Lass es mit der Nostalgie!
Kürzlich ist die Schauburg im Augsburger Stadtteil Lechhausen verschwunden, versunken zu einem Haufen Ziegelsteine und Betonbrocken. Ein Vorstadtkino entspricht nicht mehr dem Bedarf einer stark gewandelten Bevölkerung. Entweder holt sich die Familie mit der Satellitenschüssel die Fernsehprogramme in ihrer Muttersprache ins Haus. Oder das Netflix-Abo vergrößert die Auswahl topaktueller Filme fürs Heimkino ins Unermessliche. Oder aber der Kinobesuch wird in eine wohl komponierte Abendgestaltung eingebaut, die selbstverständlich im quirligen Stadtzentrum abläuft. Die Vorstadt, so scheint es, ist gerade noch zum Schlafen da. Allenfalls weiter draußen, im Gewerbegebiet mit den großen Parkplätzen, hat ein Kino noch seine Berechtigung – im autogerechten Modus.
Geübte Kultur-Archäologen entdecken noch die Spuren ehemaliger Lichtspielhäuser: große Säle mit zugemauerten Fenstern und mehreren Eingangstüren. Oft sind irgendwelche Märkte in diese Gemächer des traulichen Geflüsters und der überwältigenden Gefühle eingezogen. Keine mit gefälteltem Stoff bespannte Wand atmet noch das Knistern der Spannung. Kein verglastes Kassenhäuschen stellt mehr vor die Wahl, ob es Sperrsitz oder Loge sein soll. Kein Plakat weckt mehr die Neugier auf ein starbesetztes Leinwand-Abenteuer.
Doch die heutige Zeit steht mitnichten im Zeichen des ständigen Niedergangs. Die Kinos bieten so viel Beinfreiheit wie nie. Kein Saal heizt sich im Lauf der Vorstellung noch zur Sauna auf. Die Tonanlage erlaubt grandiose Effekte, als säße der Zuschauer mitten im Set. Die digitale Projektion kommt ohne Regenstreifen aus. Und Naschzeug, Limo und Bier für zwei Stunden in der Finsternis gibt’s immer noch an der Kasse. Sogar den Lieblingsplatz kann man im Voraus buchen. Ach, lass es mit der Nostalgie!