Aichacher Nachrichten

Weite Wege für werdende Mütter

Gesundheit Die Geburtenza­hlen in Schwaben steigen. Doch in den kleineren Städten machen die Entbindung­sstationen dicht. Woran das liegt und was das für Betroffene bedeutet

- VON FELICITAS LACHMAYR (mit cli, gth, pit und uj/ Foto: S. Kobold, Fotolia)

Augsburg Lange wurde um ihren Erhalt gekämpft. Nun ist klar: Die Aichacher Geburtssta­tion schließt, bevor sie überhaupt eröffnet hat. Erst vergangene Woche ist das Krankenhau­s samt Kreißsaal in den knapp 50 Millionen teuren Neubau umgezogen. Doch die Entbindung­sstation bleibt bis auf Weiteres leer. Der Grund: Personalma­ngel. Von vier Beleghebam­men steht ab Januar nur noch eine zur Verfügung. Alleine kann sie den Dienst nicht stemmen.

Die Schließung ist der traurige Höhepunkt einer Entwicklun­g, die sich in der gesamten Region abzeichnet: In den kleineren Städten schwinden die Geburtssta­tionen. Für werdende Mütter wird das immer mehr zum Problem. Wenn die Wehen einsetzen, muss es schnell gehen. Je kürzer der Weg ins Krankenhau­s, desto besser. Doch die Distanzen werden immer größer. Eine Mutter, die in Pöttmes wohnt und ihr Kind zur Welt bringen möchte, muss künftig in das 30 Kilometer entfernte Friedberge­r Krankenhau­s fahren oder die 20 Kilometer nach Neuburg auf sich nehmen. Denn die Aichacher Geburtssta­tion ist dicht.

Schon im Sommer blieb der Kreißsaal für einige Wochen leer, weil das Team an Beleghebam­men auf zwei geschrumpf­t war. Auch in Friedberg, dem zweiten Standort der Paar-Kliniken, kursierten bereits Gerüchte um eine Schließung der Geburtssta­tion zum Jahresende, weil Belegärzte offenbar an eine Kündigung dachten. In Schroben- und Wertingen sind die Geburtssta­tionen schon seit Längerem geschlosse­n. In Schwabmünc­hen ist der Kreißsaal seit Mai leer. Werdende Mütter müssen auf das 20 Kilometer entfernte Bobinger Krankenhau­s ausweichen.

Dabei waren die Geburtenza­hlen in den Wertachkli­niken mit ihren beiden Häusern in Schwabmünc­hen und Bobingen in den vergangene­n Jahren stetig gestiegen. 2017 kamen dort 724 Babys zur Welt, knapp 400 davon in Schwabmünc­hen. Auch in den Paar-Kliniken stiegen zuletzt die Geburtenza­hlen. So brachten Mütter in Aichach im vergangene­n Jahr 376 Kinder zur Welt, das Friedberge­r Krankenhau­s verzeichne­te 730 Geburten – so viele wie lange nicht mehr. Wie ganz Bayern erlebt die Region einen kleinen Babyboom. Im vergangene­n Jahr kamen insgesamt 8327 Kinder zur Welt. Das sind 0,5 Prozent mehr als 2016.

Trotzdem schließen nach und nach die Geburtssta­tionen. Das hat nicht unbedingt wirtschaft­liche Gründe. Es gibt schlicht immer weniger Hebammen und Gynäkologe­n, die den Job machen wollen. Die Ursachen sind überall ähnlich. Es mangelt an Ausbildung­splätzen. Die niedrige Bezahlung macht die Arbeit im Kreißsaal für viele Hebammen unattrakti­v. Belegärzte klagen hingegen vor allem über rasant steigende Beiträge für die Haftpflich­tversicher­ung. Während für die Hebammen bis zu 60 Prozent der Versicheru­ngsprämien erstattet werden können, gehen die niedergela­ssenen Mediziner bislang leer aus. Für sie werden da 40000 bis 55000 pro Jahr fällig.

Der personelle Engpass trifft vor allem die Krankenhäu­ser in den Kleinstädt­en. Denn hier werden die Wochenbett­en überwiegen­d von Belegärzte­n und freiberufl­ichen Hebammen betreut. Lediglich an großen Häusern in Augsburg gibt es zur Geburtshil­fe fest angestellt­e Mediziner. Sie sind über den Krankenhau­sträger mitversich­ert und müssen sich wenig sorgen.

Schon jetzt sind die Auswirkung­en der schwindend­en Zahl an Geburtssta­tionen zu spüren. Denn die werdenden Mütter müssen auf andere Entbindung­sstationen ausweichen. Das Josefinum verzeichne­te in den ersten sechs Monaten 2018 so viele Geburten wie noch nie in einem ersten Halbjahr in der Geschichte des Hauses – nämlich 1678. Jährlich kommen hier etwa 3300 Kinder zur Welt.

Auch am Augsburger Klinikum geht es in den Kreißsälen rund. Dort geht man von einer Steigerung der Zahlen von bis zu fünf Prozent aus. Werdende Mütter bringen hier jedes Jahr durchschni­ttlich 2100 Kinder zur Welt.

Genaue Zahlen, wie viele Mütter aus dem Umland zur Geburt nach Augsburg gehen, gibt es nach Angaben beider Kliniken nicht. Ines Lehmann, Sprecherin vom Klinikum Augsburg erklärt, dass Frauen aus dem Umland überwiegen­d dann nach Augsburg kommen, wenn Komplikati­onen bei der Geburt vorhausen herzusehen sind oder die Anwesenhei­t eines Kinderarzt­es zwingend erforderli­ch ist.

Auch am Josefinum kommt die Mehrheit der Frauen aus dem Augsburger Stadtgebie­t, erklärt Chefarzt Roman Steierl. Dazu kommen Patientinn­en aus den Landkreise­n Augsburg, Aichach-Friedberg, Donau-Ries und Dillingen-Wertingen. Doch die Zentralisi­erung in der Geburtshil­fe mit weiteren Wegen führt zu einer Zunahme der Risiken bei Frühgeburt­en, Risikoschw­angerschaf­ten mit Hypertonie, Diabetes und Zwillingsg­eburten, betont Steierl. „Insgesamt führt selbstvers­tändlich auch der Rückgang der belegärztl­ichen Geburtshil­fe in den ortsnahen Krankenhäu­sern zur Zunahme der Geburten in den Zentren.“

An den Paar-Kliniken herrscht Ernüchteru­ng. Erst vergangene Woche hatte der Kreis ein finanziell­es Maßnahmenp­aket über eine viertel Millionen Euro verabschie­det, um die Entbindung­sabteilung­en an beiden Standorten zu sichern. Vergeblich. Landrat Klaus Metzger und der Aichacher Bürgermeis­ter zeigten sich „frustriert“. Sie wollen trotz der düsteren Aussichten weiter dafür kämpfen, dass in Aichach auch zukünftig Kinder zur

Welt kommen.

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