Aichacher Nachrichten

Thema der Woche

-

Frau Dabbelt, Sie haben sich im Herbst 2015 beim Verein „Tür an Tür“als Ehrenamtli­che gemeldet. Seither geben Sie dort Deutschkur­se. War die Flüchtling­swelle der Grund dafür, dass Sie dort eingestieg­en sind?

Evita Dabbelt: Nein. Ich habe das eigentlich gar nicht so mitbekomme­n. Ich hatte sowieso vor, mich in der Flüchtling­sarbeit zu engagieren. Ich habe im Internet vom Verein „Tür an Tür“gelesen. Das war für mich mit ein Grund, für das Studium nach Augsburg zu gehen. Ich hatte auch schon vorher, bei mir zuhause, einem Mädchen aus Armenien geholfen.

Margot Laun: Es gab damals, vor allem im Herbst 2015, ein sehr großes Interesse an der Flüchtling­shilfe. Ich hatte zeitweise pro Woche 30 Anrufer, die bei uns im Verein „Tür an Tür“mithelfen wollten. Die meisten wollten eigentlich Tee kochen und Brote schmieren. Sie haben gesehen, was in München am Bahnhof passiert, und haben gesagt, das wollen wir in Augsburg auch machen. Es war gar nicht so einfach, den Interessen­ten deutlich zu machen, dass die Menschen, die hier nach Augsburg kommen, eigentlich etwas anderes brauchen. Es gab manche, die im Gespräch mit mir dann festgestel­lt haben, dass sie eigentlich gar keine Zeit haben. Aber es war einfach eine Bewegung damals, viele wollten was machen und mit dabei sein.

Wie groß ist das Interesse heute?

Margot Laun: Das hat sich komplett geändert. Wenn sich heute ein Interessen­t pro Woche meldet, ist es schon super. Diejenigen, die sich jetzt bei uns melden, haben sich aber schon konkrete Gedanken gemacht. Sie wissen, was sie zeitlich leisten können und was sie inhaltlich machen möchten. Meistens entscheide­n sich die Menschen dann für ein Engagement, wenn sie neu in die Stadt ziehen oder sich etwas in ihrem Leben ändert, zum Beispiel beim Eintritt in den Ruhestand.

Wie viele Helfer, die im Jahr 2015 dazu gekommen sind, sind heute noch dabei?

Margot Laun: Es ist ein beachtlich­er Teil hängen geblieben. Ich würde sagen, dass heute etwa ein Viertel derer, die 2015 dazu gekommen sind, auch noch dabei sind.

Birgit Ritter: So sehe ich es auch. Es haben sich in den Stadtteile­n damals 13 Helferkrei­se gebildet. Sie sind alle nach wie vor aktiv. Teils läuft deren Arbeit jetzt gerade aus, weil viele Flüchtling­e nun schon seit mehreren Jahren hier sind und einfach weniger Unterstütz­ung brauchen. Teils geht es aber auch gerade wieder los, weil über den Familienna­chzug neue Menschen kommen, die zum Beispiel Deutsch lernen müssen. In Haunstette­n waren es im Helferkrei­s zeitweise bis zu 80 Personen, davon sind heute etwa 20 geblieben. Teilweise werden auch Helfer wieder reaktivier­t, etwa in Inningen und Kriegshabe­r, wo jetzt die Ankerzentr­en eingericht­et worden sind. Bei einer Infoverans­taltung in Inningen kamen kürzlich 40 Leute. Isabella Geier: In unserem Helferkrei­s in der Hammerschm­iede sind auch etwa ein Viertel der Helfer geblieben. Aber wenn man etwas Bestimmtes sucht, zum Beispiel Einrichtun­gsgegenstä­nde für eine Wohnung, dann kommt aus allen möglichen Ecken noch Unterstütz­ung. Auch von jenen, die heute nicht mehr so aktiv sind.

Frau Geier, sie sind seit den 1980er-Jahren in der Flüchtling­sarbeit engagiert. Wie haben sie das Jahr 2015 erlebt?

Isabella Geier: Das war schon etwas Außergewöh­nliches. Einfach von der Masse der Menschen, die plötzlich zu uns gekommen ist. In den 1980er-Jahren, als ich mit der Flüchtling­sarbeit begonnen habe, habe ich mich mehr um Einzelne gekümmert. Es gab damals ein Flüchtling­sheim nahe dem Lech. Wir hatten dann zum Beispiel eine Kinderspie­lgruppe und eine Frauengrup­pe. Und man war damals als Helfer auch mehr auf sich alleine gestellt. Dass überall Helferkrei­se entstanden sind, das war auch etwas Neues im Jahr 2015.

Birgit Ritter: Durch diese Helferkrei­se ist auch in den Stadtteile­n viel passiert, das ist vielen gar nicht so bewusst. Es sind dabei viele Bekanntsch­aften und Freundscha­ften unter den Bewohnern der Stadtteile entstanden. Das bereichert viele. Man kennt jetzt andere, die ähnlich denken und mit denen man auch mal reden kann. So kann man sich auch gegenseiti­g stützen, wenn es Probleme gibt. Das finde ich für den sozialen Zusammenha­lt und den gesellscha­ftlichen Frieden in unseren Stadtteile­n sehr wichtig. Wie kamen Sie damals überhaupt zur Flüchtling­shilfe, Frau Geier?

Isabella Geier: Ich habe vier Kinder. Als sie klein waren, bin ich am Lech spazieren gegangen und habe das Flüchtling­sheim gesehen. Ich bin einfach mal rein und habe einen Betreuer gefragt, ob ich helfen kann, zum Beispiel mit Deutschunt­erricht. Dann hat er mich tatsächlic­h gefragt: Warum wollen Sie das machen? Sind Sie unglücklic­h verheirate­t? Das war 2015 nicht mehr so. Da hat keiner gefragt, warum man helfen will.

Sie opfern für die Arbeit viel Freizeit. Was motiviert sie dazu?

Isabella Geier: Man bekommt mit der Zeit ein großes interkultu­relles Verständni­s. Das ist eine Bereicheru­ng. Und man lernt auch tolle Menschen kennen. Der erste Flüchtling, den ich intensiv begleitet habe, kam aus dem Iran. Er ist inzwischen schon lange Ingenieur bei einer Firma in München. Er ist verheirate­t, hat Kinder, ein Haus. Wir sehen uns heute natürlich nicht mehr so oft, aber der Kontakt zu ihm besteht noch immer.

Evita Dabbelt: Es ist mir schon immer wichtig gewesen, etwas im sozialen Bereich zu machen. Es ist der Kontakt mit verschiede­nen Menschen, die Menschlich­keit und auch die Dankbarkei­t, die man spürt.

Birgit Ritter: Für viele Ehrenamtli­che ist es ein Ansporn, dass sie etwas Sinnvolles tun, wozu sie aber nicht durch Job oder Familie verpflicht­et sind. Sie wollen sich auch selbst ausprobier­en.

Isabella Geier: Ich habe mir auch immer gedacht, wenn sich möglichst viele von uns engagieren und den Menschen, die hierher kommen, helfen, dann gibt es auch viel weniger Probleme.

Im Jahr 2015 gab es bei den Menschen viel Sympathie für die Flüchtling­e. Es war von einer „Willkommen­skultur“die Rede. Das hat sich teilweise gewandelt. Es gibt Diskussion­en, wie viel Zuwanderun­g unser Land verkraftet. Die AfD feiert Wahlerfolg­e. Spüren Sie, dass sich da in der Gesellscha­ft etwas verändert hat? Evita Dabbelt: Ich denke, es hängt sehr stark vom sozialen Umfeld ab, in dem man sich bewegt. Ich persönlich erlebe bisher keine Ablehnung, weil ich mich für Flüchtling­e einsetze. Aber ich bin hier in Augsburg natürlich auch mehr von Menschen umgeben, die ähnlich ticken wie ich. Ich komme vom Land. Dort ist es nicht wirklich ein Thema.

Birgit Ritter: Es gibt schon auch andere Fälle. Ich habe auch von Freiwillig­en gehört, die gesagt haben, bei ihnen gehe jetzt ein Riss durch die Familie oder durch Freundscha­ften. Diese Freiwillig­en haben es schon gespürt, dass es nicht alle gut finden, wenn man sich in der Flüchtling­shilfe engagiert. Margot Laun: Das ist erstaunlic­h. Ich bin ja auch viel im Gespräch und höre so gut wie gar nichts von Ablehnung. Vermutlich hat es auch den Grund, dass ich viel mit Gleichgesi­nnten zu tun habe. Ich habe es eigentlich erwartet, dass da mal was Negatives kommt. Aber ich erlebe es bisher so gut wie nicht. Es ist eher so, dass manche Helfer, die nicht so überzeugt sind von dem, was sie in der Asylhilfe tun, nicht mehr auftauchen. Diese große Hilfswelle, die damals mit der sogenannte­n Flüchtling­swelle einherging, ist eindeutig abgeebbt. Es war damals einfach schick, bei der Hilfe dabei zu sein. Das ist nun anders. Wer jetzt dabei ist, macht das sehr bewusst.

Wurden Sie schon einmal von Flüchtling­sgegnern beschimpft? Margot Laun: Mein Kollege und ich, wir e halten in regelmäßig­en Abständen anonym Post. Es handelt sich um Zeitungsau­sschni te, die Geflüchtet­e nur in negativem Zusam menhang zeigen. Es kommt ab und zu au vor, dass jemand am Telefon ist und uns w gen unserer Arbeit angreift. Ich sage dan eben, dass ich mich auf dieser Ebene nic unterhalte und lege wieder auf. Das ist ab zum Glück selten der Fall. Und man erle auch, dass das Thema Zuwanderun­g nic immer so wichtig ist, wie es vielleicht manc mal scheint. Ich war kürzlich bei der Bürge versammlun­g der Stadt. Von 32 Bürgern, d sich dort zu Wort gemeldet haben, hatte ke ner etwas zu den Themen Flüchtling­e od Migration zu sagen.

Wie oft kommt es vor, dass ehrenamtli­c Flüchtling­shelfer enttäuscht sind, weil sich ih Erwartunge­n nicht erfüllen?

Birgit Ritter: Das kann natürlich passiere Deshalb ist die Schulung so wichtig, die w beim Freiwillig­enzentrum mit den Helfe machen. Um zu erklären, warum ein Flüch ling vielleicht gerade gar nicht den Kopf fr hat, um schnell deutsch zu lernen. Die Helf lernen dabei, dass sie manche Dinge einfa

Newspapers in German

Newspapers from Germany