauen begraben. Wer waren diese königlichen Gestalten? Die Augsburger Historikerin Martha Schad ging der Sache nach
148 Päpste liegen im Petersdom und in seinen Grotten begraben. Und vier Frauen, lauter Königinnen, die ohne Land im römischen Exil gestorben sind. Drei davon werden sogar mit prächtigen Grabdenkmälern in der Basilika geehrt – ohne dass sie Selige oder Heilige wären. Was ist ihr Geheimnis? Die Augsburger Historikerin Martha Schad ist neugierig geworden und hat wieder einmal die unterbelichtete Geschichte bedeutsamer Frauenfiguren ausgeleuchtet. Ihr Buch mit dem Titel „Die Päpste liebten sie“könnte auf den ersten Blick zu falschen Vermutungen verleiten. Geliebte der Päpste waren die vier Frauen nicht, wohl aber unbeugsame Kämpferinnen für die katholische Sache.
Markgräfin Mathilde von Tuszien (1046–1115) war die mächtigste Frau ihrer Zeit und stand im Ruf einer „gefürchteten Kriegerin“, wie Professor Hans Maier bei der Buchvorstellung im Münchner Presseclub betonte. Mathilde war erfüllt von tiefer Frömmigkeit, erfolgreich als Politikerin und die große Verbündete von Papst Gregor VII. Womit sie sich zur Erzfeindin von König Heinrich IV. machte, der dem Papst beim Recht auf die Einsetzung von Bischöfen trotzte. Um den Bann zu lösen, trat er im Januar 1077 den Gang nach Canossa an – Mathildes stark befestigte Burg. Freunde wurden Heinrich und Gregor nie mehr. Der König zog in den Krieg gegen Rom und Mathilde erklärte er zur ehrlosen Hochverräterin. Sie musste weitere Demütigungen als Politike- rin im Strudel des erbittert ausgetragenen Machtkampfes hinnehmen, doch nie wurde sie gebrochen. Noch kurz vor ihrem Tod mit 69 Jahren eroberte sie Mantua zurück. In den Petersdom gelangte ihr Leichnam erst 500 Jahre später, als Papst Urban VIII. dort für die berühmtesten Toten Italiens ein Grabmal errichten lassen wollte. Mantua war empört über den heimlichen Raub.
Christine von Schweden (1626– 1689), die 1654 als Königin abdankte und zum Katholizismus übertrat, ist die schillerndste Figur des vatikanischen Frauenquartetts. „Nicht alle Päpste liebten diese eigenwillige Adoptivtochter der katholischen Kirche“, schreibt Historikerin Martha Schad. Christine war die Tochter Gustav Adolfs, regierte seit 1644 in Stockholm, wirkte wesentlich am Westfälischen Frieden 1648 mit und verhalf den Augsburger Protestan- ten mit 6300 Gulden aus der Privatschatulle zum Wiederaufbau der Heilig-Kreuz-Kirche. Allerdings sympathisierte sie heimlich mit den Jesuiten. Nach ihrer Konversion reiste sie in Männerkleidern aus.
Wo sie ankam, suchte sie den großen Auftritt, der Barockbaumeister Gian Lorenzo Bernini ließ 1655 in Roms Porta del Popolo einmeißeln: „Ihrem glücklichen und gesegneten Einzug geweiht“. Zur Durchsetzung ihrer Interessen schreckte sie später selbst vor einem Mord nicht zurück. Was kein Abbruch daran tat, dass die Päpste sie wertschätzten und in St. Peter beisetzten. Freilich: 1965 wurde ihr Sarkophag geöffnet und ein schwedischer Anatom untersuchte das Skelett der Königin nach intersexuellen Merkmalen.
Wenig glorios waren die Schicksale der anderen beiden Frauen. Charlotte von Lusignan-Savoyen (1444–1487) verlor den Kampf um ihr rechtmäßiges Erbe als Königin von Zypern gegen ihren intriganten Halbbruder. Von ihrem Mann verlassen, verarmt und gedemütigt nehmen sich drei Päpste ihrer an. Maria Clementina Stuart von England (1702–1735) sollte schließlich die Königin „mit dem traurigsten Schicksal, aber dem schönsten Grabmal“(Schad) werden. Die polnische Prinzessin ehelichte den aus England verjagten James III. Die Ehe stand unter keinem guten Stern. Zwei Mal floh Maria Clementina ins Kloster, unterlegen im Streit mit ihrem Gemahl um die rechte Erziehung
Eine Frau als Erzfeind des deutschen Kaisers
Die letzte katholische Königin Englands
der zwei Söhne. Kränklich und im Ruf wundertätiger Heiligkeit starb sie mit 32 Jahren. Die Trauerfeier geriet so pompös, als wäre ein Papst gestorben. Sie war die letzte katholische Königin Englands.
Seit bald 30 Jahren erforscht die freiberufliche Historikerin ihre Frauengeschichten. „Frau Schad war eine Pionierin auf diesem Gebiet“, sagt der ehemalige Kultusminister Hans Maier. Sie porträtierte Bayerns Königinnen, Stalins Tochter, Hitlers Spionin und die mächtige Frau an der Seite von Pius XII., die deutsche Schwester Pascalina. Ans Aufhören denkt Schad jetzt, doch ein Projekt hätte die 79-Jährige noch: Von den 140 Heiligenfiguren auf den Bernini-Kolonnaden um den Petersplatz sind 40 weiblich – dem sollte man mal nachgehen … ⓘ
Martha Schad: Die Päpste liebten sie. Die königlichen Frauen in St. Peter in Rom, Verlag Langen Müller, 203 Seiten, 22 Euro.