Arbeitslos ins Abseits
Reise nach Jerusalem Eine bittere Komödie
Wenn man Alice (Eva Löbau) nach ihrem aktuellen Befinden fragt, bekommt man nur Gutes zu hören. Die Texterin hat den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt und arbeitet angeblich für mehrere Kunden. Tatsächlich aber bezieht die 39-Jährige seit einiger Zeit Hartz IV. Ihre Bewerbungen gehen ins Leere und die Trainingsprogramme, zu denen sie das Jobcenter verdonnert, sind reine Beschäftigungstherapie. Das Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Alice vertröstet den Vermieter, dreht die Heizung ab und isst sich satt, wenn sie bei ihren Eltern eingeladen ist. Während Freunde und ehemalige Kollegen das Leben genießen, schließen sich für Alice alle Türen der pulsierenden Stadt.
Die italienische Wahlberlinerin Lucia Chiarla („Bye Bye Berlusconi!“) hat diesen Film gemacht, der jedem in Lohn und Brot stehenden Zuschauer eine Heidenangst einjagt. Selten wurde die Abwärtsspirale, in die ein Arbeitsloser geraten kann, so eindringlich und nachvollziehbar in Szene gesetzt. Eva Löbau, die Kommissarin Franziska Tobler aus dem Schwarzwald-Tatort, agiert in der Hauptrolle famos. Man fühlt sofort mit ihrer Figur mit, verzeiht ihr die Lügen und ahnt, was es bedeutet, wenn jeder Gang zum Briefkasten der reinste Horror ist.
» Reise nach Jerusalem (1 Std. 58 Min.), Komödie, Deutschland 2018 Wertung ★★★★✩