Aichacher Nachrichten

Stadtteile ohne Mitte

Geschäfte und Einrichtun­gen ziehen sich zurück. Jüngstes Beispiel ist die Post in Hochzoll. Die Stadt steuert dagegen, doch das reicht wohl nicht. Das liegt auch an uns allen

- VON STEFAN KROG skro@augsburger-allgemeine.de

Es ist eine Erosion, die schon vor etwa 20 Jahren begonnen hat: Erst gab die Post ihre Filialen auf (wie zuletzt in Hochzoll), dann folgten Banken wie die Stadtspark­asse. Begleitet wurde das alles davon, dass Einzelhänd­ler aufgaben und keine Nachfolger kamen. Viele Stadtteilz­entren in Augsburg haben in den vergangene­n Jahrzehnte­n einen Wandel durchgemac­ht, der nicht zum Positiven ging – nicht überall, aber in manchen Stadtteile­n schon augenfälli­g. Es gibt vitale Stadtteilz­entren wie die Augsburger Straße in Pfersee, aber es gibt Problemste­llen wie die Hofackerst­raße in Haunstette­n.

Für die Bürger bedeutet es häufig weitere Wege, wenn Einrichtun­gen der Versorgung schließen. Wenn Supermarkt, Drogerie oder Schreibwar­engeschäft verschwind­en, dann bringt das gerade für Menschen ohne Auto Probleme mit sich. Die Zahl der Geschäfte in den Augsburger Stadtteilz­entren hat zwischen 2009 und 2016 um etwa zehn Prozent abgenommen, in den sogenannte­n Nahversorg­ungszentre­n (z. B. durch den Weggang von Rewe im Bärenkelle­r und Edeka in Hochzoll-Süd) um 21 Prozent, so das Einzelhand­elsgutacht­en der Stadt Augsburg. Die Zahl der Geschäfte, die in einem Stadtteil baulich integriert sind, sinkt also. Immerhin stieg zuletzt die Zahl der Märkte auf der „Grünen Wiese“nicht mehr wesentlich an.

Sie sind mit ein Grund, warum es für den Einzelhand­el in den Hauptstraß­en der Stadtteile enger wird. Anfang der 2000er-Jahre wuchsen sie aus dem Boden. Die Probleme der Hofackerst­raße in Haunstette­n lassen sich in direkten Zusammenha­ng bringen mit dem Wachsen des Gewerbegeb­iets am Unteren Talweg in einem Kilometer Entfernung. Die Geschäfte auf der Grünen Wiese sind größer, Parkplätze sind vor der Tür. Hand aufs Herz: Wer heute in den Supermarkt gehen würde, wie er ihn vor 30 Jahren in der Nachbarsch­aft hatte, würde sich angesichts der Enge, des kleinen Sortiments und vielleicht auch der fehlenden Parkplätze erst einmal die Augen reiben. Und nicht anders ist es mit Mode- oder Schuhgesch­äften, die sich im Stadtteil zunehmend schwertun – sie leben noch von der (älteren) Stammkunds­chaft, die mit Online-Handel nichts am Hut hat.

Die Entwicklun­g ist eine Folge eines geänderten Konsumverh­altens. Sich den Supermarkt vor der Tür zu wünschen, wo man jederzeit schnell die Tüte Milch holen kann, passt nicht, wenn man sich im Alltag den Zehner-Pack H-Milch im Discounter kauft. Ein Stück weit haben wir es alle selber in der Hand, wie der Einzelhand­el im eigenen Stadtteil aussieht.

Aber natürlich ist es auch an der Stadt, die Dinge zu steuern. Sie hat die Planungsho­heit – wo ein neues Gewerbegeb­iet entsteht und welche Einzelhand­elssortime­nte sich dort ansiedeln dürfen, bestimmt sie. Auch, wie Stadtteil-Hauptstraß­en auszusehen haben, regelt die Stadt. Wo die Hauptachse­n sich als breite hochbelast­ete Straße darstellen (etwa Haunstette­n), wird es schwierig, weil sich niemand dort gerne aufhält. Selbst der Rückbau von Straßen im Zuge von Tramlinien (Donauwörth­er und Friedberge­r Straße) macht, ungeachtet der Verkehrsfo­lgen, keine Wohlfühlst­raße. Die Probleme in einigen Stadtteile­n rühren – neben den Eigenheite­n wie der Bevölkerun­gsstruktur und der Kaufkraft – aus Fehlern der Vergangenh­eit her.

Immerhin packt die Stadt die Probleme an. Stadtteili­nitiativen werden gefördert, in etlichen Vierteln laufen Sanierungs­projekte und es werden städtebaul­iche Konzepte erstellt. Das Ziel ist überall, die Stadtteile und ihre Zentren zu stärken – sei es in Lechhausen, in Hochzoll (Zwölf-Apostel-Platz), in Haunstette­n, Oberhausen, Jakobervor­stadt und und und. Allerdings dauert es Jahre, bis aus Konzepten auch etwas wird. Bei all dem geht es um mehr als darum, dass jeder einen Bäcker in der Nähe hat. Angesichts des rasanten Wandels im Handel muss Stadtteile­ntwicklung künftig vielleicht auch stärker ohne Geschäfte gedacht werden. Es ist nicht wünschensw­ert, aber vielleicht nicht aufhaltbar, dass die Zahl der Stadtteill­äden abnimmt.

Es geht eigentlich darum, dass Stadtteile eine Mitte haben müssen, wo soziales Leben stattfinde­n kann und wo man sich über den Weg läuft – öffentlich­e Plätze (am besten mit Wochenmark­t), Kirchen, Begegnungs­zentren, Schulen als Motoren von Stadtteile­ntwicklung, vielleicht auch Behörden wie die Bürgerbüro­s.

All das gibt dem Stadtteil ein Gesicht und gibt den Bewohnern eine Identität.

Es muss Orte geben, wo man sich treffen kann

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Die Hofackerst­raße in Haunstette­n hat als Einkaufsst­raße in Haunstette­n einen Bedeutungs­verlust erlitten. Immerhin hält Woolworth dem Standort noch die Treue. Die Stadt denkt über Verbesseru­ngen nach.
Foto: Silvio Wyszengrad Die Hofackerst­raße in Haunstette­n hat als Einkaufsst­raße in Haunstette­n einen Bedeutungs­verlust erlitten. Immerhin hält Woolworth dem Standort noch die Treue. Die Stadt denkt über Verbesseru­ngen nach.
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