Aichacher Nachrichten

Man bleibt, wer man ist

Das Interview Bjarne Mädel Als „Tatortrein­iger“wurde Bjarne Mädel bekannt. Im Kino ist er nun der Bruder von Lars Eidinger und hat Sex mit Franka Potente

- Hat die Liebesszen­e mit Franka Potente Ihren sexuellen Horizont erweitert? Hat die Arbeit Erinnerung­en an Ihr erstes, eigenes Mofa geweckt? Haben Sie eskapistis­che Gedanken? Interview: André Wesche

Bjarne Mädel: Tatsächlic­h war sie ganz toll. Wir kannten uns vorher noch nicht. Aber aus der Entfernung wusste ich natürlich, wer Lars Eidinger ist. Ich mag sehr, wie direkt er spielt, authentisc­h und intensiv. Natürlich hatte ich diese Klischees im Kopf: „Lars Eidinger, das Enfant terrible. Der feiert die ganze Nacht und legt Platten auf. Der schläft nie.“Es war wahnsinnig angenehm, was für ein Teamspiele­r in Lars steckt. Wir beide hatten zum Beispiel Lust darauf, die Namen des gesamten Teams zu kennen. Gleich am ersten Tag haben wir uns hingesetzt und gemeinsam Namen gepaukt. Am zweiten Tag haben wir alle mit Namen begrüßt, das war der Stimmung sehr zuträglich. Und wir hatten Spaß an dieser Überraschu­ng. Irgendwann fühlte es sich tatsächlic­h so an, als wären wir Brüder. Mädel: Ich hatte auf der Schauspiel­schule drei Wochen lang ein bisschen Steppen. Aber das ist schon eine Weile her. Lars hatte überhaupt keine Erfahrung – sagt er zumindest. Wir haben das beide nicht unbedingt geliebt. Wir hatten auch Tischtenni­sunterrich­t. Da waren wir immer sehr pünktlich. Zum Steppen kamen wir auch mal zu spät. Das ist immer ein Ausdruck davon, dass man nicht so gerne dahin geht. Wir haben uns gequält und es fühlte sich auch wirklich schlimm an. Wir waren erst beruhigt, als wir die ersten Aufnahmen von der Choreograf­ie gesehen haben. Das hat uns motiviert, weiterzuma­chen. Wir waren ein bisschen traurig, dass im Film manchmal auf die Füße runtergesc­hnitten wurde. Da könnte man natürlich annehmen, dass die Füße zu Doubles gehören. Beim Film wird ja so viel gelogen! Aber es sind wirklich immer unsere eigenen. Mädel: Ja, diese Form der Sexualität war mir bisher fremd. Da hat mich Franka Potente wirklich in ganz neue Welten eingeführt. Ich kannte Franka auch vorher nicht und sie war eine großartige Bekanntsch­aft. Da kommt jemand aus Hollywood, der sonst mit Johnny Depp dreht. Da weiß man nicht, was einen erwartet. Mal kucken, wie manieriert das jetzt abläuft. Und das war überhaupt nicht der Fall. Franka bringt zum Drehen überhaupt keine Eitelkeit mit, das macht die Arbeit extrem unkomplizi­ert und angenehm. Man weiß, man hat jetzt diese Sexszene und sie ist ein bisschen skurril. Und man kommt sich ja wirklich sehr nah, so wie andere Leute höchstens auf Weihnachts­feiern. Damit muss man erst einmal umgehen. Wir hatten dann gleich die Idee, dass wir in dieses Zimmer hineinkomm­en und uns wie Teenager eine Ecke im Haus suchen. Das stand so nicht im Drehbuch. Ich war von Franka Potentes Art sofort begeistert. Mit ihr könnte ich sofort schon wieder. Drehen. Mädel: In dem Film holen wir uns das Gefühl von Jugend und Freiheit zurück. Das muss man selbst erlebt haben, um es beschreibe­n zu können. Wir fuhren nebeneinan­der auf unseren Mofas. Ohne Helm, die Straßen wurden ja für uns abgesperrt. Man spürt den Wind und denkt, das ist nun unser Beruf. Wir kriegen sogar noch Geld dafür. Und es hat wirklich Erinnerung­en an früher wachgerufe­n, als man mit dem Ding zur Schule gefahren ist. Auch wenn ich eigentlich eine 80er gefahren bin, war dieses Lebensgefü­hl durchaus ähnlich. Mädel: Ich war 14, als ich zum ersten Mal über ein Jahr lang dort gelebt habe. Ich habe feststelle­n dürfen oder müssen, dass es Menschen auf der Welt gibt, die unter anderen Bedingunge­n leben, als ich es im Osten von Hamburg bisher gewohnt war. Das hat mich wirklich dauerhaft geprägt. Dass ich hier geboren wurde, war einfach nur Glück, das andere Menschen nicht hatten. Wenn Menschen vom Kontinent Afrika fliehen, weil es dort für sie keine Zukunft gibt – oder auch keine Gegenwart – dann haben die genauso ein Leben verdient, wie wir es hier führen. Wer hat denn das Recht zu sagen, wer das darf und wer nicht? Wir teilen uns Mädel: Ich habe das Glück, Sachen machen zu dürfen, die ich interessan­t finde. Früher hatte ich mal den Gedanken, meinen Reisepass wegzuschme­ißen und abzuhauen. Niemand wird mich finden, ich fange noch mal ganz neu an! Das Problem an solchen Ausbruchsf­antasien ist, dass man sich selbst ja immer mitnimmt. Man kann nicht jemand völlig anderes sein. Nur als Schauspiel­er kann ich mich für eine begrenzte Zeit komplett nicht mitnehmen. Deshalb bin ich im Moment sehr glücklich mit dem, was ich machen darf. Im Film geht es darum, die richtigen Entscheidu­ngen im Leben zu treffen und nichts zu bereuen. Es ist meine große Angst, am Ende meines Lebens feststelle­n zu müssen, dass ich etwas komplett Falsches gelebt und die falschen Abbiegunge­n genommen habe. Deshalb versuche ich, Sachen zu machen, hinter denen ich stehe und die ich gut finde. Auch im Privatlebe­n mache ich nichts leichtfert­ig, damit ich später nichts bereue.

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 ?? Foto: Sony Pictures/dpa ?? Seine KarriereBj­arne Mädel hat in den USA Kreatives Schreiben und Weltlitera­tur und in Erlangen Theaterwis­senschafte­n und Literatur studiert – aber als Bau- und Hafenarbei­ter gearbeitet. Karriere machte er erst am Theater, als Ensemblemi­tglied am Schauspiel­haus Hamburg, dann im TV („Mord mit Aussicht“). In der Komödie „25 km/h“spielt der 50-Jährige nun einen von zwei Brüdern, die sich nach 30 Jahren wiedersehe­n.
Foto: Sony Pictures/dpa Seine KarriereBj­arne Mädel hat in den USA Kreatives Schreiben und Weltlitera­tur und in Erlangen Theaterwis­senschafte­n und Literatur studiert – aber als Bau- und Hafenarbei­ter gearbeitet. Karriere machte er erst am Theater, als Ensemblemi­tglied am Schauspiel­haus Hamburg, dann im TV („Mord mit Aussicht“). In der Komödie „25 km/h“spielt der 50-Jährige nun einen von zwei Brüdern, die sich nach 30 Jahren wiedersehe­n.

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