Wie gut können Knast und Kunst harmonieren?
Ausstellung Im Sisi-Schloss können Besucher gedanklich in die Schuhe von Inhaftierten schlüpfen. Die Kunstgruppen der Justizvollzugsanstalt Aichach stellen Skulpturen, Objekte, Reliefs, Zeichnungen und Gemälde aus
Aichach-Unterwittelsbach Einmal „in die Schuhe von Inhaftierten schlüpfen“– um diese ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten. Dazu lädt die Ausstellung „Try walking in my shoes“der Kunstgruppen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aichach im Sisi-Schloss in Unterwittelsbach (Stadt Aichach) ein. Auf drei Etagen sind dort Werke von inhaftierten Mädchen und Frauen ausgestellt. Die etwa 500 Skulpturen, Objekte, Reliefs, Zeichnungen und Gemälde entstanden während der vergangenen drei Jahre in den verschiedenen JVA-Kunstgruppen und können während der Ausstellung erworben werden. Der Erlös kommt dem Förderverein frauenHAFT zugute, der damit die künstlerischen Angebote in der Aichacher JVA unterstützt.
Schon die Ausstellungseröffnung am Donnerstagabend in Anwesenheit des Ministerialdirigenten Peter Holzner vom bayerischen Justizministerium war ein Besuchermagnet. Holzner widersprach der vorherrschenden Meinung, „dass Kunst und Knast nicht harmonieren“. Der beste Schutz der Allgemeinheit sei eine erfolgreiche Resozialisierung, so Holzner. Bei vielen Straftaten liege die Ursache in der Freizeit. Deshalb sei während der Haft sowohl die Hinführung zur Arbeit als auch zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung enorm wichtig.
JVA-Kunsterzieherin Kerstin Weger appellierte an die Besucher, sich nicht voreilig Urteile über Inhaftierte zu bilden. Nicht jedes gezeigte Werk hat herausragendes Niveau, wurde aber von Wegers Team aus pädagogischen Gründen dennoch für die Ausstellung ausgewählt. „Wir wollten bewusst keine Rosinen herauspicken“, sagt sie. Kunst sei eine schöne Möglichkeit, das Selbstwertgefühl der inhaftierten Frauen zu stärken. Die Ausstellung gibt den Künstlerinnen Gelegenheit, sich von einer anderen, einer positiven Seite, zu zeigen.
Bei einem Rundgang durch die Ausstellungsräume wird die Vielfalt der ausgestellten Werke deutlich. Die Workshop-Künstler sowie die beiden Kunst-Therapeuten Karola Steinbauer und Irene Rung geben gerne Auskunft über die jeweils angewandten Techniken. Im Foyer er- warten den Besucher „Japanische Kalligrafien“mit Kursleiter Anders Uschold aus Maisach. Zwei Räume im Erdgeschoss sind dem Workshop „TapeArt“vorbehalten, der von Monika Gebhardt aus Augsburg geleitet wurde. Als Werkstoff diente dabei einfaches Klebeband. MosaikWork-Shop-Arbeiten mit Caroline Jung aus Reichertshofen und „Vielschichtiges“mit Monika Kössl aus Augsburg sind im ersten Stock zu finden. Verschiedene TechnikWorkshop-Arbeiten mit den Künstlern Emmeran Achter aus Aichach und Janina Roider aus München sowie PopArt-Tonnen und „Zaubereien in Acryl“mit dem Münchner Künstler Götz Friedewald vervoll- ständigen die Ausstellung im zweiten Stockwerk. Die ausgestellten Schülerarbeiten, zum Beispiel die tanzenden „Püppchen“im Obergeschoss-Foyer, entstanden in Wegers Kunstunterricht als Vorbereitung auf den nachträglichen Erwerb des qualifizierenden Mittelabschlusses.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen die vorprämierten Bilder und Texte im Ausstellungsraum „Lebenslang und Lebenslänge“. Einem gemeinsamen Kunst- und Schreibwerkstatt-Projekt der Vereine frauenHAFT und der Augsburger Hospiz- und Palliativversorgung (AHPV). „Freiheit ist Kopfsache – in meinen Gedanken ist meine Freiheit grenzenlos“oder „Und ich dachte, an Langeweile stirbt man nicht“prangen dort als Untertitel in den Werken von lebenslang Inhaftierten. Auch in allen anderen Ausstellungsräumen laden berührende Texte von JVA-Insassen aus der von Dörthe Dorn aus Friedberg betreuten Gruppe „Kreatives Schreiben“zum Innehalten ein.
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JVA-Kunstgruppen Die Ausstellung ist noch bis Samstag, 24. November, im Sisi-Schloss zu sehen. Öffnungszeiten: täglich außer montags von 14 bis 18 Uhr, samstags und sonntags jeweils von 10 bis 18 Uhr. Am Sonntag, Mittwoch und am letzten Ausstellungstag werden ab 16 Uhr Texte aus der Gruppe „Kreatives Schreiben“gelesen.